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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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3 Comments

1899 Hoffenheim vs. VfB Stuttgart

Matschwinner!

92 schwere Minuten sorgen für zwei Wochen schwerste Arbeit

Es war wohl die leichteste, gefühlt die spätestete und mit Sicherheit die unterhaltsamste Pressekonferenz, die Markus Gisdol bislang nach einem Spiel gab. Wozu? Zu Recht!

Es war der erste Heimsieg der TSG gegen den VfB. Und allein das reicht an sich, diesem Spiel das  (wenngleich gerade in so einem vergänglichen Bereich wie „Sport“ doch etwas an sich leicht vermessenen und zudem oft überstrapazierten) Attribut „historisch“ zu verleihen, aber in diesem Falle ist es gerechtfertigt, gerade wenn man „verleihen“ nicht in Verbindung mit „Auto“, „Fahrrad“ oder „Buch“ versteht, sondern in Verbindung mit „Orden“, denn diese muss man außer bei großem Fehlvergehen nicht wieder zurückgeben, diese hat man sich dank starker, außergewöhnlicher Leistung verdient. O.K., es gibt Orden, die verliehen wurden, da kann man darüber streiten, aber nach dem Spiel gibt es keine zwei Meinungen.

Selbst die Gästefans zollten unserer Mannschaft im Rahmen ihrer soziologischen und landsmannschaftlich charakterlichen Möglichkeiten den größtmöglichen Respekt. Dass sie unseren Jungs applaudierten, hätte das natürlich getoppt, aber dies kann man von Menschen nicht erwarten, die unter dem protestantisch-pädagogischen Joch des „Nedd gschennt, is gloobt genug“ groß werden. Dafür gab es nach den 92 Minuten ein gellendes Pfeifkonzert für die eigene Mannschaft. Same same, but different …

Und von unseren, Mittwoch so vermissten Fans, die ja auch eher kritisch und nicht gerade mit wenig zufrieden sind, kamen aus dem Jubeln gar nicht mehr raus. Leert sich die RHEINECKARENA gewöhnlich so peu à peu ab der 80. Minute, war das Haus noch lange nach dem Schlusspfiff voll und laut.

Zugegeben, das waren nicht alle „Fans“, aber das ist ja das Tolle daran. Da waren gewiss sehr viele der sogenannten „neutralen“ Zuschauer, die aufgrund der Lokalkomponente mal zum Spiel gingen – und genau diese Zuschauer hat die Mannschaft nebst Spiel auch gewonnen.

Und als ob das nicht alles reichen würde, gab es noch den Faktor natürlichen Dihydrogenmonoxids, wie es wohl Chemiker nennen bzw. aus Sicht von Metereologen die häufigste Form des flüssigen Niederschlags aus Wolken: der Regen. Und der war in Summe so heftig, dass wir Traditionalisten gar nicht anders konnten, als an etwas zu denken, was rund 40 Jahre zurück und rund 100 Kilometer nördlich liegt.

Zugegeben, ganz so krass nass wie bei der legendären „Wasserschlacht von Frankfurt“ am 3. Juli 1974 war der Platz in Sinsheim und Summe nicht, aber in vielen Teilen war der Übergang vom Rasen zum Moor fast perfekt – und daran hatte unsere Mannschaft nicht wenig Anteil und das ist auch gut. Endlich, endlich, endlich mal war unsere Mannschaft trotz schwierigster und widrigster Umstände einfach geiler auf den Sieg.

Von Anfang an war erkennbar, dass sie wollten, dass sie wussten, wie auf diesem Boden zu spielen ist. Die Frage war nicht, um sich wieder einer anderen Sportart zu bedienen, Florett oder Degen, sondern die Antwort war klar: Axt.

Man braucht ein brachiales Spiel. Es geht nur über den körperlichen Einsatz, es geht um eine hohe Präsenz in Ballnähe, da der Untergrund jederzeit sehr unerwartete physikalischen Eigenschaften des Spielgeräts zur Folge haben konnte. Es war also viel Kondition und stete Konzentration gefragt – und das nach einem DFB-Pokalspiel, welches man drei Tage zuvor trotz (und auch ein bisschen wegen) hohem körperlichen Einsatz unglücklich verloren hatte.

Zudem, so war ja klar, würden wir anders spielen müssen, da Rudy im Ligaspiel zuvor seine fünfte gelbe Karte in der Saison sah und damit für dieses Spiel gegen seinen Ex-Klub gesperrt war. Eigentlich ein nicht unwichtiger Spieler in unserem System, obliegt ihm doch die Aufgabe des Spielaufbaus.

Diese Sperre kann immer mal passieren, aber in dem Falle war sie doch sehr lustig, da der Mittelstürmer der Gäste, der ja zuvor für uns spielte, ebenfalls im Spiel zuvor verwarnt wurde, sogar mit „Rot“, so dass man sich fragen konnte, ob dies der nächste Schritt ist, wie Spieler ihre Verbundenheit zu ihrem „Gegner“ zeigen. Dass sie nach einem Torerfolg im Spiel gegen ihren jeweiligen Ex-Klub nicht mehr jubeln, daran hat man sich ja schon gewöhnt, aber dass sie nicht mal mehr gegen ihn antreten, ist wahrlich neu. Natürlich nur ein Zufall, eine Petitesse, aber nicht unwitzig.

Und der Vorteil für uns war, ohne Rudy wirklich nahetreten zu wollen, dass der Ausfall des gesperrten Gästespielers für seine Mannschaft schwerer wog. Rudys Part ist wichtig, aber er kann auch von einem anderen ausgefüllt werden – und Polanski tat dies überraschend gut.

Überhaupt hat Rudys Ausfall für viele positive Veränderungen gesorgt. Polanski rückte etwas mehr nach hinten, auch Firmino rutschte in der taktischen Aufstellung etwas zurück und die Position in der Sturmmitte wurde wieder mit einem echten Stürmer besetzt. Und auf dem Boden/Acker konnte Schipplock seine ihm nachgesagte Pflugkompetenz voll einbringen.

Zudem spielte trotz anderslautender Vermutungen Volland von Anfang an, und Johnson für Strobl rechts hinten. Auch Abraham war wieder genesen und ersetzte seinen Ersatz.

Das Spiel begann und der Platz zeigte, was in ihm steckt: Wasser. Zwar rollte der Ball, aber es bedurfte doch einiges an Druck, um den erhöhten Reibungswiderstand zu kompensieren. Dieser erste optische Eindruck wurde von unserem Fahnenschwenker bestätigt, genauer: seinem Schuhwerk.

Kaum nahm er Platz, nahm unsere Mannschaft Fahrt auf und Schipplock letztlich Maß. Es war der gerechte Lohn der Anstrengungen, die die Mannschaft von Anpfiff an an den Tag legte. Mit viel Kraft trieben sie den Ball immer wieder nach vorn, wobei es zumindest aus unserer Position so aussah, als ob der Platz auf der Nord- und Westseite in einem besseren Zustand war als an der südöstlichen Ecke. Vielleicht spielten sie es aber auch einfach besser. Jedenfalls kamen sie immer wieder über links, wie auch vor dem 1:0. Dabei konnten die Gäste noch den ersten Schuss abwehren. Der Ball rolltrudelte in eine eben noch spielerfreie Zone am Torraum. Mehrere Verteidiger stürmten zur Klärung des Balles bzw. der Situation heran, aber Schipplock war einfach schneller und entschlossener und donnerte das Ding derart in die Maschen, dass man sich fragte, ob es ein Ersatznetz im Stadion gibt.

Hammer. Der Platz. Hammer. Der Schuss. Hammer. Die Führung. Hammer. Hammer. Hammer. Was hamma Spaß gehabt …

Und es ging gerade so weiter. Immer weiter in Richtung Gästetor. Es war mutig und toll anzusehen, wie die Mannschaft versuchte, bereits in der ersten Hälfte der ersten Halbzeit das Spiel zu entscheiden. Aber es gelang nicht. Zwar dominierten wir das Spiel, aber die Wucht und der Druck nach vorn ließ zwischenzeitlich und sehr verständlich nach.

Der Spielaufbau wurde weniger steil und hauruckig vollbracht, sondern wir begannen so zu spielen, wie wir es auf trockenem Geläuf zu tun pflegen: viele Quer- und Rückpässe zum Torwart. An sich ein gutes und probates Mittel, um den Gegner auch etwas mehr aus der Defensive zu locken. Aber bei dem Boden auch ein sehr riskantes Unterfangen, denn der Ball benahm sich anders. Naja, es ist ja gut gegangen, aber es sorgte während des Spiels dann doch für für ein steigendes Verlangen nach einem weiteren Treffer, der aber vor der Halbzeit nicht mehr gelang. Salihovics perfekter Distanzschuss ditschte zwar perfekt kurz vor dem Torwart auf, beschleunigte, so dass er nicht mehr an den Ball kam, dafür dieser nur ans Gestänge.

Das 2:0 gab es dann im Grunde gleich nach Wiederanpfiff des etwas seltsam anmutenden und pfeifenden Schiedsrichters, der es natürlich auch nicht einfach hatte, auf dem Boden richtig zu entscheiden, welche Einwirkung auf die Spieler auf höhere Gewalt oder die des Gegenspielers zurückzuführen ist. So gab es nicht nur keinen Elfmeter für Schipplock, sondern statt dessen die gelbe Karte für ihn wegen angeblicher Schwalbe. Als ob man auf dem Boden hätte abheben können … Aber zu dem Zeitpunkt hatten wir ja die Führung bereits ausgebaut.

Wieder begannen wir die Halbzeit druckvoll. Salihovic zeigte, dass er nicht nur Wucht, sondern auch mit Gefühl und Intelligenz gegen den Ball treten kann. Ein schöner Pass leicht über der tiefer und tiefer werdenden Grasnarbe auf Volland, der dann den Ball herrlich, locker, leicht ins lange Eck schlenzte.

Das war eine schöne Parallele zum Hinspiel, welches zwar ergebnistechnisch dramatisch anmutete, aber zur Halbzeit lagen wir bei der 2:6-Niederlage auch nur mit einem Tor (1:2) hinten, und den Gastgebern gelang mit dem ersten Angriff dann die Zwei-Tore-Führung. Jetzt war es eben andersrum.

Es war klar, dass der Gegner nun würde mehr tun müssen, um zumindest noch einen Punkt hier zu holen, aber danach sah es nicht aus, was unsereins aber eher Sorge macht, kennt man doch seine Pappenheimer und die Zahl der plötzlich verlorenen Punkte – auch nach einer 2:0-Führung.

Der Gegner tat uns diesen Gefallen, er kam etwas mehr und wir zu tollen Konterchancen. Zweimal scheiterte Volland in sehr aussichtsreicher Position am zugegebenermaßen jeweils perfekt den Winkel verkürzenden Gästekeeper.

Ob sich das nicht rächt? Nein. Vielmehr rächte sich Schipplock an seinen Kritikern, die in ihm einen Ackerer, einen sehr bulligen, kraftvollen, aber technisch wenig versierten Spieler sehen. Von wegen Pflug.

Nach einer wunderbaren Vorlage des ohnehin wunderbar spielenden Firmino, was uns in unserer Ansicht bestätigte, dass er hinter den Spitzen besser aufgehoben ist als in der Spitze selbst, weil er als Zuspieler wertvoller ist denn als Vollstrecker, wobei natürlich die Fakten gegen unsere Ansicht sprechen, denn immerhin schoss er bisher die meisten Treffer für uns und auch beide Tore im Pokalspiel erzielte er, u.a. eines per Kopf, jedenfalls passte er auf Schipplock und dieser passte auf, was Volland zuvor vor dem Gästekeeper widerfuhr.

„Werden Sie Schipplock nun Schippoliño nennen?“, wollte auf der wahrlich launigen Pressekonferenz ein Schürnalist von Gisdol wissen, was den Befragten doch sehr erheiterte. Klar, die Wortkreation ist sooo originell jetzt nicht, aber, und das ist viel wichtiger, sie war gerechtfertigt, denn was Schipplock da in der 66. Minute zeigte, zeigte, dass er mehr kann, als man ihm gemeinhin unterstellt.

Wieder stand der Torwart sehr gut vor ihm. Links, rechts, wenig Platz. Aber in der Höhe, da ging was und auch der Schuss hin. Elegant. Aus dem Lauf. Völlig überraschend. Und genau so hoch, dass der Keeper nicht mehr ran, aber der Ball selbst rechtzeitig wieder runter und über die Torlinie kam. Was für ein Tor! 3:0. Und zwei Drittel des Spiels waren bereits rum. Das wird, dessen war man sich angesichts des Spielstands und seines Verlaufs in diesem Moment sicher, der erste Heimsieg gegen den ungeliebten Nachbarn.

Aber mit der Sicherheit ist das so eine Sache. Ein Eckball genügte, um einen Hormonwechsel beim Betrachter auszulösen. Casteels, der zuvor die wenigen Bälle, die auf sein Tor kamen, alle, was ja bei dem Boden alles andere als einfach oder gar selbstverständlich ist, festhielt und absolut Ruhe ausstrahlte, kam zwar mal raus, aber zu spät und damit nicht an den Ball. Der Anschlusstreffer und noch über zehn Minuten zu spielen. Die werden sich doch jetzt nicht um die Früchte ihrer Arbeit bringen?

Nein, denn kurz nach dem Anschlusstreffer erntete ein Gästespieler seine zweite Verwarnung im Spiel. Somit hatte man noch mehr Platz für mögliche Konter und es wurde natürlich auch einfacher, den Gegner weiterhin vom eigenen Tor fernzuhalten und selbst aktiv zu bleiben, was wir taten. Wir griffen weiterhin kontrolliert an, suchten die Lücke und fanden sie oft auch, spielten das ein oder andere aber nicht wirklich konsequent zu Ende.

Dann waren die 90 Minuten um. Dann waren selbst die größten Zweifler sicher, dass es im sechsten Aufeinandertreffen der roten Schwaben im blauen Baden für die Gelbfüßler zum Siege gereichen werde.

Der Schiedsrichter pfiff. Nein, nicht Schluss. Elfmeter. Für uns. Aus einer Szene heraus, die weniger klar war als die zuvor beschriebene von Schipplock (dafür fast an derselben Stelle), aber die Entscheidung auf Elfmeter war korrekt – und Modeste wollte ihn auch schießen. Er wollte es wirklich sehr, aber Firmino ließ da nicht mit sich reden. Salihovic war kurz zuvor durch Hamad ersetzt worden, also ist er der Elfmeterschütze, auch wenn seine Quote bisher nicht beeindruckende 5:0, sondern lediglich 1:1 lautet.

Modeste ließ Firmino gewähren und er dem Keeper keine Chance – und das obwohl er den Ball doch recht mittig spielte und der Torwart wahrlich klug einfach nur stehen blieb. Denn ausgeschlossen bei dem Spielstand, der Zeit und dem Spieler, der eine wirklich klasse Partie auf diesen Platz (zustande) brachte, war ja nicht, dass er im Übermut versuchen würde, den Ball einfach nur in die Toresmitte zu schlenzen, was dann einem Rückpass gleichkäme. Aber er täuschte sich. Firmino pfiif das Ding beeindruckend unter die Latte und der Schiedsrichter ab.

Sehr zur Freude der Zuschauer – und wohl auch des Greenkeepers, der wohl der einzige sein dürfte, der sich nicht völlig über dieses Spiel und seinen Ausgang freute.

Man darf gespannt sein, ob er die Spielfläche in zwei Wochen wieder hinkriegt – und ob die Mannschaft in einer Woche wieder so begeistert (auf-)spielen wird können.

Auch wenn es gewiss nicht einfach wird, sehen wir irgendwie die Aufgabe des Spieler als die leichtere an 🙂

(Bildquelle: Uwe Grün, Kraichgaufoto)

Comments

  1. Guter und treffender und gelungener Bericht
    Sauber und ordentlich auf denPunkt gebracht
    Bitte mehr davon

  2. Günter Weiß

    Wie immer sehr unterhaltsam und literarisch wertvoll. Liest sich nach so einem Spiel natürlich auch noch leichter.

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