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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Denker und Dribbler

Denker und Dribbler

Deutschland – Land der Denker und Dribbler.

Zur Hermeneutik der Fußballerrhetorik

Deutschland ist stolz auf seine Dribbler, aber auch auf seine Denker. Unsere Fußballer sind nicht nur die vielleicht größten Philosophen unserer Zeit, sondern man darf sie auch getrost als deren wahre Erben ansehen.

Diese Gemeinsamkeiten von Lenkern und Denkern zeigte sich oftmals schon äußerlich: So widerstand der junge Breitner (München, Madrid) einst ebenso wie der alte Marx (Trier, London) der Diktatur der Rasur, Netzer (Kritiker der spielerischen Fertigkeiten) und Sloterdijk („Kritik der zynischen Vernunft“) haben heute noch den gleichen Haarschnitt, und der Aktionsradius von Möller (lenkend aktiv 1985-2004) entsprach dem von Gadamer (denkend aktiv 1900-2002).

Und noch etwas haben die beiden gemeinsam: Ihre Äußerungen werden belächelt, und sie bleiben samt ihrem Anliegen oftmals unverstanden.

Dabei vereint beide Gruppen das Streben nach dem Sinn des Lebens, ganz gleich ob Existenzialist oder Stuttgart-Anhänger, Nihilist oder Frankfurt-Fan, Hegelianer („Das Wahre ist das Ganze.“) oder Rehagelianer („Jeder kann sagen, was ich will.“).

Nur hat der moderne Mensch heute weniger Zeit, über derartige Gedankenkonstrukte zu sinnieren. Er freut sich aber, wenn es andere tun – sofern es „medienadäquat“ ist. Am deutlichsten wird das, wenn man Immanuel Kant, nach wie vor Deutschlands Leitdenker, und Lothar Matthäus, den ehemaligen Leitwolf gegeneinander stellt. Denn inhaltlich trennt den Wegbereiter der Weltmeisterschaft von 1990 dabei nur wenig vom Wegbereiter der Aufklärung.

Diese bezeichnete der große Geist aus Königsberg vor über 200 Jahren als den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ So etwas sendet selbst 3sat erst nach Mitternacht.

Ach, um wie viel präziser formulierte das doch der fröhliche Fußballfranke: „Ich, was meine Person betrifft, entscheide für mich alleine.“ Aber Undank ist der Welten Lohn, und „Lodda“ erntete nur Hohn statt Lob. Und er ist nicht der Einzige, den ein solches Schicksal ereilt hat.

Dabei ist „die normative Kraft des Faktischen“ (ebenfalls Kant) wohl nie besser beschrieben worden als von deutschen Fußballern. Preetz‘ „Da war dann jeder Treffer ein Tor.“, Sammers „Das nächste Spiel ist immer das nächste.“ oder auch Brehmes „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“ sind beredte Belege für das philosophische Potenzial unserer eloquenten Elitekicker.

Und die deutschen Trainer? Sie bewegen sich sogar in noch höheren Sphären. Einsteins Theorie der Relativität von Zeit und Raum wurde erst durch Berti Vogts fürs Volk in all seinen Dimensionen verständlich: „Die Breite an der Spitze ist dichter geworden.“ Aber Szenenapplaus? Auch hier: Fehlanzeige.

Weder Pressemacher noch -konsumenten erkennen diese Verwandtschaft zwischen Vordenkern und Vorstoppern, der Hermeneutik, der Lehre der Kenntnis, und Herberger, dem Lehrer der Erkenntnis.

Es ist ein Rätsel, warum jenen Menschen, die wie kaum sonst jemand Kopfarbeit mit Hand und Fuß verrichten, so wenig Anerkennung für ihre Universal-Weisheiten zuteil wird.

Deshalb sei alle Verantwortlichen, egal ob Medienmenschen, Blogger oder auch nur Stammtisch-Helden, die zur Verunglimpfung der Spielphilosophen beitragen, angeraten, ihr Handeln zu überdenken. Ob sich an Nietzsche („Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille.“) zu orientieren oder Hrubesch („Wir müssen das Ganze jetzt in Ruhe Paroli laufen lassen.“), steht  ihnen dabei selbstverständlich völlig frei.

… hier gibt es mehr zu Kant und Ironie

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