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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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SC Freiburg vs. 1899 Hoffenheim

Beschwerde(n )frei

Jubeln statt jammern

Bekanntlich geht es wie unseren Vorfahren: Wir leben in schwierigen Zeiten. Und wie soll das jemals besser werden?

„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“

Wussten schon die Sumerer, rund 3000 v. Chr. Und zwei Millennials weiter hieß es auf einer babylonischen Tontafel:

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“

Und last but not least wusste Sokrates (470-399 v. Chr.) zu berichten:

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Und da gab es bekanntlich noch keine Smartphones, Apps, geschweige denn Zentralheizung. Das Jammern selbst ist also ein alter Hut. Nur sein Niveau hat sich verändert. Je höher der Lebensstandard, desto mehr, so scheint es, gibt es Gründe zu jammern (siehe bzw. höre Begleitvideo) – oder sich vor der Zukunft zu fürchten. De facto aber ist dem mitnichten so.

  • Starben um 1800 noch rund 44% aller Kinder vor ihrem 5. Lebensjahr sind es jetzt unter 4%.
  • Zum gleichen Zeitpunkt konnten rund 10% der Menschen lesen und schreiben, heute sind es rund 90%, was es ihnen ja erlaubt, sich selbstständig aus zugänglichen Quellen zu informieren.
  • Wissenschaftliche Artikel sind damals rund 120 erschienen, heute sind es rund 3 Millionen!
  • Und lebten ehedem nur rund 1% der Menschen in einer Demokratie, sind es es heute rund 60%.
  • 148 Länder (also im Grunde fast alle) hatten damals mit Pockenfällen zu kämpfen, heute sind es 0.

Das lässt sich ewig und nahezu auf alle Lebensbereiche weiterführen (eine von vielen Quellen). Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch weiterhin Dinge gibt, die im Argen liegen und die man besser machen kann, es soll nur mal den Blick öffnen, denn wer die Augen öffnet, der sieht nicht schwarz.

Kommen wir jetzt schon zum gestrigen Spiel?

Nein. Aber gleich, versprochen, zumal ja der Mann in Schwarz nicht unerheblich war für den Ausgang der Partie.

Wer die Augen öffnet, sieht also und kann dabei auch noch selbst entscheiden, was er oder sie sieht. Nun gibt es Medien, die Menschen dazu veranlassen, ihren Blick zu senken. Und überraschenderweise werden sie gerade von jüngeren Menschen als hilfreich angesehen. Allen voran: sogenannte Smartphones. Und es gibt berechtigte Gründe in den Chor der Sumerer, Babylonier und griechischen Philosophen einzustimmen, wenn man bedenkt, dass vom Nachwuchs Sätze überliefert sind wie „Wenn früher das Telefon mit einem Kabel in der Wand befestigt war, wie konntet ihr denn dann damit Fotos im Garten machen?“

Aber dieses Beispiel eines kleinen Kindes zeigt, was Kinder normal finden, z. B. einen Garten. Oder Fotos machen können.

Und so finden es größere Kinder jedweden Alters normal, sich durch die große, weite Welt zu bewegen mittels der Angebote eines solchen Smartphones – selten größer als 5 Zoll. Inwieweit das den eigenen Horizont erweitert, kann jeder Mensch für sich selbst entscheiden, aber die meisten und meist jüngeren Menschen entscheiden sich für das Smartphone, wohl auch in der Hoffnung, dass es ihre Entscheidung dann smart mache.

Besonders beliebt sind dabei Bewertungen zu allem möglichen: Hotels, Restaurants etc. Hier vertraut man also dem Urteil wildfremder Menschen, die nach einem Besuch einer solchen Lokalität, Stadt etc. nichts Besseres zu tun hatten, als ihre echte Meinung in einer virtuellen Welt mitzuteilen, statt sich zu fragen, was das wohl für Menschen sind, die das machen. Und wenn man dann mal was findet, was sehr oft sehr gut bewertet wurde, wird man skeptisch:

1000 Bewertungen mit einer klaren 5,0 empfindet man als verdächtig. Und wenn man denn aber was findet, das 900-mal mit 5 Sternen, 99-mal mit 4 Sternen und eben ein Mal mit nur einem Stern bewertet wurde, verbringt man eigene Lebenszeit damit, diesen einen Beitrag zu finden, wohl in der Hoffnung, dass diese eine, einem wildfremde Person DAS entscheidende Haar in der Suppe gefunden hat, was meine Entscheidung für oder gegen dies oder jenes final entscheidet. Nach etlichen Minuten findet man das denn und liest, z. B. bei einer Urlaubsbewertung: „Es regnete die ganze Zeit!“

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Es gilt in Ausbildungen, Praktika und Studienreisen heutzutage schon als Mutprobe / Abenteuer, ein verlängertes Wochenende ohne Smartphone zu verbringen, den Weg vom Bahnhof zum Hotel ohne Google Maps finden zu wollen, ein Restaurant zu besuchen, dessen Tripadvisor-Bewertungen nicht kennt und abends in seinem Bett zu liegen, ohne das lokale tinder-Angebot zu eruieren. Aber eines ist sicher: den Menschen, die das gemacht haben, der Applaus ihrer Art- und Zeitgenossen.

Dazu zählen wir nicht. Wir sind keine digital natives. Wir wurden noch in einer Welt groß, die man heutzutage analog nennt, was leicht überheblich, lustig rüberkommen soll, was es ja darf. Was diese Menschen dabei verkennen, ist der Vorteil, die ein solches Leben hatte.

So war es für uns normal – nicht schön, aber auch nicht der Untergang – wenn ana log. Das heißt, es war für uns ganz natürlich zu zweifeln. Das war nicht schlimm. Es enthielt auch keine Wertung im Gegensatz zur Jetztzeit, wo Überschriften wie eben „Zweifel an …“, „… ist nicht unbestritten.“, „Gegenstimmen zu …“, „Kritik an …“, „Steht im Verdacht …“. Dinge waren halt unklar und mit dieser Unklarheit galt es zu leben und mit umgehen zu müssen.

In der digitalen Welt ist dies nun anders und es lässt sich trefflich darüber philosophieren, ob das mit der Rigidität des Digitalen selbst zu tun hat, in der es ja nur 1 oder 0 gibt, sinngemäß: richtig oder falsch, schwarz oder weiß, Abseits/Elfmeter oder nicht.

Jetzt endlich!

Manuel Gräfe ließ weiterspielen. Für ihn, der in der Situation den Über-Blick hatte, war es in der analogen Welt aus seiner Perspektive einfach nur ein Zweikampf. Aber dann meldete sich halt sein Videoassistent, der den Detailblick hat, wenngleich ebenfalls nur aus einem Blickwinkel und hier war halt zu erkennen, dass Vogt das fest am Boden stehenden Bein seines Gegenspielers von hinten traf – und in sowie mit der Einstellung, dass es um jene Details geht, fraglos ein Foulspiel und damit auch konsequenter- und richtigerweise ein Elfmeter.

Natürlich extrem unglücklich, aber halt nicht ungerecht im Sinne der Regeln, die wir selbst – gerade mit der Einführung des VAR – vielleicht nicht so haben wollten, aber uns genau so gegeben haben. Ungerecht – gefühlt – war das daraus resultierende Endergebnis, denn die Mannschaft hätte die drei Punkte mehr als verdient gehabt.

Sie spielte trotz englischer Woche für uns – und normalem Spielbetrieb für die Breisgauer – selbstbewusst und offensiv.

Die Art und Weise, wie wir spielten schien auch die Gastgeber sehr verwirrt zu haben, denn weder gab es den langen Ball nach vorn noch das behäbige Balldurchsmittelfeldgeschiebe via Grillitsch, womit der Gegner wohl gerechnet hat, denn warum sonst sollte man seitens der Breisgauer Florian Grillitsch in Manndeckung genommen haben.

Nein, unser Offensivspiel ging anfänglich völlig an unserem Mittelfeld(d)ösi vorbei, was ihm (dem Spiel) aber eher gut tat, und ihm (Grillitsch) dann auch ermöglichte, einen Spieler aus deren Abwehrverbund herausziehen und sich dann, als die Freiburger das änderten, verstärkt offensiv einzusetzen, was unser Spiel bis ans Tor schon sehr ansehnlich machte. Auch Chancen konnten wir damit kreieren, die von Mal zu Mal besser wurden und völlig verdient mit dem 1:0 durch Kramaric gekrönt wurde, der erst den Blick hoch- und dann perfekt den Kopf hinhielt.

Es war dieser Blick von ihm zum Flankengeber sowie seine (Ein-)Sicht, dass ihn sein erster Laufweg mitten zwischen verteidigende Hausherren geführt hätte, so dass er seine Richtung änderte sowie eben der Blick vom Flankengeber, der eben nicht nach unten war (hier: nicht Smartphone, sondern Ball), wodurch er sehen konnte, wo es nichts zu sehen gab, aber viel zu erkennen, nämlich die Chance zur Führung, vorausgesetzt er konnte den Ball perfekt platzieren. Das konnte er.

(Wir kennen das von ihm ja aus nächster Nähe:

Weihnachtsfeier 2019)

Am letzten Spieltag im April gingen wir endlich mal wieder in Führung. Das gelang uns zuletzt Anfang März gegen den VfL Wolfsburg. Diesmal konnten wir die Führung aber lang und länger halten, weil wir erneut sehr diszipliniert und sehr strukturiert verteidigten.

Dann verletzte sich Richards. Vogt kam rein, traf das Bein. Er konnte nicht ausweichen, Freiburg ausgleichen. Das war’s.

Auch weil Gräfe diesmal – und anders als im Spiel gegen Leipzig – die sechsminütige Nachspielzeit nicht so sehr verlängerte, dass wir am Ende womöglich sogar durch eine blöde Aktion um diesen einen letzten Punkt gebracht worden wären.

Da kam es am Ende zu einer Punkteteilung sowie noch zu mehreren mehr als bemerkenswerten Aktionen:

  • Zum einen wiederholte der Schiedsrichter – wie er es bereits mehrfach im Spiel tat – Vogt, warum er den Strafstoß gab. (Eigentlich ist das bemerkenswerte, dass das bemerkenswert ist, denn es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein (auch Schieds-)Richter sein Urteil begründet.)
  • Zum anderen sprach sich ein Freiburger Spieler im Interview nach dem Spiel dafür aus, dass der DFB sein Urteil bzgl. Graefe, ihn und andere Spielleiter rein altersbedingt in den Ruhestand zu schicken, überdenken möge.

Dass es in dem Punkt nicht mehr rein um Leistung geht, sondern nur um die Einhaltung einer eigenen Regel, die man jederzeit selbst revidieren könnte, ist befremdlich. Aber umso schöner, dass sich Spieler und Fans, aber auch Medien, zumindest in dem Punkt einig sind, dass man eher am VAR was ändern sollte, also dem „digitalen“ Schiedsrichter. Statt dessen spricht man dem analogen, menschlichen Schiedsrichter sein Vertrauen aus – Voraussetzung ist natürlich, dass er noch tut. Und Schiedsrichter wie Manuel Gräfe tun – und tun dem Spiel gut.

Wie uns dieser Punkt, denn damit haben wir nicht nur die Bundesliga-Lizenz, sondern auch die Startberechtigung für die kommende Saison in der ersten Bundesliga sicher. Und da erwarten wir alles andere als schwierige Zeiten – und dass vieles wieder besser wird.

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