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1. FC Union Berlin vs. 1899 Hoffenheim

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Die Schönheit der Langeweile

Der etwas andere Sandstrandurlaub an der Alten Försterei

Sind wir ehrlich, und das versuchen wir, ehrlich zu sein, sind wir selten ehrlich. Zu uns selbst. Wir alle. So benutzen wir Begriffe mit dem Inbrunst der Überzeugung, ohne zu wissen, was sie wirklich bedeuten, aber voller Sicherheit, sie ehrlich zu empfinden. Oftmals fehlen uns dazu schlicht die Worte.

Nehmen wir die Liebe, zum Beispiel. Welch ein enormes Gefühl, welch ein armseliges Wort.

Lediglich fünf Buchstaben und schon klanglich wird es dem Gefühl in keinster Weise gerecht, ähnelt doch sein Hauptton dem der völligen Abscheu: „Iiiih.“ und es endet auch so: „Bäh!“

Die alten Griechen hatten dafür mindestens drei: Eros (für das sexuelle Begehren), Agape (für die von Wohlwollen geprägte Zuneigung) sowie Philia (die die freundschaftliche Beziehung zu jemandem oder etwas beschreibt).

Ein weiteres Beispiel ist die Torheit. Sie beschreibt die negative (fehlerhafte) Seite der Einfalt. Nun ist der Begriff nicht mehr üblich. Meist bezeichnen wir heutzutage das Gegenteil von Weisheit bzw. Klugheit als Dummheit. Doch was genau ist „dumm“? Die berühmteste Definition stammt wohl aus dem Hollywood-Film „Forrest Gump“:

„Dumm ist, wer Dummes tut.“

Ein klassischer Zirkelschluss, d.h. eine formallogisch korrekte Aussage, die aber inhaltlich und beweistechnisch keinerlei Wert besitzt, da sie das zu Beweisende durch sich selbst beweist. Ein Zirkelschluss ist zwar meist formallogisch korrekt, aber inhaltlich und beweistechnisch ohne Wert.

„Wer die Macht besitzt, kann auf Argumentation verzichten, denn er braucht sie nicht.“

Warum? Weil er die Macht besitzt. Zirkelschluss.

Legten wir nun dennoch den Umkehrschluss zugrunde, war die TSG in dieser Partie nicht nur extrem effizient – wie bereits in der letzten Partie -, sondern darüber hinaus klug, weil sie viel, sehr viel Kluges tat. In aller erster Linie war das: nix. Darüber hinaus half uns, dass wir das mit den Toren modern angehen.

Früher, als man auch noch Torheit sagte, war ein Tor wer, der Unerreichbarem nachjagt oder zur Erreichung vernünftiger Absichten ungeeignete (unpraktische) Mittel wählt. Dieses Treiben ward eine Torheit.

Nach den ersten Partien in dieser Saison ist das bei uns eine Auszeichnung, die wir unserem Youngster mit der Rückennummer 14 zu gerne zuteil werden lassen möchten: unsere Torheit, seine Majestät Maximillian I.

Der dritte Begriff in der Reihe derer, die wir benutzen, ohne sie zu wissen, was sie wirklich bedeuten, ist neben Liebe und Tor-, besser: Dummheit ist der der Langeweile.

Sie wird meist als negativ empfunden, wobei sie das gar nicht mal immer sein muss. Es hängt also davon ab, welche Form der Langweile man meint, denn ähnlich wie mit der Liebe gibt es auch bei der Langeweile verschiedene Facetten.

So gibt es die situative Langeweile oder Gelegenheitslangeweile, wenn wir gegen unseren Willen warten müssen oder wenn wir im Bett liegen müssen aus Krankheitsgründen und dergleichen.
Dann die überdrüssige Langeweile, die vor allem repetitive Aktionen beschreibt, die weder den Körper noch den Geist vor Herausforderungen stellen.
Daraus ergibt sich oft dann auch die dritte Form der Langeweile, die existenzielle Langeweile. Hier langweilt einen nicht etwas, sondern selbstbezogen langweilt man sich selbst.

Von Martin Heidegger stammt die Unterscheidung in situative Langeweile („Gelangweilt sein von etwas“), paradoxe Langeweile, da man sich in einem Zustand des unruhigen Stillstands befinde („sich langweilen bei etwas“), und unpersönlicher Langeweile („es ist einem langweilig“)

Darauf basiert auch die Definition von Langeweile, wie man sie in einem Wörterbuch findet:

„ … das unwohle, unangenehme Gefühl, das durch erzwungenes Nichtstun hervorgerufen wird oder bei einer als monoton oder unterfordernd empfundenen Tätigkeit aufkommen kann.“

Es gibt aber nicht nur negative Langeweilen, sondern eine auch eine positive Form: die schöpferische Langeweile. Sie ist verbunden mit einer gesteigerten Empfänglichkeit einer Bereitschaft des Aufbruchs.

Diese treffe nach Friedrich Nietzsche vor allem auf Künstler zu, weil sie ihrem so genannten Genius nicht ausweichen, das heißt, sich gewissermaßen trauen, das Schicksal zu bejahen und ihre Individualität radikal zu leben.

Dementsprechend steht es zu vermuten, dass dieser Typus auch mit Langeweile anders umgeht – und auch, zumindest für uns, dass dies durchaus auch auf die Ballkünstler der TSG zutrifft, zumindest in dieser Partie.

Friedrich Nietzsche meinte, die Langeweile gehe dem kreativen Schaffen voran. Und besser kann man die ersten zwanzig Minuten der Begegnung an der Alten Försterei nicht bezeichnen. Es passierte nichts – und das war nicht nur gut so, denn das war gewollt. Unser Trainer sprach in dem Zusammenhang von „konzentrierter Spielweise“. Wir empfanden es als „sehr gepflegte Langeweile“.

Das war alles sehr schön anzuschauen. Man saß zwar vor dem Sofa, aber irgendwie auch am Sandstrand von Irgendwo, wo mit leichtem Säuseln das Meerwasser an Land versickerte, während der warme Westwind die Haut streichelte, und der Ozean in schöner Regelmäßigkeit und sanftem Rauschen sein Ende in und am Landsand fand. Ist das langweilig? Ja. Und will man wirklich, dass was anderes passiert? Nein. Naja, vielleicht mal einen etwas stärkeren Hub, aber ansonsten …

Diesen (Sc)Hub gab es in Form einer Welle der Begeisterung, nachdem Kramaric den Elfmeter verwandelte, der ihm zuvor gewährt wurde.

Eine Viertelstunde später war es wieder ein langer Ball, der diesmal aber nicht direkt in die Spitze, sondern von Skov von ganz links auf Prömel ganz rechts geschlagen wurde und von diesem dann nach innen gelegt, wo eben noch nichts zu sehen, aber dann plötzlich seine neue Torheit Maximillian Beier an- und auftrat, um den Ball nur um so viel zu berühren, dass er seinen Weg ins Netz fand.

Drei Minuten später konnte seine neue Torheit nur erneut durch ein Foul gestoppt werden, was aber dann doch nicht zu einem weiteren Elfmeter führte. So glätteten sich die Wogen und Spiel plätscherte so dahin.

Es war absolut nichts mehr los. Herrlich. Bis …

Ja, bis sich nach einer Stunde Skov und Vogt missverstanden, aber der Unioner das völlig leere Tor nicht traf. Da kam auf einmal so etwas wie ein Sturm, genauer: Stürmchen auf. Ja, da war viel Unruhe und Unordnung, ganz so, als wenn im Strandurlaub auf einmal die Handtücher, Schwimmflügel und -ringe, Wasserbälle etc. von einer Böe erwischt werden. Erst erschrickt man sich, sieht aber dann, das dies doch nur ein laues Lüftchenward, man das alsbald wieder alles ohne größere Anstrengung wieder einholen und sichern kann, so dass nichts verloren geht, und man ganz entspannt den Abend ausklingen lassen kann.

Erst an der Hotelbar wird einem dann gewahr, was da war: Es wird immer besser.

4. Sieg in Folge,
3. Auswärtssieg in Folge,
in den letzten vier Spielen erst ein 0:2 gedreht,
dann ein 0:1 gedreht,
dann in Führung gegangen und mit 3:1 gewonnen und
nun der erste Zu-Null-Sieg.

Ja, es mag Menschen geben, die Langeweile nicht zu goûtieren verstehen. Wir zählen uns jedoch nicht zu den Hektikern. Wir benötigen kein Spektakel. Wir brauchen keine Show, um ihrer Selbst willen. Wir brauchen Ruhe, Schönheit … und Punkte, am besten drei pro Spiel. Ganz langweilig …

Wir lieben die positive Routine, die sich mehr und mehr im Verein breit macht. Und wenn wir dabei dann auch noch gewinnen, finden wir das alles andere als langweilig, sondern einfach sehr schön, einfach herrlich.

Ganz ehrlich.

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