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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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VfB Stuttgart vs. 1899 Hoffenheim

„Maßnahmen“

Ein Spiel kann man auch mal so verlieren, doch kein Grund selbiges auch mit dem Glauben an die Mannschaft und seinem Humor zu tun:

England gilt als Mutterland des Fußballs – und seltsamer Angewohnheiten wie zum Beispiel Schweinefleisch mit Apfelmus, Linksverkehr sowie Längen- und Mengenangaben, die im Wesentlichen auf der Zahl „12“ basieren. Und gerade diese Maße finden sich im Fußball wieder, was wiederum ganz einfach erklärt, …

  • … warum ein Tor so hoch und breit ist, wie es ist,
    denn was für uns krumm klingt (7,32 x 2,44 m) ist im Englischen gerade (8 yards x 8 feet),
  • … warum der Abstand einer Mauer beim Freistoß 9,15 m beträgt (10 yards),
  • … warum der Fünfmeterraum 5,50 m Abstand zur Grundlinie hat (6 yards),
  • … warum der „Elfmeter“ aus exakt 10,9728 m ausgeführt wird (12 yards).

Überhaupt ist das ein sehr lustiges System, das die Briten da haben:

  • 12 Zoll (inch) = 1 Fuß (foot)
  • 3 Fuß (feet) = 1 Yard (Schritt)
  • 220 Schritt (yards) = 1 Furlong (Achtelmeile; eine Maßeinheit, die heute noch bei Pferderennen relevant ist. Daran lehnt sich auch die Stadionrunde (400 m) an.)
  • 8 Furlongs = 1 Meile

Das Metrische ist nicht so ihrs. So wäre es auch nicht verwunderlich, wenn man ihnen sagt, dass es am nächsten Tag 50 Grad wird, sie eine warme Jacke mitbringen, weil sie eben nicht in Celsius, sondern in Fahrenheit rechnen. (Umrechnungsformel von °C auf °F: °C x 9 : 5 + 32 = °F bzw. von °F auf °C: (°F – 32) x 5 : 9 = °C.) (Nein, wir lösen nicht auf.) 🙂

Auch in puncto Geld haben sich die Engländer lange Zeit gegen das metrische System gewehrt. Erst 1971 haben sie sich auch eine Haupt- und eine Untereinheit eingelassen (Pfund, Pence). Zuvor gab es noch viele andere, unter anderem Schilling und Guineas, die in einem ganz besonderen Verhältnis zueinander standen:
1 Guinea = 1 Pfund + 1 Schilling. 1 Schilling = 12 pence.
(Darüber hinaus gab es viele weitere Einheiten von Farthings bis Crowns, aber wir wollen ja auch mal zum Spiel kommen.)

Man kann sich vorstellen, dass das Lesen von Preisschildern eine Wissenschaft war. Diesen Guinea gab es auch nur als Wert, nicht als Note oder Münze, was seltsam anmutet, aber man erinnere sich nur an die Vor-Euro-Zeit. Da gab es so etwas auch bei uns: den Groschen.

Der konnte einem damals noch fallen, was ja so viel hieß wie: „Ah, jetzt kapiere ich!“ Seit dem Euro ist also ein billiger Erkenntnisgewinn nicht mehr möglich.

Zumindest unserer Mannschaft kam er heute teuer zu stehen, nämlich der, dass wir zwar weder so schlecht sind, wie wir in der Tabelle stehen, aber noch lange nicht so gut sind, wie uns die letzten Wochen glauben ließen. Dafür ließen unsere Jungs zwar nicht unbedingt den Willen vermissen, den sie bereits in den vier Spielen zuvor unter Nagelsmann an den Tag legten, sondern vor allem Spielwitz und Raffinesse. An ihrer Statt hielten alte Gewohnheiten Einzug: schludriges Aufbauspiel, mangelnde Nähe zum Gegner, fehlendes Mittelfeld, harmlose Offensive.

Die Folge: Die Zuschauer sahen viele Tore, genauer gesagt: ein halbes Dutzend, basierend auf Fehler – vor allem unsererseits – en gros. (Das nur mal so, um zu zeigen, dass es auch in unserer Sprache noch Begriffe für Mengen-Einheiten gibt, die auf der Zahl „12“ basieren.)

Zudem ging der Plan nicht auf, den sich der Trainer zurechtgelegt hat. Der Groschen fiel ihm immerhin recht früh, weshalb er ihn frühzeitig änderte, was zu einer Auswechslung in der 1. Halbzeit führte: Bicakcic machte (widerwillig) Platz für Kramaric. Aber so einfach war das dann doch nicht und, wie sich dann herausstellte, zu spät.

Leider lagen wir zu dem Zeitpunkt schon längst und glücklicherweise nur mit 1:0 zurück, weil schon nach sechs Minuten nach einem Eckball die Zuordnung fehlte und Baumann den Ball nicht festhalten konnte. Mit der Einwechslung ging es zwar ein bisschen besser nach vorn, aber hinten hatte keiner einen guten und einer einen geradezu rabenschwarzen Tag erwischt.

Schärs nicht erster Fehlpass im Aufbauspiel führte zur nicht ersten Megachance der Schwaben, doch diese konnten sie, wenngleich nicht wenig glücklich, verwandeln, so dass wir mit zwei Toren Rückstand in die Halbzeit gingen und mit noch zwei neuen Spielern aus selbiger kamen. Für den völlig desolaten Hamad, der sich wohl in seinem Auftreten von der neben dem Stadion stattfindenden Veranstaltung („Apassionata“) hat inspirieren lassen, kam Schmid, für Uth Vargas und dann kam’s dicke, denn, wie bereits im ersten Durchgang, gelang den Gastgebern kurze Zeit nach dem Anstoß mit der ersten Chance das erste Tor – wieder nach einer Ecke von rechts.

Mit der 3:0-Führung war natürlich jedem klar, dass jetzt nur noch bedingungslose Offensive hilft. Und obwohl sie alles andere als bedingungslos war, fiel plötzlich der humorlose Anschlusstreffer. Kramaric zog ab, drin, noch 18 Minuten zu spielen.

Zwei Minuten später fiel dann sogar fast das 3:2 durch Schmid nach einem sensationellen Zuspiel von Polanski, doch sein Heber hatte nicht ganz das ganz richtige Maß, d. h. es fehlten vielleicht drei, vier Zoll, also rund ein Dezimeter, genauso wie, wiederum zwei Minuten später, uns im Aufbauspiel, so dass wir wieder ausgekontert wurden, was uns, nachdem zwei Minuten später ein Schuss Vollands das Tor nur knappst verfehlte, zwei Minuten später wieder passierte, so dass die Stuttgarter erschreckend einfach auch ihren 5. Treffer erzielen und uns damit die höchste Saisonniederlage zufügen konnten.

Damit gelang es Nagelsmann in fünf Spielen so ziemlich alles: 1 Unentschieden, 1 Sieg nach Rückstand, 1 Niederlage, 1 Sieg nach Führung, 1 Debakel – oder, nennen wir es anders, weil wir uns ja heute so ums rechte Maß bemühen: 1 Pfund, wobei wir auch hier gerne auf das englische zurückgreifen wollen; zum einen, weil wir über Fußball sprechen, den das Englische, wie eingangs erwähnt, über alle Maße dominiert (nicht: Maßen 🙂 – trotz allen (Fernseh-)Geldes), zum anderen, und das wiegt schwerer (als Argument), weil es mit seinen umgerechnet 16 Unzen (453,59237 Gramm) gut 10% leichter ist als das deutsche.

Ja, in der Tat sollten wir das nicht so schwer nehmen, denn …

  • a) kann man so ein Spiel auch mal so verlieren,
  • b) ist das kein Grund selbiges auch mit dem Glauben an die Mannschaft (und seinem Humor) zu tun,
  • c) haben wir noch neun Spiele, darunter die direkten Duelle gegen die aktuellen Nachbarn,
  • d) kommt nächste Woche eine Mannschaft zu uns, die bis letzte Woche die schlechteste Auswärtsmannschaft der Liga war. (Nach der Partie sind jetzt allerdings wir das.)

Wir sind alles andere als chancenlos, den 3. Heimsieg in Folge zu holen – und idealerweise wäre es ja hier schön, wenn unseren Nagelsmännern die richtige Antwort auf so ein Debakel gelänge, ein Spektakel – oder, um noch einen letzten Terminus aus dem Englischen zu bemühen: ein Kantersieg.

Ein „Kanter“ ist allerdings kein Mengenmaß, auch wenn man das heute so versteht. Er basiert ursprünglich auf den „Canterbury Tales“, eine Geschichte aus dem England des 14. Jahrhunderts, in der unter anderem Pilger beschrieben werden, die statt zu Fuß zu Pferd ihre Pilgerreise antreten, wodurch sie sich die ansonsten weitaus mühevollere Reise vereinfachten, aber doch gemächlicher ritten als normalerweise. Als Synonym hat sich hierfür im Deutschen „Arbeitsgalopp“ durchgesetzt. Er beschreibt also auf gar keinen Fall, was man ja denken könnte, „Komfort“.

Wobei – und das könnte das Problem für die heutige Nichtleistung sein: Vielleicht haben unsere Spieler auch von ihm zu oft komfoːɐ̯ gehört – und es gerade in Verbindung mit „Zone“ falsch zugeordnet – und vielleicht gab es das letzte Mal schon die Zettel, um die Gefahr der Homophonie (Gleichklang von Wörtern unterschiedlicher Bedeutung, wovon es im Englischen fast unzählige gibt, u.a. be, bee; know, no; mail, male; sea, see; way; weigh etc. pp.) auszuschließen, so dass sie erkannten, dass das, was sie hörten („Komfort!“), keine Einladung war, langsamer zu machen, sondern ein dringlicher Appell, offensiver zu spielen („Komm’ vor!“). Diesmal hat auch das nicht geklappt. 🙁

Hoffen wir also, dass so ein Spiel wie dieses in dieser Saison nicht mehr vorkommt und die Mannschaft besser Maß nimmt und besser spielt … ansonsten kommen wir … und servieren Schweinefleisch mit Apfelmus. 🙂

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