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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Hamburger SV

Wundererwartung

oder: Die Niederlage zum Aufstieg?

Wie viel Rangnick steckt in Gisdol? Ersterer war bekannt dafür, seinen Stiefel kompromisslos durchzuziehen. Und Letzterer scheint das auch zu tun, weshalb Süle seine Stiefel schnüren durfte. Mit einem 17-jährigen Debütanten in der Innenverteidigung in ein solches Spiel zu starten, war sehr, sagen wir es positiv: konsequent.

Nach der 1:4-Niederlage sowie bereits nach dem 0:2-Halbzeitstand gab es dafür jedoch nur wenig Applaus bei Bier und Wurst, zumal er beim 0:1 nicht gerade die beste Figur abgab.

Das entbehrt einer gewissen Komik nicht. Der Trainer macht das, wofür Hoffenheim einst stand und wofür es auch nach Ansicht vieler Journalisten, aber auch beispielsweise von Dietmar Hopp wieder stehen sollte: attraktiven, offensiven Fußball mit jungen, im Idealfall auch deutschen Talenten aus der eigenen Jugend.

Er tut es, es klappt nicht, man kritisiert ihn dafür. Das ist nun mal so. Aber die Stringenz der Argumentation ist zumindest fragwürdig – und irgendwie auch nicht so ganz mit unserem Grundgesetz vereinbar.

In Art. 67 GG wird das sogenannte „konstruktive Misstrauensvotum“ beschrieben, wonach man einen solchen Antrag (Abwahl des Bundeskanzlers durch das Parlament) nur dann stellen darf, wenn die Antragsteller auch eine Alternative (Gegenkandidaten) anbieten. Meckern allein, reicht nicht.

Das heißt natürlich nicht, dass man als Fan nicht meckern darf. Und dass eine Einführung zum Reflektionszwang in Fußballfanmeinungskundgebungen erfolgreich sein könnte, wäre ganz realistisch betrachtet, eine Million Mal unwahrscheinlicher, als dass unsere Mannschaft in dieser Saison noch die Klasse hält – wobei, wir brauchen ja nichts weiter als einen Sieg – und zwei Niederlagen, nämlich die der Mannschaften auf 16 und 15.

(So gesehen war es auch völlig wurscht, ob wir in diesem Spiel noch ein Unentschieden geschafft hätten. Es hätte an der Ausgangssituation nichts geändert.)

Dennoch: Der Leitspruch „Nachdenken vor Aussprechen“ wäre nicht schlecht, geradezu optimal wenn man dabei eine Stringenz in der eigenen Argumentation über einen Zeitraum beibehalten könnte. (Ja, ja, das leidige „Was kümmert mich mein blödes Geschwätz von gestern …“)

Wer wäre denn die Alternative gewesen? Vestergaard war gesperrt. Delpierre? Auch nicht gerade einer, auf den in dieser Saison immer Verlass war – und junges Talent? So gern gesehen war seine Verpflichtung zum Saisonauftakt auch nicht.

Thesker in die Mitte und Johnson auf die Seite? Natürlich denkbar, aber Thesker ist ja auch nicht gerade der Ausbund an Sicherheit, was er auch noch gar nicht sein kann, und Johnson scheint im Mittelfeld wahrlich wirkungsvoller zu sein.

Das zeigte sich ja, als er für Weis zur 2. Halbzeit eingewechselt wurde. Sofort wurde das Spiel unserer Mannschaft schneller, ideen-, varianten- und chancenreicher. Warum also nicht gleich mit Johnson?

Weil es, wie die letzten beide Spiele gezeigt haben, mal super klappen kann, aber auch mal gar nicht.

Und gewiss war Süle nicht der Grund für die Niederlage und schon gar nicht für den jetzt drohenden Abstieg. Wenn wir Niederlage und Abstieg unbedingt an Namen festmachen wollten, dann würden wir keinen Spieler nennen.

Aber was soll das bringen? Die Frage nach Schuld ist einfach nur langweilig.

Mehr noch, wer nach der Schuld fragt, ist ein Teil des Problems – und das ist überall so, denn während das Leben weiter geht, geht der Blick zurück. Wie soll man so sicher weiterkommen?

Gisdol tat das nicht. Er hat sich immer um eine Lösung gekümmert, also nach vorn geschaut – und das auch weiter als bis zur Tabelle bzw. bis zum nächsten Spiel. Das fand viel Applaus und Zustimmung. Zu recht. Dass dies auch bedeutet, Risiken einzugehen und evtl. zu scheitern, muss jedem klar gewesen sein.

In diesem Spiel scheiterte er.
In der Saison scheiterten all die anderen, die glaubten, mit Namen und Erfahrung und evtl. auch mit Geld den Klassenerhalt zu sichern, ach nee, halt: in die Europa League wollten.

Aber scheiterte er wirklich? Scheiterten wir nicht einfach nur an unseren Nerven? Denn der Gegner musste ja nichts weiter tun, als auf unsere Fehler zu warten und diese auszunutzen. Und das tat er in einer für uns äußerst unangenehmen Konsequenz und kam so zu seinem ersten Sieg bei uns.

In der ersten Halbzeit standen sie drei Mal (und das halt leider immer recht frei) vor unserem Torwart und machten daraus zwei Tore. Beide Male sah unsere Abwehr nicht gut aus, aber die Defensive war noch herausragender Bestandteil des Hoffenheimer Fußballs.

Unsere Offensive hatte schon was, z. B. in den letzten Spielen an Wirkungskraft gewonnen, aber diesmal halt nicht, weil wie immer kein Ball aus dem Mittelfeld kam. Rudy, Weis, Salihovic hätten sich durchaus mehr zurückfallen lassen müssen, um unserer jungen und neuen Abwehr Anspielstationen für den Spielaufbau zu sein. Da war aber nicht viel, so dass es recht viele lange Bälle gab, die aber nicht viel brachten. So gab es höchstens Chancelchens.

Wie gesagt, in der 2. Halbzeit wurde das besser, aber gerade als wir fast schon Großchance um Großchance erspielten, erzielten die Gäste ihren dritten Treffer. Im Gegenzug wir dann auch unseren Ehren-, aber wenige Minuten und ein Konter später war der alte Abstand wiederhergestellt.

Aber unsere Mannschaft verlor mit Anstand, was man sonst zu wohl keiner Niederlage in dieser Saison, und davon gab es ja betrüblicherweise reichlich, guten Gewissens sagen konnte. Und noch haben wir ja eine Chance, die Liga zu halten.

Aber sollten wir diese nicht nutzen bzw. sollte es damit nicht klappen, denn wie bereits erwähnt müssen wir ja nicht nur siegen, denn zumindest eine der beiden Mannschaften muss gleichzeitig ihr Spiel verlieren, damit wir es wenigstens auf den Relegationsplatz schaffen, haben wir eine noch viel größere Chance. Motto: Rehabilitation statt Relegation.

Sollten wir absteigen und Gisdol seiner Linie weiter treu bleiben (können), dann haben wir die Riesenmöglichkeit, durch ein etwas anderes Sabbatical, also ein Demutsjahr in Liga 2, Reputation in Fußball-Deutschland zu gewinnen. Selbst wenn es zwei würden, langfristig wäre das gewiss nicht von Nachteil.

Na ja, wirtschaftlich schon, aber das Geld, das dem Verein durch die Mindereinnahmen durch die TV-Gelder entgeht, lässt sich durch einen dann gewiss verjüngten, verschlankten und verbilligten Kader gewiss zum Gutteil kompensieren.

Und in der nächsten Saison gibt es ja ungeachtet der Ligazugehörigkeit immer noch die Schnelltrasse nach Europa: DFB-Pokal.

Also sieht es doch gar nicht so schlecht aus, selbst wenn das nächste Spiel nicht die gewünschten Ergebnisse bringt. Aber noch ist es nicht soweit. Noch haben wir ein Spiel. Und wir sind bereit, uns aufzuopfern.

Als Akademiker weiß man, dass manchmal kein Weg an einem Selbstversuch vorbeigeht. Und wir sind bereit dazu:

Liebe Männer in Weiß und Blau, keiner von uns weiß, wie blau er sein kann. Aber wir fänden es gerne heraus, zumal einer der unsrigen verkündete:

„Wenn wir die Relegation schaffen, zahle ich die Biere. Schaffen wir Platz 15, zahle ich das Hotel.“

Wir nähmen ihn sooo gerne beim Wort … 🙂

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