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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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VfL Bochum vs. 1899 Hoffenheim

academici omnibus

Der Reisebericht einer schwungvollen Auswärtsfahrt der Akademiker,
die sich plötzlich in einem Swinger-Club wähnten.

9.00 Uhr – Waibstadt

Ein in vielerlei Hinsicht geschichtsträchtiges Ereignis nimmt ganz cool seinen Anfang. 7 °C zeigt das Thermometer, als die Tour des einzigen selbstorganisierten Busses eines Fanclubs an diesem Spieltag beginnt. Die Fünferkette steigt ein. Die Akademiker kommen langsam in Schwung …

Wegweisend …

an: 9.22 Uhr – Heidelberg
ab: 9.28 Uhr

… und sind ihrer geplanten Zeit voraus. Noch überraschender: überpünktlich. Die Doppelsechs hat sich zentral platziert und macht unmissverständliche Ansagen, so dass auch dem Letzten klar ist, wohin die Reise geht. „Los jetzt! Auf nach Bochum!“ Das Ziel ist natürlich das Ziel. Und was zählt, ist das Ergebnis. Deshalb lässt sich das alles sehr gut an. Es geht konsequent in eine Richtung – und das auch mit Raffinesse: Tempowechsel und Doppelpass …

an: 9.44 Uhr – Weinheim
ab: 10.02 Uhr

Runter von der A5 – ZACK ­ ins Industriegebiet – halten, kontrollieren, sammeln, Positionen einnehmen und – ZACK – das richtige Initium im richtigen Moment – wieder zurück auf die A5.

Und jetzt? Vollgas. Die erste selbstorganisierte Auswärtsfahrt des Akademikerfanclubs 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V. nimmt jetzt richtig richtig Fahrt auf …

Mit locker über 1.500 IQ …

… brettern wir über die Autobahn gen Norden. Ein wahrer Expert(inn)en-Express, mit denen man auch nach Berlin hätte fahren können, vereinte das Team doch mit seinen (zum Teil auch Nachwuchs-)Expert/inn/en aus der IT-Branche, der Finanzbranche, der Pharmabranche, der Logistikbranche, der Technikbranche, der Kommunikationsbranche, der Bildungsbranche, Geologie, Musik, Verwaltung und aus dem Recht alles, was es braucht, um ein Land zu regieren: die perfekte Balance und Konzentration auf und von Kunst, Kultur und Kapital.

Aber darum ging es nicht. Und es ging auch nicht darum, die Kurve zu dominieren, obgleich dies unter rein quantitativen Gesichtspunkten unsere Aufgabe gewesen wäre, stellten wir …

… doch mit über 5% den größten Anteil der offiziell Organisierten der mitgereisten Hundertschaften TSG-Fans.

Und bei aller Freude über unsere Kompetenz in puncto Kunst, Kultur und Kapital, heute ging es ums Kicken und hier kam man schnell überein, dass man das individuelle Expertentum zu dessen reputativen Erhalt besser postludisch präsentiert – genauer gesagt: nach dem Spiel – getreu den Motti: „si tacuisses philosophus mansisses“ sowie „Hinterher ist man immer schlauer.“

Wenn man also den Zeitpunkt des intellektuellen Zugewinns so genau determinieren kann, ist es auch Ausdruck einer kognitiven Kompetenz, dieses theoretische Wissen in die Praxis zu überführen.

Einigen konnte man sich immerhin vor der (Fahrt-)Pause auf eine Spielausgangsprognose: Wir würden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Bochum punkten – und das nicht unwahrscheinlicherweise gleich dreifach. Nach intensiven Diskussionen einigten wir uns auf ein Endergebnis von 0,8:2,1.

Siegen – mit dem Drachenlord?

Nachdem dies feststand, konnte wir uns allem im wahrsten Sinne des Wortes Über-Flüssigen entledigen. Hierfür konnte es natürlich und ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes: nämlich eine Raststätte geben: Siegerland.

Dies dachten sich wohl auch die anderen TSG-Fans, die dort mit dem vereinsorganisierten Bus ebenfalls rasteten. Wir hingegen rasteten fast aus, fanden wir dort doch einen Mann in einer Schlange vor, dessen Schicksal durchaus Parallelen aufweist mit unserem Förderer und Gönner.

Auch er wird seit Jahren bereits von einem sinnentleerten Mob drangsaliert – mit Häme und Beleidigungen überhäuft. Dessen Ziel war natürlich, dass er die Nerven verliert – und so menschlich verständlich wie juristisch leider tat der Drachenlord dem Pack den Gefallen, wofür er nun zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde. Doch die Staatsanwaltschaft ging in Revision, da ihr das Urteil zu milde war. Die Reaktionen in den Medien waren extrem unterschiedlich und lassen einen deutlichen Rückschluss auf die Empathiefähigkeit dieser teilweise Schürnalist/inn/en zu. Ganz unabhängig, was man von dem Mann persönlich hält und/oder von dem, was er tut, muss man selbst als jemand, der dem allem sehr oppositionell gegenübersteht, zu dem Schluss kommen, dass diese Leute weit, weit früher hätten Schluss machen müssen mit ihrem unflätigen und im Grunde menschenverachtenden Treiben. Doch wenn sie das nicht können, müsste  zumindest die Justiz in der Lage sein, dieser völligen Enthemmung einer Gruppe gegenüber einer Person Einhalt zu gebieten – oder ihr zumindest das Recht auf Notwehr einzuräumen. Aber dem war nicht so. Stattdessen: 2 Jahre Gefängnis. Und das war der Staatsgewalt zu wenig. Und so wird das, was im Netz als „Drachengame“ verharmlost wird, weitergehen. Aber das ist kein Spiel. Das ist ein Mensch.

„Mensch, Mensch, Mensch!“, dachte sich in Anbetracht der Faktenlage nicht nur so mancher TSG-Fan, sondern auch der Irgendwiekollege unseres CCEO Sascha Lobo. Beide sind regelmäßig auf SPIEGEL Online zu lesen, wobei Lobos Analysen – wie auch „Im Fall ‚Drachenlord’“ – mehr Reichweite und Wahrheitsgehalt haben als die Prognosen unseres Repräsentanten auf selbigem Portal, wo er sich als Bundesliga-Experte verdingt – und nicht selten vertut. Für diese Partie mutmaßte er, dass

„wir diesmal erstmals in der Saison positiv in die Länderspielpause gehen. Erst ein Auswärtssieg und der war am 1. Spieltag. Jetzt steht der 2. am 11. an.“

Inzwischen wissen wir, dass er, unser CCEO, nicht der Drachenlord, sich erneut als echter medialer Fußball-Experte bewies – durch, wie das so ziemlich vielen Experten in den Medien bekanntlich der Fall ist: maximale Schieflage.

Aber zu dem Zeitpunkt war das ja noch möglich. Noch stand es offiziell nicht mal 0:0, dafür unsere Truppe immer noch am Bus, der aber nur rein zufällig ein tolles Zeichen, genauer: Kennzeichen setzte, um auf uns aka die Elite an Bord hinzuweisen.

Also taten wir nach  etwas mehr als einer Viertelstunde, der klassischen Zeit einer Halbzeitpause), das, was wir von der Mannschaft in brenzligen Situationen auch erwarten: einsteigen – und sofort kontrolliert und konzentriert den eigenen Weg verfolgen.

Und dann war es soweit – und wir …

… am Ziel …

Kaum angekommen, begannen wir auch sofort mit dem Aufwärmprogramm, das zugegebenermaßen komplett anders aussah …

… als das der Mannschaft. Diese begann mit einer einfachen Platzbegehung im noch fast leeren Stadion, die die Spieler zum Teil intensiv nutzten, um ihren Instagram-Account aufzufrischen. Aber da waren es ja noch rund 90 Minuten bis zum Anpfiff.

90 Minuten nach diesem, genauer: nach 97 Minuten Spielzeit war die Heiterkeit ob des Spiels der eigenen Mannschaft verflogen. In unmittelbarer Nähe zum Erfolgsmusical „Starlight Express“ kam die Mannschaft zu keiner Zeit in die Spur. Und im Gegensatz zur Nachbarschaftsdarbietung war keinerlei Zug im Spiel zu erkennen.

Vergleichsvideo:

„Macht doch mal Dampf!“, schrie die frustrierte Gruppe, die nach dem Schlusspfiff selbigen abließ. Die Verärgerung war im Gegensatz zu mancher Schiedsrichterentscheidung, aber vor allem zur Taktik, der Spielweise, der technischen Unfertigkeiten, der Unbeholfenheiten im Spielaufbau und bei der Ballannahme verständlich.

Vielleicht war es die Lockerheit, die man schon lange vor Anpfiff bei der Mannschaft erkennen konnte, die Anmut des Ambientes, dieser Chic des Verfalls mit dem Charme der Tradition, diesen sich mächtig in den Himmel wuchtenden Flutlichtmasten, die den Spielern nicht das Gefühl gab, auf einem Bundesligaspielfeld zu stehen und dort ebenso ebensolche Leistung bringen zu müssen, als wenn alles etwas moderner wäre und „Arena“ draufstünde, sondern sie sich in einem Swingerclub wähnten. Zumindest erschien es uns so (auf Basis unseres exklusiv theoretischen Wissens ob solcher Etablissements):

Die treibende Kraft war nicht die Lust, die Gier, eher die Neugier auf das Umfeld, gepaart mit der Unsicherheit, ob das, was man gerne täte, auch so in Ordnung ist, so dass man vielleicht sogar den ein oder anderen Reiz verspürte, in die Offensive zu gehen, aber dann doch davon abließ – wohl sicherheitshalber, da man ja seinerseits keine Lust darauf verspürte, plötzlich und unverhofft selbst einen hinten reinzukriegen. Die logische Konsequenz: Es wird sich heftig abgetastet, aber im Grunde passiert nichts.

Als Fan hätte man natürlich viel lieber gesehen, dass es der Spielweise, dem Rennen, Kämpfen, Laufen geschuldet gewesen wäre, dass der Mannschaft mehr und mehr der Atem fehlte. Aber es schien dann doch mehr und mehr an dem viel zu engen taktischen Korsett zu liegen, das dem Team die Luft nahm, um voll Lust zu agieren.

Dafür stockte dem Fan umso mehr der Atem, als er auch nach über einer Stunde Spielzeit gewahr wurde, dass das Team weder zum Schuss kommt, noch zum Schuss kommen zu wollen schien. Es ging gar nix – außer plötzlich der Ball in unser Tor.

Wenige Sekunden zuvor konnten wir ihn noch von der Torlinie kratzen, aber dann kratzten wir uns am Kopf, denn der Linienrichter hob seine Fahne und der Hauptschiedsrichter griff sich ans Ohr: Tor!

Das war bis dahin weder verdient noch unverdient für eine der beiden Mannschaften, dafür sehr verdient für die 19.200 Zuschauer, die sich trotz des recht müden Kicks mehr als redlich mühten, Stadionatmosphäre aufkommen zu lassen.

Mit Erfolg – und nach der Entscheidung des VAR war echt was los. Das steigerte sich sogar kurze Zeit darauf, als es völlig grund-, wie es zuerst von uns aus aussah, dann aber – und das war noch schlimmer: sinnlos Elfmeter für die Heimmannschaft gab, und deren Fans lauthals den Namen ihres Torwarts skandierten, während unsere Spieler kaum zu beruhigen waren und auf den Spielleiter einschrieen. Das war nicht minder sinn- plus halt auch noch erfolglos. Gott sei Dank blieb das dann auch deren Schütze, der zwar deutlich fester schoss, aber ähnlich genau wie der Onkel unseres Cheftrainers vor über 40 Jahren ebenfalls in einer Stadt, die mit B beginnt. Jetzt begannen die Hoffenheimer Fans, den Namen des Torwarts zu skandieren. Stimmung …

Sollte da doch noch was gehen? Nein. Dieses Momentum unserer Zuversicht auf den Rängen, dieser Funke Hoffnung übertrug sich auf den Platz auf die TSGastmannschaft – nicht!

Im Gegenteil: Die Fehlpassquote blieb gleich hoch, was aber nahezu zwangsläufig bei höher stehender Abwehr mehr und mehr Chancen für den Gegner eröffnete, die entsprechend immer besser wurden.

Doch selbst 1000%igste konnte die Heimmannschaft nicht nutzen, so dass auch noch lange nach Ablauf der regulären Spielzeit die Chance auf ein Tor und damit einen Punkt für uns bestand. Die letzte Chance, das letzte Fünkchen Hoffnung hatten wir dann mit Ablauf der 5-minütigen Nachspielzeit:

Eckball – und „Was die Nr. 1 der Gastgeber kann,“ dachte sich wohl unsere Nr. 1, „kann ich auch!“ und tauchte ebenfalls im Sechzehner auf – und sie war noch erfolgloser, denn sie kam nicht mal an den Ball. Dummerweise dafür aber der Gegner, der dann einen, wie man im Eishockey sagt, „Empty Netter“ erzielte – und das nach Angaben des Stadionsprechers „aus 170 Metern“. Ja, das hätte man vielleicht auch netter sagen können und es entsprach wahrscheinlich in puncto Präzision nicht den höchsten akademischen Standards, aber es war zugegebenermaßen sehr, sehr lustig – und wir waren froh, dass wir wenigstens mit dem Abpfiff was zum Schmunzeln hatten.

Es gab keine Brechtüten an Bord unseres Experten-Expresses, aber es hätte ihrer auch nicht bedurft. Wir hatten uns schon sehr schnell nach dem Spiel sehr gründlich ausgekotzt. Die Stadion-Currywurst in Bochum fanden wir ohnehin überbewertet.

Also haben wir das getan, was Akademiker am besten können: a) ihre fehlerhaften Prognosen kurz und knapp zu relativieren und dies damit begründet, dass es ad hoc-Varianten in den entscheidenden Parametern gab („Unvorstellbar, dass sie zu doof sind, einen Ball kontrolliert über drei Stationen nach vorne zu spielen?“), um uns dann nicht mehr als nötig mit der Gegenwart zu beschäftigen.

Lieber haben wir uns mit Freuden der Zukunft zugewandt und dabei Fragen aufgeworfen, die über das normale Themenfeld hinausgehen:

  • Spielt Dabbur Dabbur oder macht Dabbur Dabbur nach und sollte man da Dabbur nicht verbieten, Dabbur zu spielen? (Hierbei geht es um die Symbiose der diversen Welten, also „Earth Station“ und PlayStation, und deren Auswirkungen auf die reale Welt.)
  • Gibt es „Die kleine Hexe“ auch in der realen Welt?
    (Im gleichnamigen Buch von Otfried Preußler wird die Geschichte „Der Kegelbruder“ erzählt. Sie handelt von einem Mann, der viel Geld beim Kegeln verlor. Um ihm dies abzugewöhnen, verhext die kleine Hexe jede Kugel, auf dass sie, wenn der Mann sie auch nur mit zwei Fingern höchst vorsichtig berührt, wie doof hin- und herspringt. Das Verhalten des Spielgeräts nach dem Kontakt mit Kramaric, aber auch Baumgartner, selbstredend Dabbur, und mehr und mehr Rudy, ach: mit eigentlich allen, taugt zumindest als Existenzindiz.)
  • Wann wird Grillitschs Spielweise bei Ballbesitz eine Pflichtfigur im Eiskunstlauf?

War es Galgenhumor? Selbstverständlich. Aber wer sich beschwert (verbal), beschwert sich (mental) – und wir wollten uns von dieser Darbietung die Laune nicht verderben lassen. Viel eher waren wir positiv gestimmt, ob der Indizien, so dass wir konkludierten, dass es wie beim letzten Mal nach der Länderspielpause ein besseres Spiel geben wird.

Ob das nun am Gegner liegt oder an der Unmöglichkeit des Trainierens und damit der Unmöglichkeit der Verinnerlichung einer kopflastigen Taktik, was zu mehr „Beinfreiheit“ und damit mehr Spielwitz führen könnte, konnte nicht abschließend geklärt werden. Zu schnell war die schöne Premierenfahrt zu Ende.

Schon 12 Stunden nach der ersten Abfahrt machten wir unseren ersten Halt zum Ausstieg mit der Gewissheit, dass diese Mannschaft weit unter Niveau spielt, dass diese Taktik aber mal so gar nicht zum Gegner gepasst hat, aber wir trotz alledem auch im nächsten Jahr eine solche Tour machen werden. Aber a) nicht nach Berlin, wir wollen ja mit unserer geballten Kompetenz die Regierung nicht nervös machen, und b) definitiv nicht unter dem alten Swinger-Motto: „Alles kann, nichts muss!“.

Wir bleiben uns treu – und damit bei „Akademiker für alle/s“ – oder wie wir Althumanisten aka Klugscheißer sagen:

academici omnibus

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