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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Werder Bremen

Vargas

Die schönste Freude …

… ist und bleibt die Vorfreude.

So weiß es der deutsche Volksmund und so ging es jedem, der die Sommermonate genutzt, sich ausgiebig den großen Zeitungen zugewandt und dabei insbesondere die Lektüre deren Wochenendausgaben entspannt genossen hat. Da konnte schon einmal durcheinander kommen mit all den Zahlen und Namen, die einem da in den unterschiedlichsten Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Feuilleton und Sport entgegengeschleudert wurden.

Und so kam es, dass vor wenigen Wochen das Herz eines der Hochkultur zugewandten Hoffenheimers schon einmal besonders himmelhoch hüpfte, als er las, dass sein Verein den Literatur-Nobelpreisträger von 2010 verpflichtet hat.

Sofort wollte man natürlich mehr darüber erfahren und war dann doch bass erstaunt, dass er im selben Jahr zu CF Universidad de Chile wechselte.

Ja, wir wissen, dass so etwas selten ist, aber genau das macht es ja auch so wertvoll. Zudem wäre er ja nicht der erste Mann, der mit Händen und Füßen Großartiges zu leisten im Stande ist. Wir erinnern hier ja nur zu gerne an Albert Camus, der ja ebenfalls den Literatur-Nobelpreis erhielt (1957) und von dem ja der Satz stammt: „Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball.“, weshalb wir uns ja auch „Camus‘ Erben“ nennen. Zurück zu unserer Verpflichtung …

1994 machte er wohl noch keine Schlagzeilen, denn so auf die Schnelle konnte man nicht herausfinden, für welchen Verein er in dem Jahr spielte, als er bereits den Cervantespreis erhielt, die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Literatur – und das bereits im zarten Alter von 5 Jahren.

Ups.

Hm, das konnte dann doch nicht so ganz stimmen. Also schaute man noch einmal in die Zeitung und da stand es schwarz auf weiß: „Hoffenheim verpflichtet Vargas!“

Das konnte doch nur Marqués (wie er seit 2011 offiziell heißt) Jorge Mario Pedro Vargas Llosa sein. Aber er war es nicht der Peruaner, der fast einmal auch Staatspräsident geworden wäre, sondern der Chilene Eduardo Jesús Vargas Rojas – was aber auch ein echter Überraschungstransfer war.

Der Mann, der bereits in fünf nationalen ersten Ligen spielte (Chile (CD Cobreloa, CF Universidad de Chile), Italien (SSC Neapel), Brasilien (Gremio FBPA), Spanien (FC Valencia) und England (Queens Park Rangers), wobei er vom Ex-Maradona-Club jeweils an die danach genannten Vereine ausgeliehen wurde) und just im Sommer mit seinem Heimatland die Kontinentalverbandsmeisterschaften, die Copa América gewann, kam also kurz vor der Schließung des Sommertransferfensters zu uns in den Kraichgau.

Das las sich natürlich auch bestens, wenngleich nicht ganz so gut wie so manches Werk des anderen Vargas („Die Stadt und die Hunde“, „Das grüne Haus“, „Der Hauptmann und sein Frauenbataillon“, „Lob der Stiefmutter“, „Der Krieg am Ende der Welt“, „Das Paradies ist anderswo“), aber gerade der letztgenannte Titel gab einem das Gefühl, das Skepsis und Zweifel nährte. Als Freund von „Literatur“ sollte man ja auch immer Freund ihres Anagramms sein, schließlich ergibt sie (sich aus): „Urteil“ & „Rat“.

Ein guter Rat ist immer, nicht zu schnell zu urteilen. Ja, Hoffenheim ist nicht der Himmel auf Erden für einen Fußballer. Klar findet er bei uns alles oder gar mehr vor als anderswo, außer vielleicht Medien, „In“-Szenen, klischeehafte Fans und Glamourgedönse, aber gerade Letzteres ist doch etwas, was einem so jungen Spieler aus so fernen Landen fehlen könnte. Und es wird doch schon einen Grund gehabt haben, dass er bei den ganz großen Clubs in Europa sich offensichtlich nicht hat durchsetzen können. Aber vielleicht war es gerade das, was wir ihm hier zu bieten haben, das, was er braucht, um sich wohlzufühlen und dann auch entsprechend Leistung zu bringen.

Sein Kurzeinsatz gegen Darmstadt deutete zwar an, warum man in Südamerika Fußball auch sehr stark mit den dortigen Tänzen verbindet (Samba, Tango), aber außer ein paar Hüftwacklern war da wenig von ihm zu sehen.

Aber es verstärkte noch die schönste Freude: die Vorfreude – auf seinen Einsatz, ein super Spiel, auf den ersten Sieg.

So war man also gespannt auf seinen ersten Einsatz vor heimischem Publikum – und da kann man mit Fug und Recht von einer heißen Sohle reden, die er da aufs grüne Parkett legte. Nur rund drei Minuten nach Anpfiff der Halbzeit erlief er einen Zuckerpass von Uth, schaute den Torwart aus und netzte ein. Famos. Grandios. Mit gleich mehreren Schönheitsfehlern.

Ups.

Wir sprechen hier von der 2. Halbzeit. Es war der Ausgleichstreffer. Es war der einzig schnell und konsequent gespielte Angriff unserer Mannschaft während des gesamten Spiels.

Vargas kam zusammen mit Schmid für Kuranyi und Zuber, was in Ordnung war, Gisdol hätte aber auch fast jeden anderen rausnehmen können, denn in der 1. Halbzeit ging wenig zusammen und gar nichts nach vorne.

Ebenso sagt die Tabelle nach einem 3. Spieltag eigentlich wenig bis gar nichts aus, so dass man im Vorfeld des Spiels nicht darüber sagte, dass hier der 14. den 13. empfing, aber genau so sah es aus.

Gut, man konnte die Solidität der beiden Abwehrreihen loben, die robust alle Torchancen schon frühzeitig unterbanden, aber andererseits sprach das auch gegen Spielaufbau und Durchschlagskraft beider Mannschaften.

Gegen Ende, ganz gegen Ende des ersten Durchgangs wurde es ein klitzekleinwenig besser, als Schwegler sich den Ball hart, aber nicht unfair erkämpfte, in den Lauf von Volland spielte, der auf und davon gewesen wäre, hätte der Schiedsrichter die Balleroberung nicht als Freistoß gegen uns gepfiffen, was unsere Mannschaft erboste, aber den Gegner nicht weiter juckte, sondern den ihr zugesprochenen Freistoß schnell ausführte, die mangelnde Unordnung in unserer bis dahin soliden Abwehr unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff zur Führung nutzte.

Dann aber kam der Nobelpreisträger, äh: Gewinner der Copa América – und traf. Noch über 40 Minuten zu spielen …

Das tat unserer Mannschaft – spielen. Und das dann auch immer besser. Vargas und Schmid brachten wahrlich Belebung ins Spiel. Vor allem Vargas wusste was mit dem Ball anzufangen und schien auch gewillt sein, dessen primären Daseinzweck zum Wohle der Mannschaft zu erfüllen – ihn so schnell wie möglich ins gegnerische Tor zu befördern.

Vor allem sein Kurzpassspiel war wirklich schön anzuschauen, nur taten sich die Mitspieler anfangs oft schwer mit der Schnelligkeit, die er da an den Tag legte.

Nach einer Weile ging das aber, vielleicht spielte er auch nach seiner Verletzung, die ihm gleich einen beeindruckenden Kopfverband einbrachte, etwas langsamer, und unser Spiel wurde immer ansehnlicher, wir erarbeiten uns Chancen, aber fairerweise muss man sagen, keine großen. Dennoch: Wir bestimmten das Spiel.

Und wenn der Schiedsrichter wenige Minuten nach dem Tor auch korrekterweise Elfmeter für uns gegeben hätte, als ein Bremer Verteidiger einem unserer Angreifer in den Rücken sprang, wer weiß …

So aber mühten wir uns redlich – doch vergeblich. Aber wir gaben die Hoffnung nicht auf, dass es vielleicht doch noch klappen würde mit dem ersten Dreier der Saison, schließlich dauerte die Behandlung Vargas’, die mit dem Kopfverband endete, sehr lange, so dass jeder mit mindestens vier Minuten Nachspielzeit rechnete, also noch genug Zeit für ein Tor für uns.

Bekanntlich wurden aber nur zwei Minuten nachgespielt, die dann auch zu zwei Toren reichten – für Werder.

Erst verlor Kaderabek unglücklich den Ball in der Vorwärtsbewegung, dann unterlief der bis dahin mit Schär wirklich souverän agierende Süle den Ball, an den der inzwischen spielende Pizzaro kam, der ihn fast verstolperte, aber noch zwischen vier unserer Verteidiger quer zu seinem Mitspieler legen konnte, der dann nur noch einschieben musste.

Naja, immerhin eine Minute noch, denn ein Unentschieden wäre mehr als gerecht gewesen, also noch mal alles nach vorne – so dachte man sich das auf der Tribüne. Doch Polanski hielt bis zur 92. Minute an seiner Spielweise fest, die dem ähnelte, was man sich unter einem gedopten Tipp-Kick-Männchen vorstellt: gedroschene Bälle ins Irgendwo statt Pässe zum Mitspieler. Und so landete dann auch die zweite oder dritte Ballberührung nach Wiederanpfiff im Seitenaus. Schneller Einwurf, Schuss aufs kurze Eck, 1:3 – und damit war er perfekt: das Ende aller Freuden, der schlechteste Bundesligastart der TSG.

Noch nie starteten wir in die Liga ohne Sieg nach vier Spielen – selbst im Seuchenjahr nicht, als wir ebenfalls im Pokal in der 1. Runde (gegen den Berliner AK) ausschieden.

Jetzt stehen wir auf Platz 15 – wo wir bestenfalls auch nach dem 5. Spieltag stehen werden, denn die Lücke zu Platz 14 beträgt bereits 5 Punkte. Aber dazu müssten wir Freitagabend in Mainz gewinnen – und das nur um dran zu bleiben. Um dann aufzurücken, müssten wir Mittwoch gegen den aktuellen Tabellenführer ebenfalls am besten dreifach punkten wie dann auch am Wochenende drauf bei den kampfstarken Augsburgern.

Aufgaben, die alles andere als leicht sind, und man muss sich natürlich genau überlegen, wie man darauf reagiert.

Hier sei wieder an das Anagramm der Literatur erinnert: „Urteil“ & „Rat“ – und hierfür der Mann ins Spiel gebracht, auf den wir uns so gefreut haben Vargas, genauer Vargas Llosa:

„Man kann Kopfschmerzen nicht dadurch heilen, dass man den Kranken enthauptet!“

„Das Leben ist ein Sturm aus Scheiße und die Kunst ist der einzige Regenschirm dagegen.“

Er hat mit beidem Recht – und wenn man das letztere Zitat ein wenig modifiziert, dann könnte das ja auch mal was werden: Wir brauchen halt wieder unser Spiel und das heißt vor allem „Spielkunst“ –

Aber das könnte ja klappen, denn dafür haben wir ja den Vargas. Hossa!

 

P.S.: Ein Name mit Stargarantie in Sachen Kultur in Latein- und Südamerika, denn neben Mario (Literatur / Peru) und Eduardo (Fußball /Chile) gibt es auch Ramon (Gesang / Mexiko):


 

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