1899 Hoffenheim vs. VfB Stuttgart
Rivalität und Banalität
Derby?
Es kam natürlich, wie es kommen musste. Das Spiel gegen den VfB Stuttgart wurde als „Derby“ auserkoren. Nur mit der Nomenklatur tat man sich schwer:“Baden-Württemberg-Derby“ (Nicht wirklich einzigartig, denn auch dasselbe trifft ja bekanntlich auch auf die Partie VfB-KSC zu.), „Südwest-Derby“ (Stuttgart? Südwesten?), „Süd-Derby“? (Auch unpassend, schließlich München noch südlicher.)
Warum also diese lexikalische Emotionalisierung? Überraschenderweise nannte das inoffizielle Fachblatt für Emotion und Agitation diese Ansetzung lediglich „Süd-West-Schlager“ – und wieder hatte die BILD-Zeitung damit Recht.
Nicht der Derbycharakter des Spiels stand im Vordergrund, sondern Harmonie. Satt. Trotz größten Drängens der Fans wurde auch beim zweiten Heimspiel das „Badner-Lied“ nicht gespielt. Die Gründe hierfür sind nicht in der Marktwirtschaft zu suchen, auch wenn diese seitens des Vereins vorgegeben werden. (Im Hinblick auf die Herkunft der Fans wird rhetorisch gekontert, ob man daher also nicht auch „Auf der schwäb’sche Eisebahne“ sowie den „Jäger aus Kupfalz“ spielen solle. Wir verwiesen darauf, dass ersteres sowohl geographisch als auch landsmannschaftlich stark fragwürdig sei. Zweitens dagegen würden wir allein aus Gründen der Originalität auch begrüßen. Überhaupt ist der Ansatz, sich bei der Auswahl der Musik an den Ethnien der Zuschauer zu orientieren, spaßig. Volksliedgut scheint seit der ARD-Olympiasendung „Waldi & Harry“ an Popularität gewonnen zu haben.)
Nun, zu einem Derby fehlte dieser Partie nicht nur das Lied. Da gehört schon ein gewisses Maß an Geschichte dazu, der Anekdoten entspringen, die über die Jahre zur Verklärung stilisiert werden. Das kann man natürlich schüren, wird man aber nicht, zumal dann nicht, wenn man die eigenen Wurzeln beim Gegner hat und dort auch der Cousin im Tor steht. Kurzum: Es war in keinster Weise ein „Derby“. (Übrigens: Auf die Frage, ob sein Cousin Jens Lehmann seine Karriere in Hoffenheim ausklingen lässt, antwortete Jochen Rotthaus, Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim: „Eher eröffnet auf dem Mars der erste Supermarkt.“ Wie dem auch sein …)
Es war nicht außer-, aber vor allem nicht unterirdisch. Es war ein gutes, phasenweise sehr gutes Fußballspiel, ein, wie man so sagt, 0:0 der besseren Sorte. Gewiss hätten die Zuschauer lieber ein 3:3 wie im gleichzeitig stattfindenden „Revier-Derby“ gesehen. Aber wie sich unsere junge Mannschaft nach der derben Niederlage in Leverkusen und nach der Länderspielpause gegen den Deutschen Meisters des Vorjahres präsentierte, war einfach klasse.
Diese Mannschaft ist es, die die Zuschauer begeistert, deren Spielweise versöhnt für so manch anderes. Man wünscht sich, der ganze Verein würde so souverän auftreten. (Und tut es inzwischen … Dazu mehr im P.P.S.)
Mit acht Minuten Verspätung ging es los. (Der Grund laut Bild Online: „700 VfB-Fans kamen unter Polizeischutz zu spät zum Stadion.“ Ortsfremde Einsatzkräfte?) Tausende Fans erhoben sich von ihren Plätzen und reckten blaue und weiße Pappen in die Luft und zeigten nur nicht gegenüber den Gästen und Haupttribünlern Masse. Auch Mediendeutschland konnte es (wahrscheinlich) sehen. Wir nicht. Wir standen ja mittendrin.
Das Spiel selbst ist kurz erzählt. Von einigen Phasen gegenseitiger Fehlpasserei wurde insbesondere durch 1899 ein gepflegtes Passspiel aufgezogen, das allerdings meist nur bis zum Strafraum reichte. Da standen dann die Stuttgarter sicher, kompakt und mit einem Torwart, der letztlich die beiden Großchancen für Hoffenheim mit sehr starken Reflexen zunichte machte. In der ersten Hälfte wehrte er einen abgefälschten Ball gerade noch so mit der Brust ab, kurz vor Schluss einen Superkopfstoß von Obasi mit dem Fuß kurz vor der Linie.
Unser Silbermedaillengewinner. Als er nach rund einer Stunde eingewechselt wurde, kam nicht nur er, sondern unsere komplette Mannschaft so richtig ins Spiel. Er rannte, verteilte die Bälle, spielte überraschende Pässe und sorgte einfach dafür, dass unser schönes Spiel auch überraschender wurde. Als dann auch noch eine Viertelstunde vor Schluss Copado den eben schön, aber unüberraschend spielenden Eduardo ersetze, konnten die Fitnesstrainer zeigen, dass sie ganze Arbeit geleistet haben. Bis zur 89. Minute gab es Steilpass auf Steilpass, die alle von Beck, Ibertsberger, Ba und vor allem Tobias Weis (unser Mann des Spiels) immer wieder und immer noch erreicht wurden und für Nervosität im VfB-Strafraum sorgte. Höhepunkt dessen war das Umstoßen Bas durch Lehmann, was dazu führte, dass der Mann in Schwarz dem Mann in Grün, wie viele meinten: „nur“ Gelb zeigte.
Eine Sekunde, nachdem die Anzeigetafel, deren Gestaltung im Grunde eine spiegelverkehrte 1:1-Übernahme des ehemaligen Layouts von Bloomberg TV darstellt, „89:59“ anzeigte, pfiff der Schiri ab. Super pünktlich und super bedauerlich, denn unsere Mannschaft drückte und drückte. Sie wollte gewinnen. Und der Schiri hätte locker zwei, drei Minuten nachspielen lassen können. Aber hätte, könnte, müsste. Er tat es nicht und beendete ein gutes, phasenweise sehr gutes Fußballspiel, das vieles war, vor allem ein 0:0 der besseren Sorte, aber definitiv kein Derby.
P.S.: Aus gut unterrichteten Kreisen erfuhren wir nach dem Spiel, dass ein gewisser D.H. gesagt haben soll, dass das „Badner-Lied“ ganz sicher in Sinsheim gespielt werden würde. Irgendwie glauben wir, dass dies schon früher geschieht …
P.P.S.: Und so isses. Nachtrag vom 15. September: Es sei nur nicht gespielt worden, um einer möglichen Eskalation vorzubeugen, heißt es vom Verein. Ab dem nächsten Heimspiel würde es gespielt … 🙂
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