Eintracht Frankfurt vs. 1899 Hoffenheim
Eu! Eu! Eu!
Jubel. Trubel. Ehrlichkeit.
Mit 2:0 gewannen wir die zum „Sechs-Punkte-Spiel“ hochstilisierte Partie gegen die Eintracht aus Frankfurt. Drei unglaublich wichtige Punkte gegen den einen, gegen den wir alle sind, den Abstieg.
„Julian Nagelsmann, Trainergott“ skandierte zwar keiner der zahlreichst allein oder im vom Fanverband der TSG organisierten Fanzug mitgereisten Fans unserer TSG, was terminlich als auch metrisch deplatziert gewesen wäre, aber überrascht hätte es dennoch niemanden, wenn unser Fanblock nach dem Spiel im Überschwang der Gefühle auch das intoniert hätte.
Seine Bilanz ist mehr als sehenswert: 2 Niederlagen, 2 Unentschieden und jetzt insgesamt 5 Siege – mehr als doppelt so viele wie in der Saison unter Gisdol und Stevens zusammen!
Kein Wunder, dass nach dem Schlusspfiff alle völlig euphorisiert waren, so dass man als Faktenfetischist wie unsereins (bisweilen) nicht umhin kommt, sich zu fragen:
„Sagt mal: Spinnt ihr denn alle?“
Höchste Zeit, etwas Unschönes zu tun, auch wenn es sich um ein sehr schönes Wortkompositum handelt.
Höchste Zeit, auf die „Euphoriebremse“ zu treten.
Nun gibt es ja im Deutschen einige Wortkomposita an die wir uns gewöhnt haben, die aber eigentlich unsinnig sind – insbesondere solche, die aus einem fremdsprachlichen und einem deutschen Anteil bestehen, weil es meist Pleonasmen sind, also Wörter, in denen ein Bestandteil völlig überflüssig ist, weil der andere Bestandteil dies schon abdeckt. Hierzu zählen unter anderem auseinanderdividieren, hinzuaddieren, Guerilla-Krieg, Haarfrisur, Pulsschlag, IT-Technik, HIV-Virus, Glasvitrine, Fußpedal, Zukunftsprognose sowie die im Fußball allseits beliebte La-Ola-Welle.
Nun können wir uns ja auch nicht wirklich freisprechen vom Vorwurf der Geschwätzigkeit. Aber dem der Dämlichkeit wollten wir uns dann doch nicht aussetzen.
Nun war uns klar, dass es sich hier um keinen Pleonasmus handelt, denn klar war, dass „Bremse“ keine Übersetzung von „Euphorie“ ist – ganz im Gegensatz zur La Ola (span. „die Welle) – oder Guerilla (span. „kleiner Krieg“), Vitrine (von lat. „vitrus“ = „Glas“), Pedal (von lat. „pes“ = „Fuß“), Puls (von lat. „pulsus“ = „Schlag“) etc.
Aber was heißt eigentlich „Euphorie“? Ist das selbst nicht ein Kompositum, schließlich kennen wir alle, auch wenn wir kein Graecum haben, die griechische Vorsilbe „ εὖ“ („eu“), vor allem aus dem heimischen Apothekerschrank: Eucerin, Eumed, Eukal etc., was gerade bei diesen Markennamen sinnvoll ist, denn „ εὖ“ heißt so viel wie „wohl“ im Sinne von „schön“, „gut“. (Auch das („wohl“) ist ja eine (ehemals) häufig benutzte Vorsilbe im Deutschen im genau gleichen Sinne, der wir uns, die wir ja wenig sensibel für die Schönheit unserer Sprache (geworden) sind, gar nicht mehr gewahr sind. Man denke nur an Worte wie „Wohlstand“, „Wohlfahrt“, „Wohltat“, „Wohlwollen“, „Wohlsein“, „wohlgemut“ oder „wohlweislich“.)
Und „Phorie“ (φορά) gibt es ja ebenfalls im Griechischen, was so viel heißt wie „das Getragenwerden“, was ja einen Sinn ergibt, auch wenn man es zusammennimmt, wofür es im Deutschen ja das Äquivalent der „Woge des Glücks“ gibt, auch wenn man mit „Phorie“ die Stellung der Augen bzw. ihrer Sehachsen zueinander meint. Aber auch das wäre ja nicht sinnfrei, könnte dies doch auf einen „verklärten Blick“ oder aber eine im Sinne des Senders positiven Sinne „verzerrte Wahrnehmung“ hinweisen.
Aber Ersteres ist der Fall. „Ευφορία“ heißt basierend auf den ursprünglichen Bedeutungen der Wortbestandteile „Fruchtbarkeit“ und „Produktivität“ und bezeichnet eine von einem Einzelindividuum (noch so Pleonasmus) empfundene temporäre überschwängliche Gemütsverfassung des gesteigerten Wohlbefindens (noch so ein „Wohl-Wort“), das jedoch im Unterschied zur hypomanischen Stimmung häufig auch als Zustand der oberflächlichen Heiterkeit bezeichnet wird.
Auch wenn das mit der Oberflächlichkeit uns natürlich nervös macht, denn Oberflächlichkeit birgt immer auch die Gefahr der Substanzlosigkeit („nichts dahinter“), scheint dies immer noch besser zu sein als die unterscheidende Stimmung der Hypomanie, wobei auch da das alles Entscheidende die Vorsilbe ist: „hypo“ (ὑπό; „unterhalb“).
Wie bitte? Sie fragen sich, wozu Sie das jetzt alles wissen sollten? Was das mit dem Spiel oder gar Ihrem Leben zu tun hat? Nun, fragen Sie sich selbst mit dem Wissen jetzt: Würden Sie (noch einmal) ein Konto bei einer „Hypo-Bank“ aufmachen?
Zudem stehen Hypomanie und Depression sehr nah beieinander. Und auch Euphorie, vor allem oberflächliche, kann sehr schnell zu einer Depression führen. Das Problem ist halt, das man das in diesem Hochgefühl nicht wahrhaben will. Aber die Gefahr ist da. Nicht nur ganz allgemein gesprochen, sondern sehr speziell auch im Falle für die (Fans der) TSG 1899 Hoffenheim.
Ja, das Spiel wurde gewonnen, aber sonst gar nichts. Auch wenn wir seit dem letzten Trainerwechsel viele Punkte gewonnen und viel Boden gut gemacht haben, erreicht haben wir nichts – und auch spielerisch stimmten gerade die beiden letzten Spiele auch nicht wirklich positiv.
Es war ein ludus stercus unserer Mannschaft, ein Scheißspiel, das doch sehr an so manchen Kick der Pränagelsmannära erinnerte: kein Aufbauspiel, kein erkennbares Konzept, zahlreiche sinn-, ziel-, kopf- und vor allem erfolglose Zuspiele – und das bereits im zweiten Spiel hintereinander.
Auch wenn es sich aktuell noch nicht in den Ergebnissen zeigt, das Momentum des Trainerwechsels hat durch die Länderspielpause gelitten.
Doch immerhin, und das hat sich dann doch geändert, kriegen wir keine Tore mehr in den letzten Minuten, wir schießen sie – und schaffen es so, zumindest in der Tabellenplatzierung ganz gut dazustehen, aber nicht das, was vorne steht (Platz 14) zählt, sondern das, was am Ende der Zeile steht – und das sind gerade mal drei Punkte Abstand zum Relegationsplatz – oder, wenn man das auf die fünf noch ausstehenden Bundesligapartien umrechnen will: nichts.
In unserem Überschwang sehen wir keine wirklich schweren Gegner mehr, eventuell mit der Ausnahme unseres nächsten Auswärtsgegners, aber dieses Gefühl trog bereits beim letzten Heimspiel.
Wir haben nur noch eine Partie gegen einen, der in unserer mittelbaren Tabellennachbarschaft steht – und das auch erst am vorletzten Spieltag und wer weiß, wie die spielen werden, wenn es für sie die letzte Chance darstellen sollte, doch noch den Klassenerhalt zu schaffen. Dafür geht es gegen zwei/drei Mannschaften, die sich gerne für die Champions League qualifizieren wollen sowie einen Aufsteiger, der sicherlich nichts dagegen hätte, wenn er sich gleich in seiner Premierensaison für die Europa League würde qualifizieren können.
Das Spiel gestern gibt aber auch so gar keinen Grund (ausgenommen vielleicht die Abwehr, die es aber gestern mit einem wirklich ungefährlichen Sturm zu tun hatte), auch nur einer der noch ausstehenden 450 Spielminuten mit Leichtigkeit oder gar allzu großer Zuversicht entgegenzublicken.
Auch wenn Kramaric die vielleicht beste (Doppel-)Chance in der überaus schlechten ersten Halbzeit hatte, darf man nicht übersehen, dass er überhaupt nur an den Ball kam, weil die Hausherren schlecht verteidigten.
Und um den Halbzeitpfiff herum, waren es die Parade vom Baumann im kurzen Eck in Halbzeit 1 sowie zu Beginn der zweiten Hälfte Toljan, der nach einer Ecke per Kopf auf der Linie rettete, denen wir das 0:0 zu verdanken hatten.
Danach kamen die Frankfurter zwar zu keiner nennenswerten Torchance mehr, was aber nicht wirklich an unserer Mannschaft lag, sondern daran, dass bei den Hausherren immer weniger funktionierte.
Partout wollten unsere das Spiel nicht machen. Und Nagelsmann schien damit auch nicht unzufrieden zu sein, denn im Gegensatz zu den früheren Spielen saß er auch wie bereits beim letzten auch diesmal die meiste Zeit still auf der Bank.
Klar konnte die Prämisse nur sein, dieses Spiel nicht zu verlieren, weshalb man auf gar keinen Fall zu hoch verteidigen wollte und damit die Gefahr erhöhen, ein Kontertor zu kassieren – eine Gefahr, die in Anbetracht der hundsmiserablen Zuspiele innerhalb unserer Mannschaft sehr real war, andererseits hätte mehr Präzision auch nicht geschadet, um frühzeitiger mehr Ruhe ins Spiel zu bringen bzw. sich selbst Räume zu eröffnen.
Denn was ein Tor bewirken kann, sah man, nachdem es gefallen war. Der Sprint des kurz zuvor eingewechselten Amiri über den halben Platz, bei dem er das Glück hatte, dass ihm seine drei Gegenspieler jeden Pass- aber nie den Laufweg zustellten, und den er mit einem guten, aber nicht einmal sehr platzierten Flachschuss erfolgreich abschloss, ließ bei den Frankfurtern nur den Adrenalinpegel steigen, was natürlich auch Gefahr bedeutete, aber mehr in Sachen Verletzung oder Verwarnungen, denn Gegentor.
Das Zustandekommen des 2:0 in der 90. Minute durch den ebenfalls eingewechselten Uth trug natürlich sehr zur Euphorie bei uns mitgereisten TSG-Fans bei, aber im Grunde war das nicht erstligawürdig, wie einfach sich Kramaric gegen seine zwei Verteidiger an der Eckfahne durchsetzen konnte, was er aber sehr gut machte. Seine Hereingabe vors Tor war indes eine Katastrophe. Es bedurfte der Mithilfe des Eintrachtkeepers, dass der Ball bei Uth landete, der ihn dann ja nur noch einschieben musste.
Nach drei Minuten Nachspielzeit brach dann fast schon hyper- (das Gegenteil von „hypo) -manischer Jubel im Gästeblock aus, so dass man hätte den Eindruck gewinnen können, wir hätten den Klassenerhalt sicher (geschafft).
Nein, nein, nein. Das haben wir nicht. Wir haben bloß ein schlechtes Spiel gewonnen. Das ist gut. Aber das wird nicht reichen.
Nun sind wir ja selbst pathologisch optimistisch und glauben wie eh und je daran, dass wir die Klasse tabellarisch sogar noch besser platziert als jetzt beenden werden. Aber nicht, wenn wir noch einmal so spielen.
Sodele.
Es reicht:
Jetzt nehmen wir den Fuß von der Euphoriebremse wieder runter.
Vollgas, Männer! (wahlweise: Wohlan!)
In den nächsten fünf Spiele sind mindestens zehn Punkte drin! 🙂
Eu! Eu! Eu!
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