Werder Bremen vs. 1899 Hoffenheim
Es ist angerichtet …
oder: Abstiegskampf mit Dampf
Deutschland kocht. Nein, nicht vor Wut. Und damit ist auch nicht Emotionalität gemeint, die die Fußballfans und allen voran die Medien in Anbetracht des ersten deutsch-deutschen Finales der UEFA Champions League erfasst hat. Nein, es ist so gemeint, wie es da steht: Deutschland kocht.
Im Mittags- und Nachmittagsfernsehen ist inzwischen ja genau das passiert, was viele Fußball-Fans im Zusammenhang mit dem undefinierten Begriff „moderner Fußball“ befürchten: Das bürgerliche Lager ist omnipräsent und dominiert mit maximal verbaler Asepsis den Bereich der Nahrungsmittelzubereitung.
Da wird nichts mehr nur kurz in heißes Wasser geschmissen, bestückt, fein geschnitten, eingelegt oder aufgetrennt, heutzutage wird blanchiert, bigarriert, filetiert, mariniert oder zisiliert. Und selbst wenn das alles getan ist, ist das Essen noch lange nicht fertig.
In der Zwischenzeit hat man als Zuschauer längst seine Tiefühlpizza freigelegt (ups: defoliert), hinreichend erhitzt und verspeist. So muss das auch sein: Als Fan (sei es von solchen Sendungen oder des Fußballsports), will man Ergebnisse – am besten solchem die einem schmecken.
Das gelang unserer Mannschaft nur bedingt. Natürlich überwiegt am Schluss der süße Nachgeschmack des Punktgewinns, aber dennoch weiß man, dass dieser nicht von Dauer sein wird. Zumindest machte er das bittere Entrée vergessen.
Noch ein kleiner Schwenk: Der Fußball der Zukunft wird nicht mehr der Fußball von allen sein. So wie es in den oberen Ligen in Zukunft ein Torwarnsystem geben wird, während in den unteren Ligen so mancher Schiedsrichter locker von der Mittellinie beurteilen kann, ob ein Ball mit vollem Durchmesser hinter der Torlinie ist, scheint es auch zumindest zweierlei Maß in der Beurteilung von oppositionell-motivierten Interaktionen im Spiel selbst geben.
Während in der Champions League Körperlichkeit wieder Einzug in den Sport gehalten hat, es hatte zum Teil was von Trocken-Wasserball, wird in Deutschland nahezu jeder horizontale Rasenkontakt eines Spielers als Resultat eines Foulspiels gewertet – von den Fans des liegenden Spielers sowieso, aber halt auch innerhalb einer Gruppe, die man ebenfalls soziologisch dem bürgerlichen Lager zurechnen kann: der Fußball-Reporterschar.
Immerhin kamen alle darin überein, dass der Körperkontakt zwischen dem Angreifer der Gastmannschaft und Abraham außerhalb des Strafraums war und von daher es hätte keinen Strafstoß geben dürfen, aber keine fragte sich, ob dies überhaupt ein Foulspiel war.
Nun, der nicht so erfahrene Schiedsrichter gab Elfmeter, er wurde verwandelt und nach zwei Minuten war das Spiel im Grunde vorbei.
Was auch immer Gisdol geplant hatte, das war es nicht. Und entsprechend hilflos agierten wir dann auch. Man lief viel, aber zusammen lief wenig. Vorne kam gar nichts an. Und so gut die Idee mit Johnsson im offensiven Mittelfeld und Thesker in der linken Verteidigerposition im letzten Spiel klappte, so wenig klappte sie in dieser Begegnung.
Über Theskers Seite fiel dann auch das 2:0 für die Heimmannschaft. Vestergaard holte aus, als ob er Ball über die Weser dreschen wollte, traf aber nur einen Spieler, von dem aus dann der Ball zum nächsten, von da zum anderen, Flipperspieler kennen das, und plötzlich war der Gegner frei vor unserem Tor und der Ball dann drin.
Das war zwar so ganz nach dem Geschmack der Gastgeber, die sich das Spiel ihrer Mannschaft auf der Zunge zergehen ließ, obwohl es ebenso zäh war, wie das unsere, aber eben sättigender.
In der Halbzeit wechselte Gisdol dann die Zutaten. Was man dann im Kessel sah, sah zwar besser aus, aber das Spiel köchelte weiter vor sich hin, was den Appetit zwar weiter anregte, aber den Hunger nicht stillte.
Doch gerade als die Hanseaten wenige Minuten vor Schluss mit frenetischer Verdauungsyoga begannen („La ola“), servierte Salihovic auf den eingewechselten Schipplock, der ihnen mit einem satten Schuss einschenkte.
Und wenige Minuten später, während die Gäste sich schon den Mund abwischten, kam dann das Sahnestück: der Ausgleich, den keiner mehr für möglich hielt und der natürlich der Heimmannschaft natürlich sehr auf den Magen schlug, während wir einspeichelten. Doch zu drei Sternen … äh … Punkten reichte es nicht mehr.
Gut. In der Haute Cuisine ist ein Stern schon auch viel, aber ein Punkt in der Haute Ligue in der jetzigen Situation lässt uns immer noch hungrig zurück.
Zwei Spiele und immer noch im Grunde, wenn man das Torverhältnis berücksichtigt, drei Punkte Rückstand – allerdings auf Platz 15.
Da läuft der Speichel … und gleichzeitig ist da dieser drohende Brechreiz, denn nach wie vor haben wir es selbst nicht in der Hand. Wir müssen weiter hoffen, dass die anderen sich verbrennen, während wir selbst nichts mehr anbrennen lassen dürfen.
Keine leichte Situation – auch für den Fan, der ja so langsam mürbe wird. Andererseits wissen wir ja schon lange, dass wir in dieser Saison nicht dick und fett würden. Dennoch wäre es schon schön, wenn wir in Zukunft weiterhin am Tisch der Großen Platz nehmen könnten und dann mehr vom Kuchen uns abgreifen.
Aber bis dahin vertrauen wir auf schmackhafte Hausmannskost, auch wenn wir gerne anderes serviert bekämen.
Aber das soll, darf und wird hier nicht das Thema sein. Denn wenn diese Saison etwas bewiesen hat, dann dass der Volksmund Recht hat:
Viele Köche verderben den Brei.
Besser wir spucken unseren Gegnern noch zweimal in die Suppe.
OK, das ist jetzt nicht wirklich gutes bürgerliches Benehmen, aber wer sagt denn, dass wir das goûtieren?
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