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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Manchester City

Unser wahres Kapital Geld

Der Sieg des Fußballs über die Finanzen

Über kaum ein anderes Thema wird im Fußball mehr gesprochen als Geld: Geld. Geld. Geld.

Über die wahnwitzigen Transfersummen, die schwindelerregenden TV-Gelder, die irrsinnigen Trikotpreise bis hin zu den auf den ersten Blick ebenfalls erschreckend hohen Selbstverpflegungskosten im Stadion.

BierpreiseGerade in dieser Saison machte da die TSG einen enormen Sprung nach oben. In absoluten Zahlen. 4,40 € (statt der letztjährigen 3,30 €) sieht zwar nach einer 33,3%igen Preissteigerung aus, aber dafür ist es nun eine echte Halbe ím Gegensatz zu den 0,4 der letzten Saison, so dass der Preis pro Deziliter „nur“ um 6,66% stieg. Und die 4,10 € für ein Softdrink sind ebenfalls recht günstig – im Vergleich zu Preisen, die man in der Gastronomie zahlt.

Allerdings erhält man da sein Getränk schnell, was es aber auch teurer macht, wenn man es mit dem Mindestlohn vergleicht. Der liegt aktuell bei 8,84 € (ab 2019 9,19 €, ab 2020 9,35 €) – jeweils brutto. Netto entspricht der diesjährige Mindestlohn für eine/n Vollzeitbeschäftigte/n auf diesem Niveau einem Betrag von 7,78 €. Das heißt wiederum, die Kosten für ein Softdrink sind bei uns insofern Einnahmen-Ausgaben-kongruent, als dass man, um sich die Cola oder Fanta leisten zu können, fast ebenso lange arbeiten muss wie darauf warten darf, selbige zu konsumieren. In einer Gastronomie hingegen ist das Geld schneller aus dem Portemonnaie als drin.

Dennoch ist es verständlich, dass es die Zuschauer nervt, dass das partout nicht klappen will, dass man sich entspannt innerhalb der Halbzeitpause mit Flüssigkeit versorgen kann, ohne auch nur eine Sekunde des Spiels zu verpassen – und dabei hat ja gerade dieses Spiel gezeigt, wie wichtig es ist, zeitig auf seinem Platz zu sein.

48 Sekunden nach Anstoß 1:0 für die TSG. Gegen den englischen Meister aus der Stadt, die ohnehin der Inbegriff für grenzenlose Ökonomie steht – und das schon lange, lange Zeit vor der Erfindung des Fußballs als Sport.

Der Begriff „Manchester-Kapitalismus“ wird heute ähnlich positiv gesehen wie „Neo-Liberalismus“: nämlich gar nicht, was daran liegt, da beiden Konzepten die Idee zugrunde liegt, dass der Staat die ökonomische Entwicklung und den Wohlstand der Bevölkerung am besten fördert, indem er nicht in das wirtschaftliche Geschehen eingreift – und allein auf die Kräfte des Marktes vertraut.

Selbst wenn es tatsächlich diese Gemeinsamkeit gibt, hatte dieser Laissez-faire-Kapitalismus zahlreiche Nachteile, die heutzutage selbst für die Neoliberalsten so kaum mehr denkbar sein dürften: Arbeitszeiten von 14 Stunden täglich – auch für Kinder, wirklich willkürliche Regelungen von Vorgesetzten ohne Rechtsschutz, kein Arbeitsschutz, keine soziale Absicherung oder ähnliches.

Entsprechend hoch war die Armut unter den Arbeitern, obwohl, das man muss man fairerweise auch sagen, die Lebensverhältnisse sich statistisch in der Zeit auch für Arbeiter stetig verbesserten. So stieg der Wohlstand von 1750 – 1914 kontinuierlich und auch die Sterblichkeit sank in releativ kurzer Zeit relativ drastisch – von 38,4 Todesfälle unter Arbeitern im Jahre 1740 auf „nur“ 27,1 je Tausend im Jahre 1800.

Das alles war ein Verdienst des Marktes, die Willkür von Unternehmen sorgte auch für Widerstand bei den Arbeitern, die sich dann in Gewerkschaften versammelten und nach und nach Regeln zum Wohle der Arbeiter erstritten, z. B. Tarif- oder Mindestlöhne, vertragliche Garantien im Krankheitsfall, bei Arbeitsunfällen und bei Arbeitslosigkeit sowie eine Alters- und Invalidenrente. Der Staat hielt sich raus – und das tut er in England insbesondere seit Thatcher heute noch. Hier überlässt man (wie auch in den USA, aber die sind ja hier nicht Thema) vieles immer noch den in Deutschland oft zitierten „beiden Vertragsparteien“, womit Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften gemeint sind – aber meint es dort auch so, was aber für sehr viele Menschen dort auch völlig in Ordnung ist. Es ist einfach ein anderes, über die Jahrhunderte gewachsenes Selbstverständnis des Individuums gegenüber dem Staat, was mit ein Grund für die nach wie vor hohe Akzeptanz bei den Briten für ihren Ausstieg aus der Europäischen Union erklärt. Sie wollen ja kaum von London aus regiert werden, warum dann also von Brüssel aus? (Wenn man dagegenstellt, dass die Deutschen seit weniger als 70, in manchen Landstrichen nicht mal 30 Jahren Demokratie kennen, erklärt sich nicht nur der Ruf nach einem „starken Staat“ sehr gut, sondern auch, warum dieser Ruf nur sehr partiell erfolgt, man nämlich andererseits ganz gerne nichts vom Staat wissen will.)

So gesehen ist es kein Wunder, dass gerade in England das meiste Geld im Fußball im Umlauf ist – und das entgegen der Traditionspresse auch größtenteils akzeptiert wird. Die Auslastungszahlen sind hoch und auch die übertragenden Sender nagen nicht am Hungertuch. Weil der Fan zahlt.

Aber es ist halt auch kein Wunder, dass es in England auch viele alternative Vereine gibt, die die Dinge anders machen, andere Preisstrukturen haben, sich eben dadurch abheben, dass sie nicht abgehoben daherkommen, oder nicht aus jedem Spiel jeden Penny quetschen wollen, sondern statt dessen auf Fanbindung und –nähe setzen, und dank der TV-Millionen die Preise auf einem Niveau für Normalverdiener lassen.

So gesehen sind die Fanbünde, die es hierzulande gegen die verschiedenen Formen dessen gibt, was sie „modernen Fußball“ nennen, ein begrüßenswerter Anfang. Die Schwierigkeiten aber zwischen ihnen, Vereinen und Verbänden (letztere auch untereinander) – sind aber schon mal ein gutes Zeichen.

Letztlich Einfluss auf die irren Ablösesummen und die Rücknahme Zerstückelung des Spieltages wird es nicht haben, aber vielleicht auf die Preise für Trikots, Wurst und/oder Getränke. Das wäre doch schon mal was – und würde bestimmt eher in der Gesellschaft Anklang finden, als diese allgemeine Geblöke, die verbale oder physische Gewalt.

Auch an de Pfiffen gegen den deutschen Nationalspieler Gündogan konnte man erkennen, dass es nicht wirklich interessiert. Einige der TSG-Fans fanden das wohl den richtigen Kommentar für sein Foto mit dem türkischen Präsidenten. Aber es wurde nach und nach weniger.

Vielleicht war es für manche anfangs nur eine Art Gag, bei dem man halt mitmacht, der aber auf Dauer schlicht ermüdend war, oder weil sich plötzlich der andere deutsche Nationalspieler Sané noch mehr anbot, um ausgepfiffen zu werden. Zwar ertönte auch nach seiner Aktion im Strafraum mit Baumann ein Pfiff, sogar der des Schiedsrichters, aber statt für ihn Straf- Freistoß für uns. Allerdings unterließ es der Schiedsrichter, Sané entsprechend zu verwarnen, was eigentlich folgerichtig gewesen wäre.

Andererseits: Er hätte da in der in der 73. Minute genausogut Strafstoß für Sané pfeifen können.

Das wäre dann der zweite Beitrag des besten Youngsters der Premier League der letzten Saison gewesen, der zu einem Tor für seine Mannschaft führte. Bereits in der 8. Minuten war er es nämlich, der, auf Zuspiel des anderen Deutschen in Reihen der Citizens, den leider viel zu frühen Ausgleich durch Agüero für die Mannschaft vorbereitete, deren – legt man die Zahlen von transfermarkt.de zugrunde – Startelfmarktwert 675% über dem unserer Mannschaft lag. Um es noch drastischer zu formulieren: Sané allein überbot den Marktwert der Spieler unserer ersten Elf um zehn Millionen.

Man könnte jetzt noch viele andere Parameter heranziehen, um zu verdeutlichen, dass da Klein-David gegen Goliaths großen Bruder spielte (absolvierte Spiele, Länderspiele, Alter), aber da Geld nun einmal das alles bestimmende Thema im modernen Fußball ist, konzentrieren wir uns mal darauf:

 

TSG 1899 HOFFENHEIM   MANCHESTER CITY
Baumann 10.000.000 € 50.000.000 € Ederson
Akpoguma 12.000.000 € 50.000.000 € Walker
Hoogma 1.500.000 € 10.000.000 € Kompany
Posch 2.500.000 € 35.000.000 € Otamendi
Brenet 5.000.000 € 50.000.000 € Laporte
Demirbay 12.000.000 € 15.000.000 € Fernadinho
Grillitsch 15.000.000 € 30.000.000 € David Silva
Kaderabek 11.000.000 € 40.000.000 € Gündogan
Joelinton 2.500.000 € 90.000.000 € Sterling
Belfodil 5.500.000 € 90.000.000 € Sané
Szalai 3.000.000 € 80.000.000 € Agüero
80.000.000 € 675,00% 540.000.000 €
Von der Bank:
Kramaric 35.000.000 € 55.000.000 € Stones
Bittencourt 7.000.000 € 50.000.000 € Bernardo Silva
Hack 500.000 € 60.000.000 € Mahrez
122.500.000 € 575,51% 705.000.000 €

 

Und jetzt möge jede/r noch einmal aufstehen und seinen Hut vor dieser Mannschaft und ihrer Leistung ziehen, denn sie machte das Thema Finanzen vergessen. Es ging gestern nur um Fußball und alles, was den Fußball wirklich ausmacht. Reden wir darüber …

Schon bei der Auslosung wusste man, dass dies ein Spiel wird, bei dem wir nur dann würden bestehen können, wenn unsere beste Mannschaft ihre beste Leistung würde abrufen können. Das wurde noch klarer, nachdem Guardiolas Mannschaft ihr Heimspiel zuhause gegen Lyon verloren, während wir gegen Donezk punkten konnten, denn damit war klar, dass das Team aus Mittelengland in Bestbesetzung antreten würde. Uns war das ja nicht vergönnt, da wir zehn verletzte Spieler zu beklagen hatten, darunter viele Stammspieler, mit einem insgesamt höheren Marktwert als unsere Startelf:

Vogt 12.000.000 €
Nuhu 8.500.000 €
Hübner 8.000.000 €
Nordtveit 4.000.000 €
Bicakcic 2.000.000 €
Schulz 10.000.000 €
Geiger 5.000.000 €
Rupp 4.500.000 €
Zuber 10.000.000 €
Amiri 17.000.000 €
81.000.000 €

Auf der Ersatzbank nahm sogar Amadé Platz, der noch mittags im Youth League-Spiel gegen Manchester City eine Halbzeit lang seinen Beitrag zum letztlichen 5:2-Sieg leistete.

Wie also sollte diese Mannschaft mit einer solch unerfahrenen Abwehr und einem gerade genesenen Demirbay gegen so ein routiniertes Team bestehen? Mit unserem Kapital:
Mut und Zusammenhalt – plus etwas Glück.

  • Wer weiß, wie es geendet wäre, hätten wir nicht in der ersten Minute das Tor gemacht. Es hätte auch die 0:6-Packung geben können.
  • Wer weiß, wie es geendet wäre, wäre Baumann sieben Minuten später mit mehr Vehemenz dem Ball entgegen gegangen und Manchester hätte noch länger Schaulaufen um unseren Strafraum betreiben müssen?
  • Wer weiß, wie es geendet wäre, wenn wir unsere wenigen, dafür guten Konterchancen besser genutzt hätten?
  • Wer weiß, wie es geendet wäre, wenn die Gäste ihre Großchancen besser genutzt oder von Baumann weniger überragend vereitelt worden wären?

Aber wir alle wissen, wie es geendet wäre, hätte Posch weniger Pech bei seinem Versuch gehabt, den Ball zu klären. Mit einer Sensation!

Obwohl es das auch so war. Denn man könnte durchaus schreiben:

Der Spielaufbau gegen die hochangreifenden Spieler aus Manchester gestaltete sich sehr schwierig, doch dank der Umsicht von Hoogma, der in seinem 200. Bundesligaspiel stets die Ruhe bewahrte, und der in Verbindung mit Demirbay, der wie bereits seit Monaten in bestechender Form das Spiel im Mittelfeld dirigierte, gelang es den Hoffenheimern, die in Ballbesitz stets von drei Mann attackiert wurden, durch nahezu perfektes Spiel gerade ohne Ball immer wieder einen freien Mann zu finden, um dann mit einem langen Ball Nadelstiche gegen die doch anfällige Hintermannschaft des englischen Meisters zu setzen.

Alles richtig – bis auf die Zahlenwerte, denn es war erst Hoogmas zweites Spiel und sogar das erste Demirbays von Anfang an nach langer Verletzungszeit, was die Leistung der beiden nur noch weiter steigert.

Aber auch fast alle anderen sind am gestrigen Abend zu einer Form aufgelaufen, die nach dem Spiel gegen Leipzig nicht zu erwarten war.

Einzig Brenet fand kein so rechtes Mittel gegen seinen Gegenspieler und verlor ziemlich viele Stocherbälle. Aber das waren die Momente, wo sich zeigte, wie sehr das Team gewillt war, alles für den anderen zu geben.

Natürlich war das 1:1 zur Pause glücklich, aber spätestens in der 2. Halbzeit machte die Mannschaft den vielbeschworenen Schritt nach vorn. Gerade die vordere Viererkette ging ihre Gegenspieler bei den Zuspielen stärker an, war näher dran und nahm ihnen so die Freude am Passspiel mit der Folge, dass auch wir so nach und nach mehr und mehr Ballbesitz bekamen.

Nicht viel, aber gegen so ein Team war das eine Menge – und es war eigentlich nie ungefährlich, was unsere Jungs darboten, oftmals sogar vielsprechend, aber letztlich gelangen uns ähnlich wenig Abschlüsse wie den Gästen in der zweiten Halbzeit.

Irgendwie war es bezeichnend für den Verlauf der Saison, dass es wir selbst waren, die die Niederlage eingeleitet haben. Es will noch nicht so richtig klappen, aber das wird.

Um in ökonomischer Terminologie zu enden:

Wir investieren viel und selbst ohne Blue Chips haben wir gute Anlagen mit enormen Wachstumspotenzial, das aber ertragsseitig noch zu perspektivisch ist, was den Stakeholdern einerseits gefallen dürfte, andererseits hätten sie gewiss auch keine Einwände gegen Gewinnmitnahmen. Sonntag wäre der perfekte Zeitpunkt – und Gegner, kommt er doch aus Deutschlands bekanntester Börsenstadt.

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