Bayern München vs. 1899 Hoffenheim
Die Kraft des Glaubens
Unorthodoxe Methoden wider toxische Männlichkeit
Das Problem mit der Uneinigkeit in der Einigkeit bzw. die Lösung des Problems der Uneinigkeit durch Einigkeit sieht man ganz besonders im Vergleich von Religion und Fußball.
Was im Letzteren gelingt, gelingt im Ersteren nicht, obwohl es im Weltmaßstab nahezu dasselbe ist. Wir alle huldigen letztlich dem einen … Fußballgott!
Dumm und doof nur, dass man sich in der Regel in Sachen Religion sehr, ja geradezu ausschließlich auf die Unterschiede fokussiert, so dass man das Wesentliche nicht mehr sieht, was wesentlich wäre.
Das ist natürlich lustig in diesem thematischen Zusammenhang, dass so ein Satz von einem kommt, der …
… einer Glaubensrichtung („Buddhismus“) angehörte, die als Religion ohne Gott gilt.
… aus einem Land kommt, das sich zwar einmal für eine Fußball-WM qualifizierte, aber 1950 in Brasilien nicht antrat, weil die FIFA verbot, barfuß zu kicken.
Das Judentum, das Christentum und der Islam hingegen haben einen – und zwar denselben. Das erkennt man nicht so ohne Weiteres, aber wenn man genau hinhört schon, gerade in unserem Sprachraum – und sehr gut nach diesem Spiel:
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- „Die Entscheidung war nicht koscher.“ (Freistoß, der zum Ausgleich führte.)
- „Sie machten drei Kreuze.“ (Hoffenheim nach Schlusspfiff.)
- „Allah, geht doch!“ (dito.)
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Das ist das Schöne am Fußballgott. Er sorgt letzten Endes für Gerechtigkeit und vereint damit die Menschen, die seltsamerweise immer mehr Wert auf das Trennende legen.
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- So haben die Juden „nur“ Gott.
- Die Christen haben den Juden Jesus und sehen ihn als Sohn bzw. Teil Gottes. (Pfingsten kommt dann noch der Heilige Geist dazu.)
- Die Moslems haben Jesus auch, allerdings „nur“ als einen von mehreren Propheten, also Verkünder des Wort Gottes, von denen Mohammed der letzte und wichtigste für sie ist.
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Und dann gibt es innerhalb dieser großen Gruppen weitere Untergruppen, die ihrerseits aber wieder von sich behaupten, letzten Endes, es besser zu wissen, was an sich nicht ganz witzlos ist, denn es geht ja nicht um Wissen, sondern Glauben – und kann wer, logisch betrachtet, besser glauben?
Lassen wir mal das Judentum mit seinen diversen Strömungen inkl. dem Chaddismus oder den Islam, wo man zumindest vom Namen her einige Gruppierungen (z. B. Schiiten, Sunniten) kennt, außen vor und schauen aufs Christentum mit seinen nahezu unendlich vielen Kirchen, Richtungen, Strömungen, inkl. neureligiöse Gemeinschaften wie die Mormonen, Zeugen Jehovas, apostolische Gemeinschaften (neu- und alt-), Anglikaner und Presbytarianer, sonstige Protestanten wie Evangelen und Calvinisten, diverse Katholiken – und Orthodoxe, die sich ihrerseits in rund ein Dutzend Gruppen unterscheiden – meist – im Unterschied zum Judentum, wo man diese Strömungen je nach „Worttreue“ klassifiziert, (liberal, konservativ, ultra-, nach Region unterscheidet, also koptisch- (also altorientalisch-), griechisch-, rumänisch-, russisch-orthodox. Etc.
Es ist einfach irre. Unterschiede noch und nöcher und doch geht es um denselben Gott – und im Falle der Christen, um denselben Heilsbringer und selbst, was den angeht, gibt es innerhalb des Systems keine Einigkeit, was die Eckdaten angeht. Interessanterweise aber das Phänomen. Es kommt halt darauf an, wie und womit man rechnet.
Wir hatten ja schon im letzten Spielbericht darauf verwiesen, wann Ostern ist: Nach der Regel des Konzils von Nicäa aus dem Jahr 325 ist Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang.
Damals gab es auch nur eine Hauptstadt des Römischen Reiches und auch Sitz des Papstes: Rom. Fünf Jahre später wurde aber Byzanz als 2. Hauptstadt ernannt – durch Kaiser Konstantin, weshalb es in Konstantinopel umbenannt wurde (das heutige: Istanbul).
Dort kam es am 16. Juli 1054 nach einer sehr langen Geschichte gegenseitige Drangsalierens in der damaligen Kirche und heutigen Moschee Hagia Sophia zum „Morgenländischen Schisma“, zur Trennung der Kirchen ins zwei unabhängig voneinander existierende Konfessionen.
Ganz platt, weil der Papst in Rom (zu der Zeit war das der aus dem heutigen Deutschland stammenden Papst Leo IX., für sich beanspruchte, das Oberhaupt aller Christen zu sein, was man in Byzanz/Konstantinopel – genauer: der damalige Patriarch Michael Kerullarios – ganz und gar nicht so sah.
Und auch wenn das so ewig her erscheint, sooo viel hat sich im Wesentlichen nicht geändert, wenn zwei vor allem männliche Machtmenschen sich nicht einigen können: Als eine der ersten Maßnahmen nach der Trennung hob der orthodoxe Patriarch das Verbot der Priesterehe auf, während der Papst-Gesandte Kardinalbischof Humbert von Silva Candida seinem „Amtskollegen“, dem Mönch Nikethas Stethatos vorwarf, nicht in ein Kloster, sondern in ein Bordell zu gehören.
Und trotz der prinzipiellen Aufhebung des Zölibatzwangs ist das ein durchaus valider Affront, denn ja, bei den orthodoxen Kirchen können Priester zwar heiraten und als Gemeindepfarrer dienen, aber dann sind sie Teil des weißen Klerus. Wer sich dem schwarzen Klerus anschließt, darf das nicht. Diese Männer leben dann als Mönche im Kloster.
Und in einer solchen Konstellation ist klar, das kennt man eben nicht nur aus der Weltgeschichte der Weltreligionen, sondern aus den Klassikern der Weltliteratur sowie den besonders schlecht geltenden Drehbüchern besonders schlechter Seifenopern aus dem besonders schlechten deutschen Privatfernsehen, dass in Zukunft alles, was aus der Richtung kommt (hier: Rom / Papst) – unabhängig seiner Sinnhaftigkeit – scheiße ist und entsprechend abgelehnt wird.
Also war es nur „logisch“, dass es insbesondere in Russland, Griechenland und der Türkei dauerte, bis sich unsere heutige Zeitrechnung durchsetzte.
Dabei ging es nicht um „v. Chr.“ Und „n. Chr.“, (zumindest) da herrschte Einigkeit, sondern um das einzelne Datum.
1582 führte Papst Gregor XIII. ein neues / unser immer noch gültiges Kalendersystem (mit den Schaltjahren) ein. Und je katholischer die Gegend, desto willfähriger wurde der „Gregorianische Kalender“ eingeführt.
Im selben Jahr bereits folgten Italien, Polen, Portugal, Spanien und die meisten Regionen Frankreichs der vatikanischen Weisung. Im Jahr darauf bereits Österreich sowie die katholischen Gebiete Deutschlands.
(Darf man ja nicht vergessen: Da gab es wenige Jahre zuvor ja auch Trennungsstress – ausgelöst durch die 95 Thesen zu Wittenberg von Martin Luther am 31. Oktober 1517. – Die protestantischen Gebiete Deutschlands folgten erst 1700.)
Die oben genannten „orthodoxen“ Länder waren die letzten (1928 (RU), 1923 (GR), 1927 (TR)). Die orthodoxe Kirche aber änderte diesen Kalender nie. Sie feiert ihre Feste alle noch nach dem alten, dem Julianischen Kalender – und damit in der Regel 13 Tage später.
Aber damit ist jetzt für alle Welt das Wunder der Auferstehung für dieses Jahr geschehen – wenn / falls / sofern man daran glaubt … aber von denen, die das tun, dürften es nach den Feierlichkeiten nach dem Top-Ereignis des orthodoxen Oster-Samstags mindestens 98% tun.
Hat das damit zu tun, dass bei diesem Fest ein ganz wesentlicher Bestandteil ist, dass der Patriarch Eier segnet?
Nein. Und das nicht nur deshalb nicht, weil es politisch inkorrekt klingt, auch wenn es faktisch so ist, sondern weil unsere Mannen ganz und gar nicht so auftraten, als ob sie vor Selbstbewusstsein nur so strotzten.
Die ersten ein, zwei Minuten waren zwar ansehnlich mit dem hohen Anlaufen, aber das mutierte mehr und mehr zum Schau- und Insleerelaufen – interessanterweise beider Mannschaften, denn auch die Gastgeber waren zur Überraschung aller alles andere als oologisch herausragend.
Dabei ist ihr Präsident doch vor allem für seine Aussage bzgl. der unbedingten Notwendigkeit dieses Systems um eine Keimzelle herum, genauer: mehrere davon („Wir brauchen Eier!“) – und ihr Trainer hat es auch so erwartet. Und wir wohl auch. Aber da war nichts zu sehen, was auch nur ansatzweise an „Eier“ erinnert hätte – außer vielleicht grafisch, als beim xGoals-Wert für die TSG „0,0“ eingeblendet wurde.
Doch nicht zu vergessen, wer wir sind und wo wir stehen und welche Herausforderungen wir haben. Dass die Gastgeber in derselben Kategorien ebenfalls einen Wert weit unter 1 hatten, war doch die viel größere Überraschung. Das grenzte fast an Monorchie (aka Einhodigkeit). Ein einziger Schuss kam auf Ollis Kasten – leider war der drin.
Doch dieser minimale Rückstand war trotz unserer enormen Passivität und maximaler Rumpelhaftigkeit im Spielaufbau das, was uns (Fans) Hoffnung gab. Aber auch die Mannschaft schien sich plötzlich dessen gewahr zu sein, dass sie hochwahrscheinlich nicht gekreuzigt würde. Sie muss sich halt nur mal abwenden von dem neutestamentarischen „linke Backe, rechte Backe hinhalten“, auch wenn die Gesäße unserer Abwehrspieler da schon hilfreich sind und auch mal, obwohl sie auch das dann hervorragend taten, insbesondere in Person von Brooks, nicht nur mit Köpfchen spielen.
Kabak war das vielleicht noch bessere Beispiel, denn er wusste jeden Ball über 1,60 Meter über der Grasnarbe hervorragend wegzuverteidigen. Aber wehe, er bekam das Spielgerät an, genauer: vor den Fuß.
So agierten wir meist mit langen Bällen, gerne als Seitenwechsel geschlagen, was immerhin schnelle und kontrollierte Ballverluste verhinderte, aber halt auch kein Tempo in unser Spiel brachte. Vielleicht war es auch diese Unbeholfenheit oder Trägheit der unseren, die den Dauermeister der letzten Jahre in Sicherheit wähnte. Dass dies Taktik sein könnte, damit haben sie nicht gerechnet. Oder unserer Cleverness. Oder der von Kramaric.
Der Fußballgott jedenfalls war gnädig. Er ließ den Schiedsrichter glauben, dass dies ein Foul war. Er entschied auf Freistoß und wir darauf, den ältesten Trick der Welt (zwei Spieler stehen am Ball, beide Spieler laufen an, der erste läuft darüber) in einer weltrekordverdächtigen Langsamkeit durchzuführen. War es diese Transparenz, die dem Keeper der Hausherren die Sicht versperrte?
Jedenfalls trabte Angelino an, lief am Ball vorbei und gut zehn Meter weiter. Erst als er seine Position erreicht hatte und sich auch sonst nichts mehr auf dem Spielfeld bewegte, trat Kramaric an und Sekunden später gegen das Spielgerät. Dies allerdings so gut, dass der Keeper zwar drankam, es dann aber drin war.
Nicht unhaltbar, aber schon unfassbar: der Ausgleich.
Und als der Treffer im Gegenzug so glücklich wie korrekt nicht gegeben wurde und die Stürmer der Gastgeber so ziemlich alles richtig machten bis auf den Abschluss, war da richtig viel Zuversicht, dass mit dem Abpfiff ein alter Satz wahr werden würde, den man sonst so gerne flehentlich äußert, wenn beispielsweise Spieler schlechte Erklärungen geben: „Jetzt macht doch mal n Punkt!“
Den haben sie gemacht – und unsere Erklärung:
So unorthodox, wie wir bisweilen als Mannschaft auftreten, so fest sind wir im Glauben. Da wird niemand in die Pfanne gehauen – auch keine Eier. Doch wir glauben ans Fest.
Zum Saisonende – auch wenn es wohl nicht ganz 47 Punkte und Platz 7 werden, was theoretisch möglich wäre. Denn wir glauben an den einen … Fußballgott.
An die Kraft der Einigkeit. Gerade in der Uneinigkeit. Er vertreibt die Gespenster – UND die Schwätzer. Die, die glauben, zu wissen, und nicht mal wissen, dass sie nicht mal glauben.
Unorthodox, aber verein(t).
Oder wie man bei uns, der TSG sagt:
So soll es sein.
So ist es … gut!
Beten wir, dass es so bleibt … und besser wird.
Das wird es auch.
Das wissen wir.
Wir müssen nur weiter fest daran glauben.
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