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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Borussia Mönchengladbach vs. 1899 Hoffenheim

Spurensuche

Holmes meets Hoffenheim

Am Ende des Spiels waren alle (un)zufrieden. Am Anfang des Spiels auch. Allerdings dann die andere Mannschaft.

Dabei war das Spiel an sich einseitig. Hoffenheim war die spielerisch deutlich bessere Mannschaft, sie war agiler, williger, entschlossener, dennoch war nach dem Schlusspfiff die Zufriedenheit bei uns größer als bei den Gastgebern, weil wir völlig unerklärlich zur Halbzeit 2:0 zurücklagen.

Bereits 30 Sekunden, nachdem die Gastgeber das Spiel eröffneten, schoss Schipplock auf deren Tor. Zwar recht weit vorbei, aber es zeigte, dass die Einstellung stimmte.

Die Aufstellung hingegen verwunderte: weniger, dass Rudy wieder von Anfang an spielte und der nach seiner Gelbsperre aufgrund der Gelbsperre Polanskis auf seine Position zurückkehrte, vielmehr, dass nicht Vestergaard, sondern der zuletzt auf der rechten Defensivseite wenig überzeugende Strobl die Position des verletzten Abraham in der Innenverteidigung einnahm.

Ansonsten konnte man an den Namen erkennen, dass man sehr gewillt war, seinen Beitrag dazu zu leisten, das 6-Punkte-Loch zur oberen Tabellenhälfte zu verkleinern. Und Schipplocks Schuss nach einer halben Minute stärkte diese Überzeugung.

Auch der nächste Angriff ging in Richtung Gastgeber. Der Ball lief flüssig, wenngleich die Präzision fehlte. Das ließ sich sehr gut an und recht ansehen, zumal der erste Angriffsversuch der Gegner aus einem langweiligen hohen Ball über unsere Innenverteidigung bestand, der aber immerhin stark genug getreten, dass der an der 16er-Linie stehende Casteels nur auf den Ball warten musste, der Angreifer konnte nicht rankommen.

Der aber bemühte sich darum, was wohl auch die ihn umgebenden Süle und Strobl irritierte, die dann gemeinsam mit ihm auf Casteels zustürmten, was den wiederum aus der ihm oft als Negativum angekreideten Ruhe zu bringen schien.

Irgendwie wurde es eng vor ihm und so entschied er sich, nicht einfach an der Strafraumgrenze stehen zu bleiben und den Ball aufzunehmen, sondern ihn mit großer Entschiedenheit wegzudreschen. So holte er aus – und er hat ja schon einen guten Wumms – dass es einen nicht überrascht hätte, wenn ein Nachbar des Stadions, der sich gerade mit der Pflege seines Gartens beschäftigte, sich plötzlich gewundert hätte, woher der Ball kam, der da auf seinem Grund einschlug.

Aber er (Casteels) traf ihn (den Ball) nicht richtig und der Nachbar konnte weiter entspannt harken, eggen und pflegen. Wesentlich unentspannter ging es auf dem Stadionrasen zu, denn der Ball landete direkt beim Gegner, der ähnlich verwundert war, wie es jener Gärtner gewesen wäre, ob des plötzlichen Ballbesitzes, und tat das, was vielleicht auch der Nachbar getan hätte. Er schoss den Ball zurück in die Richtung, aus der er kam. Casteels dachte sich das wohl, aber er kam zu spät – und der Gastgeber führte ohne Chance 1:0.

Der Buhmann war schnell ausgemacht: Casteels. Wieder mal. Doch was ließ Sir Arthur Conan Doyle seinen Sherlock Holmes einst sagen?

„Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache!“

Ja, natürlich war es Casteels, der zuletzt den Ball berührte und dabei diesen sehr unglücklichen Querschläger produzierte. Aber genauso, wie es Alternativen für das Handeln unseres Keepers gab, gab es auch Alternativen für die Landung des Balles.

Aber auch hier taugt ein Zitat des Meisterdetektivs:

„Trauen Sie niemals allgemeinen Eindrücken, mein Junge, sondern konzentrieren Sie sich auf Einzelheiten.“

Auch für unsere beiden Innenverteidiger gab es zuvor die Chance, diesen Ball abzulaufen und so diese Situation erst gar nicht hervorzurufen oder zuvor für das Mittelfeld, diesen Pass zu verhindern bzw. den avisierten Absender dieses an sich ja nicht gut getimten Balles zuzustellen.

Nein, es war bei aller Verärgerung eine Art Freude darüber zu spüren, dass es wieder Casteels war, der ja immer für einen Bock und/oder gar Gegentor „gut“ ist. Was stimmt, aber was ihn nicht von unseren anderen Torhütern unterscheidet. Von Haas, Özcan über Hildebrand, Starke bis zu Wiese, Gomes und Grahl, sie alle hatten in den meisten Spielen mindestens einen gravierenden Aussetzer, und den oft in weniger dramatischen Situationen.

Bei letzterem, Grahl, sieht man das aber nach, was spannend ist, denn die Argumentation ist nicht fachlich begründet. Sie hat was mit seiner Erscheinung zu tun, seinem Auftreten. Er wirkt dynamischer, aggressiver als Casteels, dem man eine gewisse Schläfrigkeit nachsagt, was gewiss auch mit seinem Phänotyp, insbesondere seinen Augenlidern zu tun hat. Dabei sind die Mehrzahl der Bundesliga-Torhüter inzwischen ruhige Typen: der Torwart der Nationalmannschaft, der Torwart der Gäste, die Torhüter der Mannschaften an der Tabellenspitze sind fast ausnahmslos besonnene Typen.

Aber in einer Zeit, wo Männer sich den Veränderungen in der Gesellschaft inzwischen völlig angepasst haben, wo sie sich wie selbstverständlich zu Hause zum Pinkeln aufs Klo setzen, ihre Schuhe vor dem Betreten der Wohnung ausziehen, Helme beim Familien-Fahrradausflug tragen, zum Rauchen vor die Tür, zum Furzen aus dem Zimmer und gerne auf den Markt zum Einkaufen gehen, (Die Liste könnte um weitere Dutzend Punkte erweitert werden, aber wir wollen es ja nicht so lang werden lassen. :-), da sind wieder „Typen“ gefragt. „Echte Kerle.“ „Männer.“

(Wie viel davon Ritual ist und wie viel Kompensation, wäre doch mal eine Doktorarbeit in Soziologie u/o Psychologie wert.)

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich so viele biologische Männer tätowieren oder alles, was die Zellen erlauben, aus dem Gesicht wachsen lassen. Es wirkt halt maskulin, ganz im Gegensatz zu Casteels, der ja eher schmalbrüstig, ja fast leptosom daherkommt. Nichtsdestotrotz: Doof sah er bei der Situation schon aus.

Die Mannschaft schien konsterniert. Ebenso wenig wie die ihr wohlgesonnenen Zuschauer des Spiels konnte sie verstehen, was da geschah.

Diese Zeit nutzte der Gegner, um sein Spiel aufzuziehen, was wirklich wenig ansehnlich war. Immerhin spielten sie in dem Moment gegen eine Mannschaft, die völlig orientierungslos schien. Nichts war mehr zu sehen von der Dynamik und dem Willen der ersten Minuten. Man ließ den Gegner walten und gewähren, was immerhin Casteels die Chance gab, sich zu bewähren, denn er hielt danach alles, was für ihn zu halten war.

Und eine dieser Paraden führte dann im Anschluss zum 2:0. Zwar konnte er dank einer hübschen Flugeinlage einen Schuss noch zur Ecke abwehren, doch als diese getreten ward und der Ball in einer klassischen Parabelform (also natur-, nicht literaturwissenschaftlich betrachtet), also völlig normal, fünf Meter parallel zur Torlinie ungerührt und unberührt durch den Strafraum flog, stand am langen Pfosten ein Gegner, der gar nicht anders konnte, als den Ball in Richtung Tor zu köpfen. Und das nicht einmal hoch. Wäre Rudy wirklich am langen Pfosten stehen geblieben, hätte der wiederum gar nicht anders gekonnt, als ihn abzuwehren, aber er stand etwas davon entfernt, so dass der Ball leider genau zwischen ihn und den Pfosten passte. Nach einer herausgespielten Chance, die Casteels hielt, führten die Gastgeber 2:0.

Das war schon alles sehr kurios und unser Spielaufbau in der Zeit eine Katastrophe. Immer wieder wurde der Ball zurückgepasst. Zeitweilig spielten Salihovic und Rudy den Ball so gemächlich, dass man sicher sein konnte: Das Ganze in Zeitlupe und es ist ein Standbild.

Und wenn ein Ball nicht so lange am Fuß gehalten wurde, bis ihn sich der Gegner holte, wurde er entweder ins Nichts oder in den Rücken oder gleich ins Aus gepasst.

Nun ist Fußball nicht rational, dennoch versucht man natürlich zu verstehen, versucht das Unerklärliche zu erklären. Das Naheliegendste ist natürlich über die Psychologie zu kommen. Da diese aber fast immer und fast immer zu Recht herangezogen wird, haben wir mal nach einer Alternative geschaut und wurden wieder fündig beim Mieter von 221b Baker Street, London.

„Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.“

Die beiden Trainer haben ein Handicap ausgehandelt. Die Gastgeber sollten schnell 2:0 führen.

Die Indizien sind offensichtlich: Es gab kaum Gegenwehr bei den ersten beiden Treffern, sie fielen in der ersten Viertelstunde, Rudy und Salihovic spielten so, als ob sie Bleiplatten in den Schuhen hätten, kaum war dieser Spielstand hergestellt, fing das Spiel von Null an.

Dieser Deal, den es, es sei sicherheitshalber noch einmal gesagt, gewiss nicht gab, wäre aber nachvollziehbar gewesen. Beide konnten so den Druck auf das eigene Team erhöhen: Nachdem die Gegner das letzte Spiel nach einer frühen 1:0-Führung zum Ende doch nicht gewinnen konnten, machte man diesmal ein 2:0 draus. Und unser Team konnte zeigen, ob es nicht nur auf glitschigem Boden kämpfen und auch gegen einen Gegner aus der oberen Tabellenhälfte auf dessen Platz bestehen kann.

Das ist natürlich nur ein Spaß, ein Gedankenspiel im Rückblick (Das sei zur Sicherheit gesagt, da gerade Fußballfans eine große Neigung zu Verschwörungstheorien haben.), denn wir beherzigen natürlich auch diesen Hinweis Holmes’:

„Es ist ein kapitaler Fehler, eine Theorie aufzustellen, bevor man entsprechende Anhaltspunkte hat. Unbewusst beginnt man Fakten zu verdrehen, damit sie zu den Theorien passen, statt dass die Theorien zu den Fakten passen.“

Fakt war jedenfalls nach spätestens 30 Minuten: Hoffenheim griff wieder an, der Gegner versuchte zu kontern. Dies tat er zwar gut, aber selten konsequent und stets erfolglos, denn selbst wenn der Ball mal hinter Casteels gebracht werden konnte, gab es noch Süle, der den Ball dann wegdrosch (allerdings in einem Winkel, der mehr die Zuschauer im Stadion gefährdete als die gärtnernden Nachbarn.)

Unsere Mannschaft spielte gut, (bis auf diese zwei grotesk anmutenden Szenen), die des Gegners nicht, umso ärgerlicher war der Zwei-Tore-Rückstand zur Halbzeit. Andererseits spielten wir gegen die Mannschaft, gegen die wir schon mehrfach aus einem 0:2 ein 4:2 machten und das sowohl in der 2. Liga als auch in der Bundesliga.

Außerdem gelang es Gisdol schon oft, die Mannschaft in der Pause neu einzustellen, so dass man als Fan nicht ohne Hoffnung war, was den zweiten Durchgang betraf – und die Einwechslung Hamads ging in die richtige Richtung, obwohl man sich schon fragte, warum Herdling und nicht Rudy für ihn Platz machen musste.

Immerhin schien dieser  wie auch Salihovic in der Kabine die Bleiplatten rausgenommen zu haben. Die Mannschaft begann erneut entschlossen, aber halt nicht wild entschlossen. So konnte der Ball besser und der Gegner so in Schach, sprich: weg vom eigenen Tor gehalten werden.

Das besser gewordene Passspiel schlug sich dann auch nach relativ kurzer Zeit in einem nicht nur in seiner Entstehung sehr ansehnlichen, sondern auch natürlich sehr wertvollen Anschlusstreffer nieder. Hamad auf rechts, steil auf Volland, der halbhoch nach innen, wo Firmino von hinten kommend den Fuß hinhielt und den Ball vor dem bereits fangbereiten Keeper des Gegners erwischte. 1:2

Es wurde weiter gewechselt: Strobl, der seine Sache zumindest besser machte als zuletzt auf rechts, wurde platzverweisgefährdet vom Feld genommen ebenso wie Schipplock, von dem in der zweiten Hälfte nichts zu sehen war. Vestergaard und Modeste nahmen ihre Position ein, was natürlich deutlich machte, was wir hier wollten: gewinnen.

Wir taten es dann leider nicht, aber wir verloren auch nicht, was wir nicht nur dem besten Elfmeterschützen der diesjährigen Bundesliga-Saison zu verdanken haben, sondern auch einem intelligent spielenden Volland sowie einem trotz Manschette und auslaufendem Vertrag toll kämpfenden Johnson – und das gegen seinen mutmaßlich neuen Arbeitgeber.

Vollands Steilpass war eigentlich zu steil, schon weg, in den Rücken des Noch-Hoffenheimers, der aber sah, dass er noch an den Ball kommen konnte, dies versuchte und kurz vor der Torauslinie es wohl auch geschafft hätte, wäre er nicht gefoult worden.

Nun sind Salihovics Elfmeter keine Kunstschüsse. Die meisten Torhüter wissen, wie und wohin er sie schießt und so blieb auch der Torwart der Gastgeber einfach stehen, baute in Erwartung des zu erwartenden knallharten Schusses (oder wie wir Fußballtraditionalisten sagen: Granate) Körperspannung auf, so dass wenn schon nur er und nicht er samt Ball in die Maschen fliegt.

Doch, wie so schön auf Twitter zu lesen war: „Nur Kaffee ist abgebrühter als Salihovic“. Unsere 23 hämmerte das Ding mit gefühlten 230 zwei, drei Fuß neben den Keeper. Der Ausgleich.

Und noch war einiges an Zeit auf der Uhr, so dass ein Sieg immer noch möglich gewesen wäre.

„Die bloße Tatsache des Besitzes einer Fähigkeit ist beweiskräftiger Grund dafür, dass wir verpflichtet sind, von ihr, als gesetzmäßiger Kraft, Gebrauch zu machen.“

Nun können wir stürmen, aber halt auch denken. Wohl deshalb wurde unser Spiel schlagartig langsamer und kontrollierter.

Als ob sie plötzlich Angst vor der eigenen Courage hatten oder sich eingestanden, dass sie defensiv doch nicht so sicher standen, auch wenn der Gegner kaum eine Chance hatte. Derer aber hatte er zwei große, wobei wieder Süle klärte für den bereits überwundenen Casteels, der aber dabei den Winkel so gut verkürzte, dass der Angreifer den Ball nur noch schlenzen, also nicht fest spielen konnte und einmal hielt Casteels den Kopfball aus nächster Nähe eines vor seinem Kasten völlig freistehenden Angreifers fest.

So blieb es bei dem Unentschieden und der Abstand zur oberen Tabellenhälfte vergrößerte sich von 6 auf 8 Punkte, während sich der Abstand zum Relegationsplatz von 7 auf 6 verkürzte.

In Anbetracht des Spiels und seines Verlaufs muss man als Hoffenheimer dennoch mit diesem einen Punkt letztlich zufrieden sein, auch wenn wir das Spiel eigentlich hätten gewinnen müssen. Wir haben es selbst verbockt. Und nächste Woche geht’s zu Hause gegen die Mannschaft, gegen die wir vor wenigen Tagen an gleicher Stelle im DFB-Pokal unglücklich, aber halt ebenfalls selbstverschuldet ausschieden.

Eine große Chance, auch einmal einen Sieg gegen einen der „oberen“ Mannschaften einzufahren, sofern wir aus der Pokalpartie die richtigen Schlüsse gezogen haben. Und das ist gar nicht so einfach, wusste auch schon der Mann, der über 240 Sorten von Tabakasche unterscheiden konnte:

„Gute Informationen sind schwer zu bekommen.
Noch schwerer ist es, mit ihnen etwas anzufangen.“

 

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