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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1. FC Köln

Nach Maß

Ein wahrlich hisTORischer Sieg!

Die Französische Revolution ist für die meisten Menschen kaum mehr als ein historisches Datum. Eventuell erinnert sich noch wer an eine ihrer Losungen („Liberté,Égalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)), die sich aber 1789 nicht durchsetzen konnte. Und auch in den Folgejahren und -jahrzehnten durchlief sie diverse Stadien und Moden.

Der Grund für dieses Hin und Her waren die verschiedenen Veränderungen, die man entweder am Originaltext vornahm (1793 begannen Pariser, „Einheit, Unteilbarkeit der Republik; Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder der Tod“, was auf ihre Hausfassaden zu schreiben, was andere aber zu sehr an die Schreckensherrschaft unmittelbar nach dem Sturm auf die Bastille erinnerte,), dann vereinnahmte der Klerus während der Februarrevolution 1848 diesen Ausspruch insbesondere die „Brüderlichkeit“ als Indiz für Jesus Christus für sich und erhoben die Losung immerhin zu einem Grundsatz. Das wurde zum Teil eben genau jene „Brüderlichkeit“ zugunsten von „Solidarität“ aufgegeben, da der Originaltext Frauen ausschließe.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde dann aber doch der Originaltext in die Verfassung aufgenommen (1946) und 1958 in der (aktuellen) 5. Republik verankert.

Die Gleichheit war ja auch so eine Sache. Nicht nur sollten alle Menschen gleich sein, also keine Privilegien besitzen, so dass keiner einem qua Geburt anderen höhergestellt war, sondern auch alles andere sollte dem Grundsatz der Gleichheit unterworfen und gleich hoch sein, z. B. Häuser.

Das ist natürlich nur ein sehr pointiertes Beispiel und nur sehr verkürzt wiedergegeben. Es soll nur verdeutlichen, wie umfassend das Ganze angegangen wurde – und auch wenn uns manches davon heute grotesk erscheint, hat man diesem Ansatz so einiges bis heute zu verdanken. Ob die Traufhöhe dazu zählt, wissen wir nicht, würde uns nicht überraschen, und es würde zu dem passen, was man gelinde als den größten Erfolg der Französischen Revolution ansehen kann: unser metrisches System.

Nur drei Länder dieser Erde haben das 1793 erstmals in Frankreich dokumentierte Einheitensystem nicht verbindlich eingeführt, wovon eines, gerade in Anbetracht von „Liberté“, lustigerweise Liberia ist. Die anderen beiden sind Myanmar sowie die USA. In wenigen anderen Ländern gibt es daneben noch andere Systeme, wie den Philippinen, Kanada und Großbritannien.

Letzteres wird dich, geneigt/r Leser/in, vielleicht überraschen, aber gerade die Tatsache, dass Großbritannien sich dem metrischen System angeschlossen hat, hilft, Verwirrungen mit den USA zu vermeiden, denn bei einigen Maßen sind Worte und Werte gleich, bei anderen nicht. So ist eine Meile diesseits und jenseits des Großen Teichs eine Meile, eine Unze eine Unze, aber eine Gallone ist im Osten des Atlantik 0,71 Liter mehr als im Westen des Gewässers.

Ein Pfund (als Gewicht) ist auch dort ein Pfund, aber dieses Pfund wiegt nach dem imperialen System rund 46 Gramm weniger als das unsere, wobei man dazusagen muss, dass der Deutsche Zollverein hier das Wort 1858 dem Wert angeglichen und damit für alle Reiche, die es zu der Zeit ja noch innerhalb unserer heutigen Landesgrenzen gab, gleich festgesetzt hat, eben als halbes Kilogramm, was zurückging auf die Gelehrtenkommission, die durch die französische Nationalversammlung ab 1790 eingesetzt wurde, um ein einheitliches und universelles Einheitensystem zu schaffen – übrigens auf Basis von Wasser.

Zuvor wog ein Pfund zwar überall 128 Quentchen, 32 Loth, vier Vierling bzw. zwei Mark (ja, auch unsere alte Währung geht auf ein Gewichtsmaß zurück, das je nach Region mehr oder weniger wert war), aber das variierte stark. In Bayern waren das 561,288 Gramm, in Nürnberg 509,5 Gramm und in Preußen 467,622 Gramm. (Wer mag, darf das gerne in Skrupel umrechnen. Ebenfalls ein altes Gewichtsmaß, was 1,3020833 g entspricht.)

Ein Pfund der besonderen Art war das von Serge Gnabry in der 23. Spielminute, der skrupellos, also federleicht seine Gegenspieler passierte und dann den Ball endlich in die Maschen drosch nachdem unser Team schon zu dem Zeitpunkt gut und gerne mit zwei, drei Toren hätte führen können, aber das Spielgerät mal um einen Fuß (= Sechstel Klafters (1,80m)) oder einen Punkt (= Hundertstel Ruthe (3,00 m)), verpasste. Da aber passte alles.

Und wenige Augenblicke später war der Ball schon wieder drin, doch der Treffer wurde wegen Abseits nicht gegeben – und wer weiß, was geworden wäre, wenn der Schiedsrichter da sowohl für uns als auch den Gegner anders entschieden hätte. Denn so schade es für uns war, dass der Treffer nicht gegeben wurde, so gut war es für uns, dass der Spielleiter den schnell ausgeführten Freistoß des Gästekeepers zurückpfiff, da deren Stürmer ziemlich frei auf den unseren zulief.

Überhaupt war es zu diesem Zeitpunkt unverständlich, warum unsere Mannschaft auf einmal das Fußballspielen einstellte. Es schien wie so oft zu sein, dass wir mit einer Führung nicht umzugehen wissen, denn bis zur Halbzeit kamen die Gäste besser und besser ins Spiel und wiederum ist unklar, was passiert wäre, hätte Gnabry nicht gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit noch einmal perfekt Maß genommen. Sein platzierter Fernschuss zum 2:0 war der Auftakt einer Halbzeit, wie sie es in Hoffenheim noch nie gab.

Liberté. Égalité. Ach, war dess schee …

Es folgten vier weitere Treffer – und jeder schien leichter als der zuvor. Dabei wurden noch weitere Riesenchancen ausgelassen. Und im Gegensatz zu beiden ersten Treffern waren das keine Einzelleistungen, sondern jeweils das Ergebnis eines Uths.

Nun fehlt uns an der Stelle die Definition dieses Maßes, aber es war halt so, dass jeder der vier Tore in schöner Regelmäßigkeit von ihm entweder erzielt, vorbereitet (von Rupp vollendet), erzielt und wieder vorbereitet (von Zuber vollendet) wurde – und das alles in gerade einmal einer Viertelstunde!

So sorgten insbesondere die beiden Stürmer, die uns zum Ende der Saison verlassen, dafür, dass wir zum zweiten Mal in unserer Bundesligahistorie, um in der Terminologie der alten Maße zu bleiben: ein vierundzwanzigstel Gros an Toren in der RHEINECKARENA erleben durften, aber diesmal ohne Gegentreffer, so dass wir hier wirklich von einem hisTORischen Sieg sprechen können. (Hier geht’s zur Premiere.)

Kein Wunder, dass es nach einer Zeit, die für einen Fan gefühlt ähnlich lange zurückliegt wie faktisch die Französische Revolution, mal wieder die Welle ihre Runden durch unser Stadion machte.

Insgeheim hofften alle noch auf einen TSG-Treffer in Unterzahl, denn die letzten zehn Minuten spielten wir nur noch zu zehnt, nachdem sich Gnabry nach einem Kopfball einen Krampf in der Wade zuzog (klingt lustig, ist es auch – war aber so) und unser Wechselkontingent bereits erschöpft war.

6:0. An Ostern. Gibt es ein besseres Ergebnis, um zu verdeutlichen, dass die Fastenzeit vorbei ist?

6:0! Ein Ergebnis nach Maß, zumal wir nächste Woche gegen genau das drei Punkte vor uns platzierte Team spielen (Frankfurt), das aber ein schlechteres Torverhältnis hat als wir. Das Torverhältnis des wiederum einen Platz besser platzierten Teams (Leverkusen) ist zwar ein Tor besser als unseres, aber das Team von der anderen Rheinseite als unser gestriger Gegner hat ein schweres Auswärtsspiel am Montag (in Leipzig). Und sollten wir unseres gewinnen und sie ihres verlieren, vorausgesetzt die Angriffswelle aus der Elsenzmetropole überflutet nach der am Rhein auch die am Main, würden wir auf einen Schlag zwei Plätze gut machen, während dann die Woche drauf Leverkusen und Frankfurt gegeneinander spielen, und wir parallel den aktuell Tabellenletzten zu Hause begrüßen, so dass plötzlich doch tatsächlich Platz 4 wieder in Reichweite rücken könnte.

6:0! Platz 4? Auch bei uns merkt man das Ende der Fastenzeit.

Die TSGier ist wieder da!

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