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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1. FSV Mainz 05 vs. 1899 Hoffenheim

TSST, Hoffenheim?

Die Konsequenz der Resilienz

Eine Mannschaft funktioniert im Idealfall wie ein Körper. Da gibt es wen, der denkt, einiges an den Rändern, das macht, in der Mitte Bestandteile, die strukturieren, sortieren und verarbeiten – naja, und irgendwer ist auch für die Scheiße zuständig. Wenn das gerade in der Mitte nicht funktioniert, läuft es entweder gar nicht (Opstipation) oder in einer Tour (Diarrhoe). Ein Hauptauslöser für Diarrhoe ist (wie bei so vielem) Stress.

Eine Mannschaft braucht (wie so vieles) eine Achse. Die hat ein Körper auch, und diese Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) bestimmt durch die Wechselwirkungen zwischen diesen drei Hormondrüsen das Reaktionsmuster des Körpers auf langanhaltende Stressreize.

Dieses Allgemeine Anpassungssyndrom ist zuständig für den Stress bzw. die Fähigkeit des Individuums mit Stress zurechtzukommen. Ist ein Körper, also ein Organismus, kein geometrischer, ganz allgemein längere Zeit Stressfaktoren ausgesetzt, reagiert er eigentlich immer gleich: Alarm, Widerstand, Erschöpfung. Nur die Intervalle variieren von Individuum zu Individuum. Diese lassen sich herausfinden durch den Trier Social Stress Test.

Ganz offensichtlich hat man den bei der Mannschaft nicht durchgeführt. Nicht einmal dessen Vorgänger hat man sich bedient, obwohl der sich namentlich mehr anbot als Prömel im gesamten Spiel, auch wenn nicht wörtlich:

Der Kaltwassertest ist ein etablierter Provokationstest, ein medizinisches Untersuchungsverfahren, das man einsetzt, wenn durch andere Methoden keine eindeutige Diagnose gestellt werden kann und mit dessen Hilfe gezielt eine körperliche oder psychische Reaktion auf einen Reiz hervorgerufen werden soll.

Dieser Test lässt sich einsetzen, um moderaten Stress anzuzeigen. Dazu wirfst man die Probanden nicht direkt und gesamt ins kalte Wasser, sondern taucht nur Hände und Füße in eiskaltes Wasser. Es ist also kein waterboarding, was die HPA-Achse definitiv völlig aus der Balance wirft. Weswegen das ja auch verboten ist. Aber andererseits gibt der Kaltwassertest auch keinen klaren Aufschluss über eben jene HPA-Achse. Das macht der standardisierte Trier Social Stress Test, und diesen TSST hätte man bei der TSG sehr wohl mal durchführen können. Er läuft idealerweise wie folgt ab:

  1. Zehnminütige Vorbereitungszeit
  2. Fünfminütige Aufgabe zur freien Rede, in der die Versuchspersonen vor „Managern“ argumentieren sollen, warum sie der beste Kandidat für die Stelle sind, für die sie sich bewerben möchten. Die Versuchspersonen erhalten die Informationen, dass die „Manager“ speziell geschult seien, um nonverbales Verhalten zu beobachten. Die Versuchsperson steht dementsprechend unter dauerhafter Beobachtung. Außerdem werde eine Stimmfrequenzanalyse des nonverbalen Verhaltens als Tonbandaufnahmen und eine Videoanalyse gemacht. Im Falle, dass die Versuchsperson vor Ablauf der fünf Minuten fertig ist, soll Folgendes gesagt werden: Sie „haben noch etwas Zeit, bitte fahren Sie fort.“ Sollte die Versuchsperson erneut vor Ablauf der Zeit stoppen, so soll 20 Sekunden abgewartet werden und dann einige vorbereitete Fragen gestellt werden.
  3. Nach 15 Minuten folgt eine fünfminütige serielle Subtraktionsaufgabe. Nach jedem Fehler muss der Proband hier neu beginnen.
  4. Nach 20 Minuten sind die Aufgaben beendet und es folgt eine Nachbesprechung und anschließend 30–70 min Pause.

Und – auch nicht unlustig – der TSST sollte bestenfalls am Nachmittag durchgeführt werden, da hier die geringste inter-individuelle Variation entsteht.

Der Trainer sprach auf der PK vor dem Spiel über Stress, aber irgendwer hat hier wohl nicht so ganz seine Hausaufgaben gemacht, denn ganz offensichtlich schien er zu wissen, was die Mannschaft erwartet. Die Mannschaft? Schien als einzige überrascht.

Ja, die Gastgeber erhielten beim in dieser Saison in der Liga extrem schwächelnden Rekordmeister eine 1:8-Klatsche. Aber hat – und schon das müsste Indiz genug sein – seitdem kein Spiel mehr verloren. Das zeigt ihre Resilienz, also wie sie auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagiert haben.

Resilienz ist ein Prozess, der drei Dinge umfasst:

  • Auslöser, die Resilienz erfordern (z. B. Traumata oder belastenden Stress)
  • Ressourcen, die Resilienz begünstigen (z. B. Selbstwertgefühl, positive Lebenshaltung, unterstützendes soziales Umfeld) und
  • Konsequenzen (z. B. Veränderungen im Verhalten oder in Einstellungen).

In der Fachliteratur scheint man aktuell zwar davon auszugehen, dass, wird Resilienz als Eigenschaft einer Person betrachtet, sie weitestgehend angeboren ist, aber die TSG ist keine Person, nur ein Körper, eine Körperschaft, die es aber nicht schafft, mit Stress umzugehen. Und überraschenderweise insbesondere dann nicht, wenn der Stress erwartbar ist. In dem Sinne erinnert sie an den friedliebenden Pazifisten, der jedem Streit aus dem Weg gehen will, aber wenn er gereizt wird, seinen Gegner, sobald er die Chance dafür sieht, halbtot schlägt.

— Ende der Psychospielchen —

Und so agierte die Mannschaft auch. Sie nahm die Konfrontation auf dem Platz nie an. Als nach wenigen Sekunden schon zeigten, was sie gedachten zu tun, und auch gleich mal einnetzten, wenngleich aus klarem Abseits heraus, war klar, dass die Worte des Trainers wahr werden würden. Da standen uns gut ein Dutzend Stressoren gegenüber, die nichts weiter im Sinn hatten, als im Rahmen der Regeln zu provozieren.

Wie sehr sie die Regeln einhielten, wurde sogar offenbar, als einer der ihren zugab, dass ein seiner Mannschaft zugesprochener Eckball nicht rechtens war.

Kurz darauf stand es 1:0 für die TSG, weil Kramaric super cool blieb und super lässig den Ball auf den super einlaufenden Kaderabek lupfte, der dann super knapp vor dem Keeper der Hausherren am Ball war und dieser dann im Netz. Super!

Das erste Gegentor für die Hausherren nach der Klatsche in der bayerischen Hauptstadt. Die Pazifistentaktik schien aufzugehen, doch dann begannen die Gastgeber erst recht aufzudrehen. Über ein Dutzend Mal schossen sie auf unser Tor und doch immer knapp daran vorbei. Um in die Kneipe zurückzukehren: Sie schlugen wild um sich, aber trafen uns nicht. Das lag aber nicht an unserer Souveränität als alte Saloonschläger, die den Gegner auf uns losstürmen lassen, um ihn zu ermüden, weil wir auszuweichen verstehen, sondern schlicht an Glück.

Das war nach dem Beginn der zweiten Halbzeit aber ruckzuck aufgebracht. Keine fünf Minuten waren gespielt, und wir lagen inzwischen 2:1 zurück. Hat uns der Fußballgott verlassen? Nun, in der ersten Halbzeit hat er uns beschützt. Jetzt halt nicht mehr. Vielmehr belohnte er just jenen Spieler, der den Schiedsrichter zu Beginn des Spiels auf den „falschen“ Eckball hinwies. Dieser erzielte den Ausgleich. Danach war es ein Ex-Hoffenheimer, der das 2:1 für die Gastgeber einleitete.

Dagegen erwischte der Ex-Mainzer in unseren Reihen einen rabenschwarzen Tag. Er war definitiv übermotiviert und blieb weiter unter seinen sonst so überragenden Möglichkeiten. Er lief nicht durch zurück, was den Ausgleich hätte verhindern können, er vergurkte die Ecke für uns, die im Gegenzug zum 3:1 führte, und seine Ballverarbeitung bzw. seine Nichtverarbeitung des Zuspiels Baumanns kurz vor Schluss zum Endstand führte. 4:1, genauer: 1:4 – das war aber nicht nichts. Das war auch nicht gar nichts, das war hoch erkenntnisreich, auch wenn es kein 1:8 war, obwohl es sich eigentlich so anfühlte.

Dabei ist Stach, der heute wirklich scheiße spielte, auszunehmen, denn in einem Körper gibt es immer mal ein Teil, das ausfällt. Dann ist es aber Aufgabe der anderen Organe, den Part zu kompensieren – oder eben des Verantwortlichen von außen einzugreifen, also zu operieren.

Beides war nicht so recht der Fall, was folglich zu einem im Grunde Totalversagen des Körpers führte. Stress kann das, also verursachen, aber die TSG müsste das besser können, also verarbeiten.

In dem Spiel konnte sie es nicht. In den nächsten Spielen wird es müssen, zumindest unter Beweis stellen. Am besten dadurch, dass man bzw. die Spieler sich dem TSST stellt bzw. stellen. Vorbereitungszeit ist ja genug.

Und spätestens nach diesem Spiel dürfte es an nichts fehlen, den Prozess der Resilienz einzuleiten. Und die Konsequenz? Ist hoffentlich konsequent … denn außer dem Spiel … so viel Erkenntnis zur Steigerung deiner Resilienz, geneigte/r Leser/in … ist noch nichts verloren … 🙂

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