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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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SV Darmstadt 98 vs. 1899 Hoffenheim

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Wi(e)der die Natur

Nietzsches Narren und Campionati Dilettanti

Fußballfans sind primitiv. Eine oft gehörte These. Falsch. Nicht nur in dieser verallgemeinernden Form, schließlich gibt es auch da „solche und solche“. Interessant ist hier bestenfalls, dass es in deren Sportarten weniger Fans gibt, die „so“ sind.

Da gibt es keine Verbalinjurien, keine Beleidigungen, keine Banner oder Insignien der Selbstproletarisierung bzw. Pseudo(sport)politisierung. Es gibt aber auch keine großen Diskussionen um Nichtigkeiten vor oder gar Analysen nach dem Spiel mit x Expertinnen und Experten ohne jedweden intellektuellen Mehrwert, da sie einem ja lediglich erklären, was man selbst schon sah, womit klar ist, dass sie nur der Affirmation dienen, also der Bestätigung der eigenen Wahrnehmung, woraus der logische Fehlschluss gezogen wird, dass dies nun Wahrheit sei. („X war Y, hat auch Z gesagt.“)

Ja, auch das ließe sich als primitiv bezeichnen, wobei man hier erst einmal definieren müsste, was man unter diesem „primitiv“ versteht. Denn das lässt sich auch als „natürlich“ übersetzen – ganz im Sinne von Carel van Schaik, einem niederländischen Orang-Utan-Forscher, Anthropologen und Evolutionsbiologen, sowie Kai Michel, einem deutschen Wissenschaftsjournalisten, gelernten Historiker und Literaturwissenschaftler.

Sie haben sich mal der Bibel angenommen und zwar aus ihrer Perspektive und nannten sie „Das Tagebuch der Menschheit“, was ja schon für sich genommen ein phantastischer Titel ist. Es ist auch der ihres Buches, in dem sie zu dem Schluss kommen, dass der Mensch selbst die Dreieinigkeit ist. So aber sagen sie es nicht. Sie sagen, dass der Mensch aus drei Naturen besteht.

  • Die erste Natur sind unsere Gefühle, Reaktionen und Vorlieben. Sie haben sich über die Jahrhunderttausende hinweg entwickelt. Sie ist uns angeboren.
  • Die zweite Natur ist das, was wir als Kultur oder Habitus bezeichnen: Das, was man in einer Gesellschaft tut oder eben nicht macht. Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Sie ist uns also anerzogen.
  • Die dritte Natur nennen sie „unsere Vernunftnatur“ … Beispiele dafür sind jene Dinge, die wir nur widerstrebend tun, obwohl wir wissen, dass sie gut für uns oder zumindest vernünftig wären. Wie die guten Vorsätze zu Neujahr.Und weil ausgerechnet die erste Natur die wirkungsvollste und die dritte die schwächste ist, misslingt uns die Umsetzung auch immer wieder.

Und spätestens jetzt, geneigte/r Leser/in, selbst wenn du den Text bis dahin nur oberflächlich gelesen, gar: überflogen hast, sind wir uns deiner Aufmerksamkeit gewiss, denn wer denkt bei „misslingt uns die Umsetzung immer wieder“ nicht sofort an die TSG – und das nicht nur in dieser Saison.

  • „Wir hatten uns mehr vorgenommen.“
  • „Wir wollen/wollten mutig spielen.“
  • „Wir bekamen keinen Zugriff.“
  • „Unser Plan ging nicht auf.“
  • „Wir hatten uns das anders vorgestellt.“

Letzteres sagen ja auch gerne wir Fans, wobei unsere Vorstellungskraft selbst ja sehr beschränkt ist und immer aufs selbe hinausläuft: Sieg nach einer läuferisch, kämpferisch und spielerisch einwandfreien Leistung.

Das ist im Grunde natürlich der Titel für ein weiteres Buch:
„Die Anleitung zum Unglücklichsein“.
Aber das gibt es ja schon – von Paul Watzlawick.

Und es zählt wohl zur ersten Natur des Hoffenheim-(Foren-)Fans, zu einen seiner Vorlieben, stets mindestens anthrazit zu sehen. Und so gingen nicht wenige davon aus, dass auch das Spiel gegen Darmstadt NICHT von Erfolg würde geprägt sein, schließlich haben wir gegen sie in der letzten Partie des Vorjahres drei Mal die Führung aus der Hand gegeben und auch zuletzt – wie immer wieder mal in den letzten Jahren – gerade gegen Mannschaften aus dem Tabellenverließ verloren.

Die Erfahrung verstärkt auch im Sinne von van Schaiks und Michels „natürlich“ das Gefühl, schließlich kommt das ja einer „Anerziehung“ gleich, dass die Partie nicht das erhoffte und auch für den Ausgang der Saison vernünftige Ergebnis bringen wird.

Und damit wären wir bei der 3. Natur, d. h. jetzt kommt die Vernunft ins Spiel. Wir hoffen einfach – wider unsere erste Natur – darauf, dass es gut wird. Ja, es ist, verfolgt man die Ansicht der beiden, vernünftig zu hoffen. Nietzsche sieht das bekanntlich anders. Pandora öffnete ihre Büchse, angeblich ein „Geschenk der Götter“, wodurch sich alle Krankheiten, Leid und Übel verbreiteten. Schlimm genug. Am schlimmsten aber sei, dass die Hoffnung in der Büchse verblieb – und das auf Geheiß von Zeus. Angeblich sei sie das größte Glücksgut, doch Nietzsche sieht das bekanntlich so, dass Zeus wollte, dass „der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“ (Quelle)

Hm, vielleicht sollten wir einen deutschlandweiten Dachverband reflektierter und im philosophischen, nicht physikalischen Sinne reflektierender Fanclubs gründen und diesen „Nietzsches Narren“ nennen? Denn wir, die wir uns weniger als primitiv denn vernünftig ansehen, tun uns ganz im Sinne dieser 3. Natur des Menschen letztlich, um es klar und deutlich, sprich: primitiv zu sagen: diese Scheiße immer wieder an! Obwohl wir doch wissen, was passiert …

Eben nicht.

Goal. Goal. Goal. Goal.

1:0 nach 2, 2:0 nach 6, 3:0 nach 22 und 4:0 nach 26 Minuten. In der Ferne. Für uns. Durch vier verschiedene Torschützen: Bebou, Beier, Kaderabek (im Stile der letzten Tore Bebous) und Kabak. Mit vier Mal derselben Idee, naja, zumindest bei den ersten dreien war es ein langer Ball hinter die Abwehr bzw. durch die letzte Abwehrreihe, der erlaufen und dann eingesetzt wurde – und das 4:0 war im Grund nichts anderes, außer dass es ein Eckball war, aber unser Abwehrrecke streckte sich sehr einfach nach oben und köpfte völlig gegenspielerfrei ein.

Goal. Goal. Goal. Goal. Goal. (Check video for detail: Commencing at 0:17)

Kurz vor Ende des ersten Durchgangs erzielten wir das 5:0. Im Grunde wieder durch dieselbe Art, aber es kam kein weiterer Name auf die Torschützenliste, sondern Beier nach langer Zeit mal wieder zu einem Doppelpack.

Bei so vielen Toren ist es eigentlich verwunderlich, dass der Name Kramaric nicht auftaucht. Ja und nein, denn der Name taucht zwar nicht direkt auf, aber in dem Zusammenhang, denn er bereitete sowohl das 4:0 und dann auch das 6:0 durch Bebou kurz nach Wiederanpfiff vor.

Das war da schon das beste Zwischenergebnis in 16 Jahren Bundesliga. Wir trafen sogar noch einmal ins Netz der Gastgeber, aber diesmal war es wirklich abseits. Und das Bein des Darmstädter Angreifers in Kabaks Gesicht wirklich zu hoch, so dass auch dessen Schuss zwar im Netz, aber nicht auf der Anzeigetafel endete.

So blieb es beim halben Dutzend – ein sensationelles Ergebnis nicht nur, weil wir sechs Tore schossen, das taten wir schon einmal, wenngleich das 6:2 gegen den VfL Wolfsburg schon über zehn Jahre her ist, sondern weil wir gegentorlos blieben. Aber selbst das gelang uns ja schon mal – gegen den 1. FC Köln, ist aber auch schon sechs Jahre her.

Ein gutes Spiel? Eher ein schlechter Gegner. Aber ganz egal, denn 6:0 ist ein phantastisches Ergebnis – und doch … was wäre ein Akademiker ohne analytische Kritik … fehlt ein Tor. Jetzt kann am letzten Spieltag der Tabellen-6. Tabellen-6. bleiben, selbst wenn er verliert und wir unsere Partie gewinnen. Eine Differenz von nur einem Tor jeweils ließe uns auf Platz 7 verharren. Trotzdem …

Platz 7 – wie lustig, wie unglaublich, wer hätte das noch vor wenigen Wochen gedacht?

Platz 8 – ist uns nicht mehr zu nehmen. Besser waren wir in 16 Jahren Bundesliga gerade einmal vier Mal (2007/08; 2016/17; 2017/18; 2019/20).

Ja, Fakten können auch Freude machen …

A propos:

Sind wir damit sicher in einem europäischen Wettbewerb dabei? Nein, denn der 2. Startplatz in der Europa League geht an den DFB-Pokal-Sieger. Nur wenn der deutsche Meister auch den Titel im Pokal holt, rückt tabellarisch alles eines nach unten, d.h. dann wäre auch der Tabellen-7. für die Europa League qualifiziert und der Achte würde dann die Play-off-Runde zur Conference League bestreiten. Das also könnte uns blühen. Oder halt, wenn die Eintracht ihr Heimspiel gegen Leipzig mit (mehr als) einem Tor Unterschied verlöre, während wir unser letztes Heimspiel gegen den Rekordmeister mit (mehr als) einem Tor Unterschied  – mindestens eine Klammer müsste erfüllt sein) gewännen, UND Borussia Dortmund gegen Real Madrid in Wembley als Sieger vom Platz ginge, dann, äh, ja, äh, dann spielten wir (wieder mal) Champions League.

Ist das nicht Sepp-Herberger-Metaebene at its best? Von wegen „Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.“

Denn in dieser Bundesliga-Saison wissen sie es nicht mal dann, wenn sie beendet ist. Also nicht alle. Wir zum Beispiel wissen nichts – und das nicht nur im Sinne Sokrates‘. Wir wissen weder, wie es aus- und vor allem nicht, wo es hingeht.

OK, 2. Liga ist ausgeschlossen, Relegation auch, aber dann? Wird es der italienische Meister, der spanische, der portugiesische, der englische, türkische oder oder oder Virtus Acquaviva, der Meister San Marinos, der höchste Spielklasse einfach einen Namen trägt, zu dem wir uns jetzt schon hingezoegn fühlen:

Campionato Dilettanti

 

 

 

 

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