Image Image Image Image Image Image Image Image Image Image

Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

Scroll to top

Top

No Comments

VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim

Balle Bizarre

oder: Ein Trauerspiel, das Hoffnung macht.

Zwei Tore haben gefehlt. Noch zwei dieser Art und man hätte in der WDR-Sportsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ mit dem Spiel alleine die Kategorie „Kacktor der Woche“ füllen können.

Gab es jemals ein Spiel, dessen Ergebnis sich ausschließlich aus solch hanebüchenen Toren ergab? Machen wir es kurz: Es war ein Grottenkick. Von beiden Seiten. Und man fragt sich: Woher kommt das? Das Wort. Grottenkick.

Die Unnatürlichkeit des Spiels kann damit nicht gemeint sein, obwohl genau das eine Grotte ist, unnatürlich, denn eine Grotte ist per definitionem nichts weiter als ein Gebäude, das eine Felsenhöhle vortäuscht.

Obwohl – hat man uns gestern nicht auch ein Fußballspiel vorgetäuscht, schließlich war wenig von dem zu sehen, was man heutzutage bei einem Fußballspiel sehen will bzw. zu sehen gewohnt ist? Niemand erwartet, dass die Mannschaft Tikki-Takka spielt, aber Tiiiiiiiiiiiiiiiiiikiiiiiiiiiiiiiiiiii-Tukk* auch nicht.
(*Langsames Spiel mit schnellem Ballverlust.)

Natürlich klingt bei dem Wort „Grotte“ auch seine italienische Herkunft durch. „grotta“ heißt Höhle, aber auch Höhlenfußball wird nicht der Ursprung des Wortes „Grottenkick“ sein.

Wahrscheinlich geht es auf ein deutsches Wort zurück, bei dem „Grotte“ noch „Höhle“ bedeutet – als Bezeichnung für die als dauernde Larvenform in Höhlengewässern lebende Amphibie aus der Gattung der Schwanzlurche und die einzige Art der Gattung Proteus: den Grottenolm.

Nur wirklich böse Zungen würden in Anspielung auf die geringe Dynamik und die wenig erkennbare Laufbereitschaft beim gestrigen Spiel sagen, dass dies der Grund ist, da das Tier ein Verwandter der Lungenlosen Salamander ist. Es hat wohl eher phonetisch-rhythmische Gründe, zumal dieses Wort umgangssprachlich eben nicht das Tier, sondern eher einen zurückgezogen lebenden, hager-hässlich-blässlichen Menschen beschreibt (neudeutsch: „Nerd“). Und das passt, um unser Spiel zu beschreiben: Wir standen zurückgezogen, in Sachen Kreativität war das Dargereichte auch eher dünn und wenig schön anzuschauen, so dass eigentlich jeder Spieler blass blieb.

Aber es gibt noch eine Möglichkeit, denn „grotta“ ist nicht nur die lexikalische Mutter der Grotte, sondern auch der Groteske, womit wir auf das eigentliche Thema des Spiels kommen: die Tore.

Nun gut, auch dieser Begriff hat eine Wandlung durchgemacht. Und es ist hier auch nicht die Kunstform oder das allgemeine Gestaltungs- und Wirkungsprinzip der antimimetischen Verbindung von Disparatem und/oder radikaler Übertreibung, die auf die Erregung von Grauen und/oder (zugleich) Gelächter abzielt. Obwohl … Nein, das war keine Kunst. Es zielte auch auf nichts ab. Das war schlicht „grotte“ … und grotesk.

Der Duden definiert dieses Adjektiv als „abenteuerlich, absonderlich, absurd, ausgefallen, bizarr, eigentümlich, eigenwillig, extravagant, komisch, merkwürdig, seltsam, sonderbar, ungewöhnlich, wunderlich; (bildungssprachlich) exzentrisch, kurios, skurril; (umgangssprachlich) abgedreht, schrullenhaft, schrullig, ulkig, verrückt; (salopp) irre; (abwertend) lächerlich.“ Und irgendwie trifft das alles auf die Tore des Spiels zu.

Tor 1:
Der Kopfball des gegnerischen Verteidigers in Richtung eigenen Torwart, aber vor allem in den Lauf von Modeste, der das allerdings sehr gut gemacht hat, mit rechts über den Keeper und links dann über die Linie, womit wir bis dahin im wahrsten Sinne des Wortes chancenlos in Führung gingen.

Zu unserem Glück hatte der Gegner auch keine Chance. Zwar war der Fuß in dem Spiel das Hauptbeförderungsmittel des Spielgeräts, dennoch wurde im Grunde einfach nur Ball gespielt. Das war schon sehr öde anzuschauen und umso betrüblicher, dass die einzig wirklich herausgespielte Chance des Spiels – die von uns war – nicht zum 2:0 führte. Modeste hatte einfach die Sekunde zu lange gewartet.

Und wie es halt so ist: Wenn du deine Chancen nicht nutzt …

Tor 2:
Der Ausgleich kurz vor Halbzeits Schluss war letztlich das Ergebnis von Passivität und mangelnder Klärungsbereitschaft. Keiner wollte den Ball wegdreschen und so bekamen wir den Ball nicht vom eigenen Strafraum weg, Szarka ihn dafür zwischen die Beine gespielt, und beim fast erfolgreichen Versuch der Rückeroberung blöd ans Bein, so dass der Gegner dann doch nach innen spielen konnte, wo Abraham den Ball wieder so blöd ans Bein bekam, dass er perfekt auf des Gegners Spann und von da in den Maschen landete.

Die Verletzung Elyounoussis machte eine Umstellung nötig. Johnson nahm seinen Platz ein und Szarka kam zu seinem ersten Einsatz von Anfang an auf der Position Johnsons.

Dafür konnte Firmino wieder spielen, was der aber nicht tat. Also er stand schon auf dem Platz, dort aber meist und eigentlich nur neben sich. Rudy offenbarte die alten Schwächen in Sachen kraftvollem Zuspiel und auch Polanskis Zuspiele waren im Grunde Ballabgaben.

In der Halbzeit brachte Gisdol Herdling für Szarka, so dass Johnson wieder auf seiner Stammposition spielen konnte. Doch statt einem Mehr an Sicherheit brachte das zuerst einmal den Rückstand.

Tor 3:
Ein langer, an sich ungefährlicher Ball wurde von Johnson so unglücklich getroffen, dass er nicht nach vorne flog, sondern nach hinten. Da stand zwar Verstergaard, der aber den Gegenspieler in seinem Rücken nicht sah oder darauf hoffte, dass Casteels ihm entgegenkommt, was der aber nicht tat, so dass unser Dänenhüne antrat, aber zu spat, äh: spät.

Das geschah kurz nach der Halbzeit, in der dann auch nichts mehr geschah. In den letzten zehn Minuten gab es zwar so etwas wie Präsenz vor dem gegnerischen Tor, aber unsere an diesem Tag völlig uninspirierte Mannschaft brachte die völlig harmlose Heimmannschaft nie in Verlegenheit, geschweige denn in Gefahr.

Immerhin war das Spiel mal kein Spektakel. Aber es war auch nicht gerade strukturiert. Es war wohl eines, wie wir noch manche werden sehen müssen. Das ist nicht schön. Aber auch nicht schlimm. Denn bisher war es ja so, dass wir nach jedem Grottenkick ein wie auch immer geartetes Glanzlicht setzen konnten.

Natürlich ist die Verärgerung groß, denn der Gegner war nicht gut. Mit etwas mehr Normalform und mehr Selbstvertrauen, mehr Laufbereitschaft sowie Passgenauigkeit im Mittelfeld wäre mindestens ein Punkt drin gewesen. Aber war’s nicht. Denn wir waren nicht besser.

Aber das werden wir, denn in diesem Spiel haben wir nämlich wieder das gemacht, was man machen muss, um, schenkt man dem Volksmund Glauben, und das tun wir, (spiel-)intelligenter zu werden: Fehler.

So gesehen war das Spiel und seine Niederlage – so grotesk es klingt: ein Gewinn.

(Bildquelle)

Submit a Comment