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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. 1. FC Union Berlin

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Euro…

Kognition und Tradition

Eu! Eu! Eu!

So betitelten wir den letzten Spielbericht – und natürlich müssen wir nach dem Kick einen Schritt weitergehen, schließlich ist die Mannschaft den auch gegangen und auf dem besten Wege zur Traditionsmannschaft zu werden.

Ja, ja, ja – Der TSG Hoffenheim wirft man ja gerne mangelnde Tradition vor. Ist aber Quatsch, denn sie ist schon länger in der Bundesliga, als es den Wettbewerb gibt, für den sie sich jetzt erstmal qualifizieren kann – wenn man genau ist: die UEFA Europa League.

Sie erhielt ihren Namen nach der Saison 2008/09, das heißt: Wir hätten uns als Neuling direkt für diesen (namentlich) neuen Wettbewerb qualifiziert, wäre es auch damals so gewesen, dass man sich mit Platz 7 zumindest für die Qualifikationsrunde dieses Wettbewerbs qualifiziert hätte, schließlich war das unsere Schlussplatzierung. Damals, als sich nur fünf Mannschaften für einen europäischen Fußballwettbewerb qualifizierten.

Vor uns lag am Ende noch Borussia Dortmund, die ihre Teilnahme daran am letzten Spieltag vergeigten und dem Hamburger SV den Vortritt lassen musste, der sich zusammen mit Hertha BSC für diesen Wettbewerb qualifizierte. Auf Platz 3 lag damals der VfB Stuttgart, nur drei Punkte hinter dem FC Bayern München. Noch zwei Punkte besser war die Mannschaft gegen die wir uns nächste Woche ein Fernduell geben: der VfL Wolfsburg.

55 Punkte erreichten wir damals.

62 Punkte erzielten wir 2016/17, der Saison, in der wir dann erstmals in diesem Wettbewerb antraten, aber eben nicht, weil wir uns dafür direkt qualifizierten, sondern in der Qualifikation für die UEFA Champions League in Hinspiel und Rückspiel gegen den FC Liverpool gescheitert sind.

Die erreichten wir ja dann ein Jahr drauf, nachdem wir die Saison mit 55 Punkten auf Platz 3 beendeten. Da reichte es aber nach der Gruppenphase nicht mal zum „Trostpreis“ Europa League, da wir auf dem letzten Platz unserer Gruppe landeten.

Letztes Jahr taten wir es den Dortmundern von 2009 gleich und vergeigten am letzten Spieltag durch eine 2:4-Niederlage nach einer 2:0-Führung gegen den 1. FSV Mainz 05 die Teilnahme zur Qualifikation an diesem Wettbewerb und landeten mit 51 Punkten auf Platz 9.

Cut.

Nagelsmann, Demirbay, Amiri, Schulz, Joelinton verließen uns schon vor der Saison, Grifo vor dem Ligastart, Vogt und Bittencourt dann am Ende der Hinserie, die wir mit 27 Punkten auf Platz 7 beendeten – ein Punkt hinter dem neuen Arbeitgeber von Amiri und Demirbay, 3 hinter Schalke und Dortmund, 6 hinter Bayern München, 9 hinter Borussia Mönchengladbach und satte 10 hinter dem neuen Arbeitgeber von Nagelsmann.

Cut.

Spieltag 33: Der Abstand zwischen uns, Platz 7, und Platz 1 beträgt nun unfassbare 30 Punkte, um 1000% (also auf 11 Punkte) wuchs der Abstand zum neuen Arbeitgeber von Amiri und Demirbay, die sich am letzten Spieltag noch für die UEFA Champions League qualifizieren können, während der Abstand zu Nagelsmanns neuem Team in der mehr als bescheiden verlaufenen Rückrunde aus unserer Sicht nur um 4 Punkte zunahm – und es wäre bekanntlich nur einer gewesen, wäre das Spiel 1 nach Schreuder nicht so unglücklich losgegangen.

Fazit:

Trotz all der Abgänge, all der Klatschen – gerade bei den Heimspielen (0:3 gegen Freiburg, Mönchengladbach und Hertha, 2:4 gegen Augsburg, 1:5 gegen Mainz sowie dem 0:6 gegen Bayern München (in kaum mehr als 70 Minuten)) – trotz Trainerwechsels am 30. Spieltag inmitten der Geisterspiele und last but not least aller Unkenrufe zum Trotz haben wir uns zum dritten Mal in den letzten vier Spielzeiten für die Teilnahme (zumindest für die Qualifikation zur Teilnahme) an einem europäischen Fußball-Wettbewerb qualifiziert ….
… – und dass uns dies letzte Saison nicht gelang – trotz eines  zumindest nominell wesentlich besseren Kaders, lag nur an uns selbst (s.o.). Also wenn das nicht „Tradition“ schreit?

Jetzt ist es uns also gelungen, was ja wirklich niemand für möglich hielt (und, ganz ehrlich, auch kaum wer für verdient gehalten hätte, hätten wir, was ja nicht ausgeschlossen ist, dieselbe Punkteausbeute mit Schreuder geholt).

Fußball ist eben nicht nur ein Ergebnis-, sondern auch ein Erlebnissport – und so wenig, wie man es wirklich, wirklich schlimm fand, dass die Partien gegen Hertha und Köln Geisterspiele waren, so sehr bedauerte man es gegen Leipzig und vor allem bei diesem Spiel, denn nicht nur war es das letzte Heimspiel der Saison, es war auch der höchste Saisonsieg und es war endlich die aus Fansicht perfekte Kombination von Erlebnis und Ergebnis. Und die Qualiquali fühlt sich jetzt sehr gerecht an …

Nach rund fünf Minuten hätte es schon 2:0 stehen für uns stehen können, weil wir direkt und schnörkellos Fußball spielten mit klarem Zug zum Tor – auch wenn man dem Gegner ansah, dass ihm neben dem Unterderwochespiel auch so mancher Zug aus einer Klaren-/Bierflasche aufgrund der Sicherung des Klassenerhalts der Eisernen in den Knochen steckte – und wir alle kennen Diferrotrioxid aus dem Chemieunterricht, also die Kombination aus Eisen und Wasser: Rost.

Bei uns hingegen lief alles und das auch ziemlich rund. Und das beste Beispiel für die körperliche und geistige Frische unseres Teams ist die Vergegenwärtigung des 1:0.

Ja, da war der grandiose Steilpass von Kramaric auf Skov.

Ja, da war der fast perfekte Querpass von Skov in die Strafraummitte, wo Bebou freistand, der dann aber innerhalb von kaum mehr als einer einzigen Sekunde demonstrierte, warum es uns Menschen nicht die Bohne angst und bange sein muss vor „Künstlicher Intelligenz“.

Was Bebous Gehirn in dieser kurzen Zeit geleistet hat, bedürfte wohl Monate der Programmierung:

  • Da kam der Ball nicht perfekt vor ihn, sondern landete knapp hinter seinem Standbein.
  • Er zieht das Bein mit genau der Kraft nach hinten, die es braucht um an den Ball zu kommen und ihn nicht völlig verspringen zu lassen.
  • Nun liegt der Ball perfekt einschussbereit vor ihm, aber sein Hirn berechnet das Zeitintervall für den mechanischen Ablauf, den Ball mit der nötigen Präzision und Härte mit seinem Fuß zu treffen, also Schwingen des Beines nach hinten zur Schwungaufnahme und direkt anschließend Muskelkontraktion, Fußstellung, während das Bein nach vorne schwingt.
  • Parallel dazu nimmt er aber im linken Auge wahr, dass der Torwart sich in seine Richtung in einer Geschwindigkeit bewegt, die mit der von ihm berechneten Zeit für den mechanischen Ablauf des Schusses korreliert.
  • Dazu berechnet er die potenzielle Größe der Fläche, die der Torwart würde einnehmen können, so dass er im Schwung den Versuch abbricht, sich den Ball nur vorlegt, …
  • …, um genau in dem Zeitpunkt die Kontrolle über das Spielgerät zu haben, wo der Torwart aufgrund seiner in Bewegung befindlichen Masse an ihm vorbeihuschen wird.
  • Auch dass er so viel Schwung hat, dass er nicht würde stoppen können, ward wohl miteinkalkuliert.
  • Und gerade als der Torwart vorbeirauschte, schob er dann den Ball über die Linie …
  • … noch bevor der mechanische Ablauf eines weiteren Verteidigers der Unionisten optimal hätte ausgeführt werden können.

Ja, das sah lustig aus, war aber diesmal im Gegensatz zu seinem Tor am Mittwoch gegen Augsburg definitiv eine physische und kognitive Meisterleistung.

Aber auch die weiteren Treffer der TSG waren Meisterwerke mentaler Stärke und Musterbeispiele der Gesamtheit aller Prozesse, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen ( = Kognition):

  • Dass es genau so schön, aber viel schneller mit dem Kopf gehen kann, zeigte das 2:0 durch Kramaric, der ja einfach bei einer Ecke einen Schritt weg vom Tor ging, just an die Stelle, an die der Ball abgefälscht wurde, so dass er „nur“ noch seinen Fuß in Kontakt mit dem Spielgerät bringen musste, um es einzunetzen. Dies gelang ihm diesmal aufs Vorzüglichste – und wir alle kennen Beispiele – von einzelnen Spielern unserer Mannschaft im Allgemeinen sowie von ihm im Besonderen –, wo genau das in wesentlich einfacher anmutenden Situationen nicht klappte.
  • Auch das 3:0 durch Dabbur muss bei dem Tempo erst einmal machen. Natürlich hatte er Glück, dass der Schiedsrichter fast eine Minute länger nachspielen ließ, als er angab, nachspielen lassen zu wollen. Dann hatte der Torwart auch seine Beine zu weit auseinander, aber trotzdem muss man den bei dem Tempo und dem Winkel erst einmal machen – und er machte ihn.

Das zweite Mal in der Saison, dass es mit 3:0 für uns in die Pause ging. Das erste Mal war das beim Heimspiel gegen den SC Paderborn, wo wir schon nach rund 20 Minuten drei Treffer erzielten und danach das Spielen einstellten, was zu Unmutbekundungen der Fans führte. Bei dem Spiel wäre das definitiv anders gewesen.

Der Reporter der Sportschau meinte zu dem Tor, dass man so einen Treffer ja sonst nur an der Konsole mache, dieser Umstand aber zu Dabbur passe, da er in der Zwangspause beim eSoccer-Turnier „Homecup“ mehrere FIFA-20-Profis geschlagen habe.

Dieses Faible für diese Form des Fußballs ist vielen Spielern der TSG deutlich anzumerken – und vielleicht auch das größte Problem. Bereits in den letzten Partien wurden sehr viele Bälle durch zu viele virtuos gedachte Passformen verloren. Ja, wenn sie geklappt hätten, wären sie beeindruckend gewesen, aber da sie nicht klappten, waren sie vor allem ärgerlich.

Gut, beim gestrigen Spiel fielen diese Ballverluste nicht wirklich ins Gewicht, denn der Gegner hatte sein Saisonziel ja bereits unter der Woche erreicht, so dass hier keine totale Gegenwehr in der zweiten Halbzeit zu erwarten war.

  • Die kam auch nicht, dafür wir noch zu Tor 4, dem vielleicht schönsten Treffer, allein des Bogenpasses Hübners wegen, den Baumgartner auch ganz hervorragend verarbeitete und dann zum Endstand versenkte.

In Abwandlung des bekannten Spruchs von Laotse:

千里之行,始於足下。(*)

endet auch dieser Marsch mit dem letzten Schritt. Jetzt haben wir den vorletzten getan und sind nicht gestolpert, sind sicher im Zielbereich, aber halt noch nicht ganz da.

Dazu müssen wir noch eine Hürde nehmen und darauf hoffen, dass der Deutsche Rekordmeister uns auch in diesem Spiel die nötige Schützenhilfe gibt.

Einen Punkt brauchen wir aufgrund der vielen Klatschen und der daraus resultierenden um zehn Tore schlechteren Tordifferenz gegenüber dem VfL Wolfsburg mindestens in Dortmund. Und auch wenn sie bereits ihr Saisonziel erreicht haben, dürften sie gegen uns hochmotiviert zu Werke gehen, so dass es alles andere als sicher ist, dass wir an dem Wettbewerb letztlich sicher teilnehmen, aber immerhin haben wir uns für die Quali qualifiziert und damit Einnahmen von rund einer Viertelmillion Euro sicher, denn die gibt es für die Teilnahme an der 2. Qualifikationsrunde, in der wir einsteigen müssten, landeten wir auf Platz 7. Dieselbe Summe nochmal, wenn wir eine Runde weiterkommen. Die Teilnahme an der Gruppenphase spült das Zehnfache in die Kassen.

Ist es vielleicht das viele Geld, warum man diesen Wettbewerb in Deutschland mit „Euro League“ nicht nur in puncto Nomenklatur so gerne falsch wiedergibt, denn erstens heißt er „Europa League“, was ja auch viel passender ist, schließlich nehmen an dem Wettbewerb viel mehr Mannschaften aus viel mehr Verbänden Europas teil (plus Israel), zweitens sind das wesentlich geringere Summen als die, die es für die Teilnahme an der UEFA Champions League gibt. Dort gab es für das Erreichen der Gruppenphase 2016/17 statt der 2,5 Mio. € satte 12,7 Mio. € pro Verein – plus Punkteprämie.

Aber lieber den Spatz in der Hand als Taube auf dem Dach und Blinde in der Vereinsführung. 🙂

Man muss nicht alles gut finden, was sich die Verantwortlichen der TSG seit dem Beginn der Saison haben einfallen lassen, aber man muss zugeben, dass es sich nicht negativ ausgewirkt hat.

Ja, die Attraktivität unseres Spiels ließ oft zu wünschen übrig, aber die Ergebnisse stimmten. Jetzt stimmt auch wieder das Erlebnis und alles ist perfekt vorbereitet für den letzten Spieltag gegen den zu diesem Anlass perfekten Gegner, schließlich ist das nicht das erste Mal, dass es am 34. Spieltag gegen Borussia Dortmund geht – und es dann auch immer um sehr, sehr viel ging.

Bisher ging es jedes Mal gut aus. Kann von uns aus gerne so weiter gehen. Auch aus Gründen der Tradition …


(*) sprich: Qiān lǐ zhī xíng, shǐ yú zúxià.
Übersetzung: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß.“
Bekannt als „Auch der längste Marsch / die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“

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