1899 Hoffenheim vs. VfB Stuttgart
Sagenhaft filmreif
Das Problem der TSG Hollywood
Am Anfang der Saison waren wir etwas … high. Nun … sind wir es nicht mehr. Womit bewiesen wäre, dass die Forenfans Unrecht haben. Es ist nicht 5 vor 12, es ist 12. Also sinngemäß, denn die Hälfte der Saison ist rum.
Und durch Hoffenheim weht ein sanfter Hauch von Hadleyville. Es wird alles zu Ende gehen. Die Rächer kommen und das Dorf hat Angst. Es verweigert seinem frisch vermählten Town Marshall die Unterstützung, zumal er schon sehr alt sei, und er möge doch bitte die Stadt sofort verlassen und seinen verdienten Ruhestand antreten, um einen blutigen Konflikt zu vermeiden.
Lieber Herr Hopp, seien Sie nicht überrascht, wenn Sie in rund drei Monaten in Ihrer Geburtstagspost ein Päckchen vorfinden, das an Sie „c/o Will Kane“ adressiert ist. Es ist von uns.
Als es hart auf hart kommt, bringen sich lieber alle Leute selbst in Sicherheit und je näher der Moment der Entscheidung kommt, desto mehr nimmt die Anzahl derer zu, die zu den Bösewichten halten. Am Ende halten nur ein Trinker zu ihm, ein 14-jähriger Junge (deren Hilfe er ablehnt) und seine Frau Amy, da sie davon überzeugt ist, dass nur Liebe den Kreislauf von Gewalt und Rache durchbrechen kann. Am Ende gelingt es dem Town Marshall bekanntlich – mit der Hilfe seiner Frau, die Nr. 3 erschießt, die Angreifer zu besiegen.
Nachdem auch der Hauptbösewicht tot im Staub des Städtchens liegt, wollen die, die noch geblieben sind, mit ihm den Sieg feiern. Doch er wirft seinen Marshallstern vor ihre Füße und verlässt mit seiner Frau die Stadt.
Wir wissen nicht, was er dachte, aber es dürfte sehr nahe an dem sein, was Jahrzehnte später durch Sgt. Roger Murtaugh im Film „Lethal Weapon“ zum geflügelten Wort wurde:
„Ich bin zu alt für den Scheiß!“
Aber auch der Trainer hat Unrecht, von wegen … und (spiel-)täglich grüßt das Murmeltier, worauf er sich in der Nachspiel-PK bezog.
In dem Film war es immer 6 Uhr, ab wann der immer gleiche Tag begann. Ob der Protagonist immer die gleichen Träume hatte, ist nicht bekannt und auch er benahm sich nicht immer gleich. Und dennoch änderte sich am Ablauf zwar im Einzelfall, aber im Wesentlichen nichts, womit wiederum bewiesen wäre, wie wenig Einfluss ein Einzelner, auch nicht die Hauptrolle, auf das Geschehen insgesamt hat. Er beginnt sogar, sich regelmäßig zu töten, was aber nichts daran ändert, dass es wieder 6.00 Uhr wird und die ganze Chose von vorne losgeht.
Und auch hier ist es letztlich die Liebe, die dafür sorgt, dass dieser Bann gebrochen wird. Zuerst wird der Protagonist selbst zu einem besseren, selbstloseren Menschen – und dann endlich verliebt sich eben Rita in ihn. Er als sie eines Tages, genauer: dem 3. Februar (ist ja auch bald wieder) gemeinsam aufwachen, und beschließen zu bleiben, ist der Bann gebrochen. Die Zukunft liegt eben nicht in der Großstadt (hier: Pittsburgh), sondern im Dorf (hier: Punxsutawney).
Nun ist es im Fußball nicht so, dass es der Trainer ist, der entscheidet, ob er bleibt. Aber zumindest ist er es, der seinen Lebensmittelpunkt in der Großstadt hat (hier: Hannover) und aktuell nur zum Arbeiten im Dorf weilt (hier: Hoffenheim).
Zufall, dass die genannten Ortschaften sowohl als auch mit dem identischen Buchstaben anfangen?
Ja, …
… womit wieder einmal der Unterschied zwischen Korrelation (zufälliger Zusammenhang) und Kausalität (logisch zwingender Zusammenhang) beweisen wäre.
Obwohl wir bereits auch das bereits hier ausführlichst behandelt haben, scheint sich das noch nicht zu allen, zumindest nicht bis zu den Forenfans durchgesprochen zu haben, weshalb dort immer noch nach einer singulären Ursache für den Misserfolg gesucht wird – und das ist der Trainer … NIE!
Wenn ein Trainer für etwas die singuläre Ursache ist, dann ist es nur für den Erfolg. Und das auch nicht unbedingt wegen ihres fußballerischen, sondern ihres sozialen Sachverstands. Stichwort: Menschenfänger. Beispiele: Klopp, Streich, Nagelsmann (inzwischen mit Abstrichen).
Ihnen gelingt es aber eben nicht nur, die Mannschaft zu begeistern, sondern auch die Führungsriege des Vereins, aber auch Fans und Medien. Und das ist in Hoffenheim eine Herkules-Aufgabe.
Der als Sohn von Zeus und Alkmene gebürtige Halbgott war schon immer für seine Stärke, aber auch seinen Widersinn bekannt. Von Hera mit Wahnsinn infiziert tötete er seine gesamte Familie. Nachdem er seiner Taten gewahr wurde, wollte er sie sühnen. Und das Orakel von Delphi wies ihm einen Weg:
„Entsühnung für deine schreckliche Mordtat erlangst du nur, wenn du dich zwölf Jahre in den Dienst des Eurystheus stellst und die von ihm geforderten Taten erfüllst.“
Und das ward von ihm gefordert:
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- Erlegung des Nemeischen Löwen
Er schnürte ihm die Kehle zu, bis der Löwe erstickte. Dessen Fell trug er von nun an – es machte ihn nahezu unverwundbar. - Tötung der neunköpfigen Hydra (Lernäischen Schlange)
Er brannte jeden der enthaupteten Hälse aus, sodass keine neuen Köpfe mehr nachwachsen konnten. Den Rumpf der Hydra spaltete er in zwei Teile; in ihr giftiges Blut oder ihre Galle tauchte er seine Pfeile, die seitdem unheilbare, tödliche Wunden schlugen. - Einfangen der Kerynitischen Hirschkuh
Er jagte sie ein ganzes Jahr lang, bis er sie endlich einfing – entweder mit einem Netz, das er über die schlafende Hindin warf, oder indem er ihre beiden Vorderläufe mit einem Pfeil durchschoss und sie somit fesselte. - Einfangen des Erymanthischen Ebers
Er trieb ihn aus dem Wald in ein Schneefeld hinein. Der Eber ermüdete rasch. - Ausmisten der Rinderställe des Augias
Da dies eine entehrende Arbeit war, musste Herakles hier einen besonderen Weg wählen, nämlich zwei nahegelegene Flüsse (Alpheios und Peneios) durch den Stall leiten. - Vertreibung der Stymphalischen Vögel
Er bekam von Athene zwei große metallene Klappern. Mit deren Hilfe konnte er die Vögel aufscheuchen und einzeln mit seinen vergifteten Pfeilen töten. - Einfangen des Kretischen Stiers
Herakles bändigte den Stier und brachte ihn zu Eurystheus, zeigte ihn ihm und ließ den Stier sogleich frei. - Zähmung der menschenfressenden Rosse des Diomedes
Er warf ihnen zuerst Diomedes selbst zum Fraß vor. Nachdem sie ihren Gebieter aufgefressen hatten, konnte Herakles sie gezähmt in Richtung Meer führen. - Herbeischaffung des Gürtels der Amazonenkönigin Hippolyte
Hippolyte übergab ihm den Gürtel freiwillig. Aufgrund einer Intrige durch Hera kam es schließlich doch zum Kampf, Herakles tötete Hippolyte und kehrte nach Griechenland zurück. - Raub der Rinderherde des Riesen Geryon
Geryon forderte Herakles zum Kampf heraus. Herakles tötete ihn mit einem Giftpfeil. Hera, die zur Unterstützung des Geryon gekommen war, wurde von Herakles ebenfalls verwundet und in die Flucht geschlagen. - Pflücken der goldenen Äpfel der Hesperiden
Dafür musste er bis zu den Säulen des Herakles. Durch eine List bewog er Atlas, den Vater der Hesperiden, ihm die Äpfel zu pflücken. - Heraufbringen des Wachhundes der Unterwelt, Kerberos, an die Oberwelt
Hades erlaubte Herakles, den Hund zeitweise aus der Unterwelt zu entfernen. Herakles rang ihn ohne Waffen nieder und brachte ihn zu Eurystheus.
- Erlegung des Nemeischen Löwen
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Darüber hinaus musste er gegen zahlreiche Kontrahenten bestehen, die sich ihm bei seinen Reisen zu den zwölf aufgetragenen Missionen in den Weg stellten, und die er meistern musste, um seine Reise fortsetzen zu können, u. a. musste er gegen Zentauren und Amazonen kämpfen.
Ohne jetzt krampfig eine Parallele zu jeder dieser Aufgaben hier darstellen zu wollen, überlassen wir das ganz deiner Phantasie und Kreativität, geneigte/r Leser/in – und wir sind uns sicher, du findest die für dich jeweils passenden Äquivalente – und erkennst, dass und warum dies bisher noch niemand so richtig geschafft hat.
Nota bene:
Herkules bekam für die Erledigung zwölf Jahre Zeit (= 4383 Tage) – einen Zeitraum, den als Trainer in Deutschland bisher nur Volker Finke (5843 Tage auf der Trainerbank des SC Freiburg), Otto Rehhagel (5202 – Werder Bremen), Thomas Schaaf (5119 – Werder Bremen) und Hans Meyer (4497 – Carl Zeiss Jena) gewährt bekamen. Christian Streich sitzt „erst“ seit Januar 2012 auf der Trainerbank des SC Freiburg.
Die übliche Zeitspanne im Fußball ist heute „von Spiel zu Spiel“ – und das ist bei einer Englischen Woche natürlich besonders wenig.
Gerade einmal drei Tage lagen zwischen der Niederlage an der Alten Försterei und dem Spiel gegen die Schwaben …
… – und da waren jetzt kein Blockbuster à la „Avatar“ zu erwarten, zumal dieses Werk ja auch nichts strukturell Eigenständiges hat.
Im Grunde erzählt der auch nur dieselbe Geschichte wie „Der mit dem Wolf tanzt“ oder „Pocahontas“, aber genau das ist auch das Problem, die die TSG Hoffenheim zur TSG Hollywood macht: die Zurschaustellung von Innovation insbesondere im Bereich der Digitalisierung steht über dem Wesentlichen, der originären Kreativität. Solange aber Ersteres funktioniert, sind die Zuschauer begeistert. Wenn nicht, nicht – und genau das ist jetzt halt der Fall.
Vielleicht wäre es daher gar nicht mal so verkehrt, den Baumgartners, Dabburs, Stillers (und auch Geigers) dieser Welt ihre Spielkonsolen wegzunehmen. Zu oft scheinen sie zu sehr ihren Avataren in diesen Spielen auf dem Platz nacheifern zu wollen, doch da scheitern sie immer wieder zum Leidwesen der Zuschauer an ihrer Technik.
Besann man sich in der ersten Halbzeit im ersten Spiel nach der Winterpause auf ein einfaches, schnelles Lauf- und Passspiel – und begeisterte damit –, war davon gestern fast gar nichts zu sehen. Spätestens nachdem durch eben ein solches einfaches und kreatives Passspiel die 1:0-Führung erzielt worden war, wurde versucht, Konsolenfußball zu spielen. Das aber kann nur dann funktionieren, wenn alle Mitspieler mitmachen – und der Gegner.
Der aber war seinerseits technisch alles andere als ausgereift, so dass sich ein Spiel ohne Fluss entwickelte. Nicht mal ein Bach, bestenfalls ein Rinnsal war in den Abläufen zu entdecken.
Das lag auch daran, dass fast zu keinem Zeitpunkt 22 Spieler auf dem Platz standen. Immer wieder lag wer auf dem Boden und wollte oder musste behandelt werden. Jeweils eine verletzungsbedingte Auswechslung gab es bereits in der ersten Halbzeit – und das in einem überraschend körperlosen Spiel.
Bei uns musste Skov, der bereits im letzten Spiel angeschlagen vom Platz musste, gehen und durch Akpoguma, der bereits im letzten Spiel angeschlagen vom Platz musste, ersetzt werden.
Diese zahlreichen Unterbrechungen hatten eine üppige Nachspielzeit zur Folge, in der wir durch technische und kämpferische Unzulänglichkeiten einzelner Kicker, den Ausgleich kassierten.
Zur zweiten Halbzeit ersetzte Dabbur Vogt, der bereits vor dem letzten Spiel derart angeschlagen war, dass er nicht spielen konnte, wodurch eben aus der Not der Abwehrverbund wieder komplett, jetzt auf Viererkette, umgestellt werden musste – und so nahm das Spiel den befürchteten Verlauf: „Not gegen Elend.“
Vielleicht wäre es besser und gar nicht mal so schlimm gewesen, wenn man an der Aufstellung hätte eine Einstellung erkennen können, die diese Umstellung akzeptabler gemacht hätte. Aber bereits die Startelf versprach nicht „Ton gegen Lende.“
Ja, es gab Verletzte und Gesperrte (Kabak), aber auch Wilde und gewiss Willige (Bischof), die dem Spiel gerade zu Anfang (wie in Berlin) gewiss gutgetan hätten. So gab es im Vergleich zur letzten Partie vier Veränderungen in der Startelf: Kaderabek, Vogt, Rudy – und – Gott sei Dank – Kramaric.
Nicht nur erzielte er die 1:0-Führung, er sicherte uns mit seinem Kunstschuss in der Nachspielzeit zum 2:2 den einen, kleinen Punkt, der den Gegner in der Tabelle weiter drei große Punkte hinter uns hält.
Dazwischen waren die Schwaben in Führung gegangen, nachdem wir erneut sinnlos und aus einem Mangel an Körperlichkeit, eben etwas – und das ist etwas sehr Entscheidendes –, was es im Konsolenfußball nicht gibt, den Ball verloren. Zu unserem Glück schwächten sich die Gäste selbst dadurch, dass ein kurz zuvor wegen Meckerns verwarnter Spieler im Überschwang ob des Führungstreffers jubelnd auf den Zaun kletterte und folgerichtig mit Gelb-Rot vom Platz musste.
Dieses Doppel-„Hallowach“ sorgte für einen Energieschub in unserer Mannschaft und vielleicht auch zur Erkenntnis auf der Bank, dass man doch Bischof von selbiger holen und einwechseln solle. Stiller bot sich dafür schon seit längerem an, doch unverständlicherweise wurde er durch Damar ersetzt, dem ja jedes Momentum in dem Konstrukt fehlte.
Kaum war Bischof dann auf dem Platz, kam etwas mehr Leben in unsere Reihen … und in der Nachspielzeit dann der Ball zu Kramaric und der Rest war Dusel. Aber sehr schön anzusehen …
Im Gegensatz zum Blick auf die Tabelle. Dreizehnter. Und mit einigem Abstand auf den avisierten Platz 6. Und dieses Spiel muss man leider in die Spiele gegen Wolfsburg und Bremen einordnen, wo wir absolut grundlos Punkte ließen. Wir könnten gut und gerne 7 mehr haben, dann lägen wir auf Platz 6. Das sähe dann zwar deutlich besser aus, verkennt aber, dass wir diesen Platz nur bei optimaler Punkteausbeute hätten.
So aber haben wir jetzt seit sieben Spielen nicht gewonnen. Das hat was von Hoeneß und die Rückrunde wieder was von Herkules.
Aber genau das ist der Vorteil, den Breitenreiter jetzt hat:
Der tabellarische Niedergang der TSG in der letzten Saison war an deren Ende. In der Saison erst zum Ende der HINrunde. Also nix Murmeltier. Oder doch? Schließlich kam die Wende in dem Film durch Selbsterkenntnis, Demut, Rückbesinnung auf klassische Werte (Der Protagonist lernt Klavierspielen und Handwerk.), Verbesserung seiner inneren Einstellung (Entwicklung seiner Empathie) und Zuwendung, sprich, zu guter Letzt, (siehe oben): Liebe.
In diesem Sinne hoffen wir am Samstag auf eine Antwort der Mannschaft ganz im Sinne von Sonny & Cher. (s. Video)
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