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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. FC Schalke 04

Kabinenpredigt

Die frohe Hiobsbotschaft

Prolog

Oftmals werden wir gefragt (was nicht so nicht stimmt, aber es ist ein guter Einstieg), woher wir denn immer auf die Ideen für unsere Spielberichte kommen. Nun: Diesem ging ein Gespräch zur Halbzeit mit einem evangelischen Pfarrer voraus, wo der Autor in seiner Verzweiflung ob des Tuns und Treibens der TSG sowie dem Halbzeitstand versprach, dass er sich einen Bibelvers aussuchen dürfe und um den rum sich dann der Spielbericht drehen würde, wenn wir dieses Spiel noch drehen und der Geistliche zurückfragte, ob es diesbezüglich ein Wunschergebnis gäbe. „6:2“ war unsere Antwort, um auch noch das Hinspielergebnis zu kompensieren, „aber 4:2 reicht auch.“ Und im Gegensatz zum Einstieg, stimmt der Dialog.

Hauptteil

Betriebsblindheit oder Wunschdenken oder Dummheit oder Unfähigkeit? Wir wissen es nicht, aber es scheint uns Menschen Schwierigkeiten zu bereiten, das Offensichtliche zu sehen. Und anzuerkennen. Zu akzeptieren. Und auf der Basis weiterzumachen. Schon das Naheliegende scheint uns Schwierigkeiten zu bereiten. Doch schon die Erklärung hierfür, ist naheliegend, gilt doch der Mensch als weise und intelligent, dessen Plan, gerne auch mal „Vision“ genannt, als „weitsichtig“ – und wie sich das auf das Erkennen dessen auswirkt, was höchst evident und unmittelbar vor einem auftut – nimm als Beispiel nur die Schrift, geneigte/r Leser/in –, weiß ein/e jede/r jenseits der 50.

Jene Menschen haben aber oftmals die sehr unangenehme und wenig zielführende Eigenschaft, dass sie diesen naturgegebenen Weitblick dergestalt nutzen, dass sie zurückblicken und in Erinnerungen schwelgen. So ist ja auch zu verstehen, dass diese Menschen gerne stehenbleiben würden. Sie wollen sich nicht nach vorne bewegen, denn wie leicht kommen sie ins Straucheln und Stolpern, weil sie zum Beispiel die Steine, die im Weg liegen, nicht mehr gewahr werden. Entsprechend langsam bewegen sie sich nach vorn, während sie auf diesem Wege überholt werden von den Jüngeren, die aber ihrerseits gar nicht so genau wissen, wohin der von ihnen eingeschlagene Weg führt, diesen aber mit vollem Elan und großer von Furchtlosigkeit geprägter Abenteuerlust entlangrasen. Dabei scheinen zwei Wege besonders attraktiv zu sein: zum einen der, den noch keiner gegangen ist und entsprechend auch niemand weiß, was einen an dessen Ende erwartet. Aber gerne berauscht an der Lust der Entdeckung, besoffen in der Überzeugung der eigenen Unverletzlichkeit trampelt man einfach vieles nieder nicht nur in der Hoffnung, sondern mit der festen Überzeugung, dass dies schneller zum Ziel führe, das man eher wähnt als hat. Aber das hatten wir ja schon: mit der Weitsicht ist das den Jungen auch nicht immer so gegeben. Und fragt man dann nach einem Argument, braucht es das, denn das sei ja das Tolle. Dass es eben neu sei, da brauche man keine Argumente, was ein wahrlich lustiger Standpunkt ist – oder ein Beruf (Journalismus / Hofnarrentum (Satire, Comedian etc.): Die, die alles in Frage stellen, fragt man besser nicht nach einer Antwort.

Ganz anders sieht es bei dem anderen Weg aus: Ihn sind schon sehr viele gegangen, meist in Horden und immer wieder. Das wirkt natürlich verlockend, denn das gibt Sicherheit. Wenn man da fragt, warum man denn den eingeschlagenen Weg verlassen möchte, erhält man immer hin mehr als eine Antwort. Zuerst erhält man ist eine als Frage getarnte Antwort, z. B. „Weil da ein riesen Brocken vor uns liegt, Boomer?“, hernach den Verweis auf diesen einen Weg, den ja offenbar schon so viele gegangen sind, was ihn allein als Alternative attraktiv zu machen scheint. Es könnte natürlich auch sein, dass dieser Weg weitaus weniger beschwerlich zu gehen scheint, als eben den vor einem liegenden Brocken zu überwinden oder durch eine gemeinsame Kraftanstrengung aus dem Weg zu räumen.

Wir alle sind schon so ausgewichen und haben festgestellt, dass es manchmal ja durchaus stimmt, aber dies dann doch eher Glück war, wenn man dann wieder auf der rechten Spur landete. Zu viele Verzweigungen – und damit einhergehend: Verzweiflungen – bietet diese vermeintliche Abkürzung, so dass man sich oftmals entweder in die Irre geführt wird, völlig die Orientierung verliert oder sich im Grunde im Kreis dreht, so dass man zwar immer das Gefühl hat, man bewegt sich, aber faktisch nicht wirklich vorankommt.

Und es gibt wohl kaum ein besseres (?) Beispiel – zumindest nicht in der 1. Bundesliga – für diese Parabel (nicht nur von der Trainerentlassung) als unsere Gäste, wobei diese für sich etwas gefunden haben, das sie freispricht von ihren Sünden – und mit dem sind sie weiß Gott nicht die einzigen, die sich damit Loslösen von aller eigenen Schuld: Tradition.

Sie scheint einen Wert zu besitzen gerade für jene Jungen, die mit Wucht weiterwill. Das tun sie ja, aber sie kommen nicht voran, weil sie sich sicher wähnen auf diesem Boden voller Wurzeln – ohne dabei auf weitere Zeichen der Zielführung so achten. Wen es diese nicht gibt, ist ein solcher Boden voller Wurzeln auch nichts anderes als ein Holzweg – mit erheblichem Risiko, aber mal so richtig auf die Fr… ins Stolpern zu geraten.

Nun ist Holz an sich kein so schlechter Belag, um elegant und stilvoll aufzutreten und sein Ziel mit Grandezza zu erreichen. Wenn man das aber nicht geübt ist und eventuell auch das falsche Schuhwerk anhat, kann man auch auf dem besten Parkett aber mal so richtig auf die Fr… ins Stolpern zu geraten.

Ohnehin scheint bisweilen der Rasen unseres Stadions gewachst, denn es ist schon erstaunlich, wie oft gerade unsere Spieler in dieser Saison in Bewegung das Gleichgewicht verlieren. Auch der Führung der Gäste ging ja unmittelbar ein Ausrutscher voraus. Dieser war zwar nicht ursächlich verantwortlich dafür, dass wir wieder einmal mit dem ersten Schuss des Gegners auf unser Tor mit 0:1 zurücklagen, aber ohne ihn wäre er nicht gefallen. So aber – fiel beides.

Und dann fiel auch noch vor dem Halbzeitpfiff das zweite Tor für die Gäste und dem neutralen Zuschauer auf, dass Hoffenheim sehr gefällig spielte, sich gerne in Stafetten versuchte, was aber aufgrund der mangelnden Technik eher wie Staffage wirkte. Sie agierten, als trügen sie Tanzschuhe auf dem Rasen. Dabei war das weder Ballett noch Walzer noch Reigen – eher zum Reihern – und wir meinen damit nicht den an Gewässern lebenden, langbeinigen Vogel mit sehr schlankem Körper und einem langen Hals und Schnabel.

Innerhalb von 135 Minuten schossen unseres Gäste fast ein Drittel aller ihrer Tore in dieser Saison. Wer da nicht das große Kotzen bekommt, und es beim Motzen belassen kann, der hat wahrlich Impulskontrolle. Zumal unser Team ja nun fast zwei Wochen lang nichts anderes machen konnte als trainieren. Da hat man doch einfach mehr erwartet. Auch vom Trainer. Und wohl auch der Trainer selbst, denn, so tat er auf der Nachspielpressekonferenz kund, sei es in der Halbzeitpause in der Kabine lauter geworden.

Nun wollen wir beten, dass es diese Ansprache war – und nicht der im Prolog dargestellte zeitgleich stattfindenden Dialog mit dem Pfarrer –, was den Wandel im Wirken des Tuns unseres Team bewirkte, wäre dies doch sonst ein zu deutliches Zeichen dafür, dass der Mensch nichts durch eigenen Willen erreichen könne. Das wiederum entspräche sehr dem sogenannten „Tun-Ergehen-Zusammenhangs“, die der evangelische Theologe Klaus Koch 1955 entwickelte. Er bezeichnet die namentlich im Alten Testament anzutreffende Annahme, dass Gott der Garant dafür ist, dass es jenen im diesseitigen Leben gut ergeht, die Gottes Willen tun und jene sich selbst schaden, die ihn nicht tun, sprich: sündigen. Gerade im Alten Testament wird dieses Gut-gehen oder Sich-schaden sehr materiell geschildert, etwa durch die Länge des Lebens, die Zahl der Kinder und die Größe der Viehherden. Und bekanntlich gibt es ja auch die Schule von Johannes Calvin, (eigentlich Jean Cauvin (*1509, †1564)), wonach der Mensch von Gott zu Heil oder Unheil vorbestimmt ist und seine Auserwähltheit durch sein Leben und Wirken beweisen müsse – bzw. (materieller) Erfolg Ausdruck eines gottesfürchtigen Lebens sei. Man muss dem Genfer Reformator zugutehalten, dass er noch keine Ahnung haben konnte, wie viel Geld sich mit Waffenschmuggel, Rauschgift und Menschenhandel verdienen lässt.

Andererseits gibt es aber auch jene, die sehr gottesfürchtig leben, denen es auch gut geht, aber aus dem Nichts kommt auf einmal unerklärlicherweise Unheil über sie. Was ist mit diesen? Fallen diese Menschen dann nicht vom Glauben ab? Natürlich tun sie das, behauptete zumindest der Teufel, der im Gespräch mit Gott behauptete, Gottesfürchtige seien ihrem Herrn nur treu, solange es ihnen gut gehe. Ließe Gott Katastrophen und das Leid Unschuldiger zu, so würden sich diese von ihm abwenden. Daraufhin gestattete Gott dem Teufel, die Probe aufs Exempel zu machen.

Er testete seine These an dem Propheten Hiob. Er hatte zehn Kinder mit seiner Frau, war wohlhabend und lebte mit einem festen Glauben an den biblischen Gott. Doch eines Tages änderte sich alles für Hiob – er wurde von Schicksalsschlägen heimgesucht: Seine Rinder und Knechte wurden erschlagen, seine Schafe verbrannten, und das Haus, in dem seine Kinder sich befanden, stürzte in sich zusammen. Diese Unglücksnachricht, im Volksmund auch besser bekannt als „Hiobsbotschaft“ (nicht: „Hiobs Botschaft“, denn er überbrachte sie nicht, sie wurde ihm überbracht), hatte aber nicht die Konsequenz, die der Teufel vermutete. Im Gegenteil. Seine im Grunde lapidare Antwort „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.“ wurde ebenfalls zum geflügelten Wort.

Reflexion, Besinnung auf das Wesentliche, den Ist-Zustand, aber halt auch Gottvertrauen und Zuversicht bezüglich der Zukunft sind die entscheidenden Faktoren in solchen Momenten. In Hiob 14,7 steht:

Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus.

Nun wissen wir nicht, ob sich unser Coach in der Halbzeitpause dieses Bibelverses bemächtigte, bezweifeln es aber stark, wenngleich seine Worte inhaltlich diesen sehr nahe gewesen sein sollten / müssten.

Selbstverständlich kennst du, geneigte/r Leser/in, die Annahme Nietzsches, wonach es gar nicht mal ’ne super Idee war, nachdem die Büchse der Pandora geöffnet war, diese wieder rechtzeitig insofern zu schließen, als dass man die Hoffnung darin behalten könne, da – so Nietzsche – Hoffnung die größte aller Übel sei, weil sich dadurch der Mensch wieder und wieder quälen lasse, aber man kann es eben auch anders sehen – eben wie im Buch Hiob beschrieben.

Zudem wäre Nietzsches Ansicht gewiss kontraproduktiv, um eine Mannschaft zu motivieren, einen völlig sinnlosen 0:2-Rückstand aufzuholen und in einen Sieg zu wandeln.

Das beginnt schon beim Baum. Ein Wort, viele Bilder: Größe, Alter, Macht, Breite, Weite, Stärke. Alles Assoziationen, die man als Sportler gerne mit sich selbst in Verbindung bringt – bar aller Belege. Gewiss werden auch unsere Spieler ihre Leistung in der 1. Habzeit nicht als Flucht vor dem Feind gesehen haben – und natürlich ist in dem Sinne das Wort „abgehauen“ nicht gemeint – aber sie sahen sich „geschlagen“, mit 0:2 darniederliegen gegen den ersten Absteiger der Saison, einer der erfolglosesten Teams der Bundesliga-Geschichte, gegen das sie sich bereits im Januar blamiert haben. Aber selbst für einen solchen Inbegriff der Stärke gibt es Hoffnung, der er kann „wieder ausschlagen“, also besser nicht physisch – weil dann Platzverweis und so –, aber zurückkehren ins Leben, zu neuem Leben erwachen. Und dann wird das auch Früchte tragen, Erfolg/Ertrag bringen, zu Toren führen. (Ja, das ist ein „Schössling“ – ein Trieb, der aus einem alten Spross/Stamm entsteht, nicht: jemand Hilfloses, der auf eines anderen Schoß sitzt, sonst wäre es ja auch „Schößling“) – und zwar zwangsläufig („bleiben nicht aus“)

Wahrscheinlich sagte er in seiner Gardinen- … äh … Kabinenpredigt eher was in dem Sinne von

„Ihr Volldeppen. Wer seid ihr? Und wer sind die? Die sind abgestiegen! Die sind 2. Liga! Und wir? Liegen Zwei-Null gegen die hinten! Ist das euer Anspruch? Ist das so? Seid das ihr? Sind wir das? Zu doof gegen so eine Mannschaft zu gewinnen? Schon wieder? SEID IHR DENN VÖLLIG SCHEISSE? GEHT JETZT DARAUS UND HAUT DENEN DIE BUDE VOLL! Wenn ihr das Ding nicht dreht, nur zur Erinnerung: Quarantäne-Trainingslager.“

Oder wie auch immer das klang, was er auf der besagten Pressekonferenz meinte mit „brauchte einen Impuls“. Jedenfalls muss es nach 45 Minuten nach der Hiobsbotschaft auf dem Platz Hoeneß’ Botschaft in der Kabine gegeben haben, denn innerhalb der ersten 20 Minuten nach Wiederanpfiff schossen wir nicht nur vier Tore, sondern erwehrten uns gleichzeitig der Angriffe der Schalker, die ja deutlich vernehmbar mit dem Ansinnen aus der Kabine kamen, „den Deckel drauf zu machen“. Zudem wurden die vier Treffer von vier verschiedenen Spielern erzielt, wobei es nicht nur dabei zu einer Premiere kam (Akpogumas Tor), sondern wir sahen auch (gefühlt) die ersten Torschüsse von Samassekou in dieser Spielzeit. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als ob die Mannschaft unbedingt wolle, dass er auch sein Tor mache. Aber dazu kam es nicht mehr, wie auch sonst zu keinem weiteren Tor, was aber in Anbetracht der Ergebniskorrektur niemanden mehr störte.

Schluss

Die Freude war allenthalben sehr groß – vor allem beim Pfarrer. Er meinte, in Anbetracht des Spielverlaufs und auch unserem Gehabe nach 45 bzw. 90 Minuten sowie eben dem Ergebnis und des damit von uns einzulösenden Versprechens wäre wohl der passendste Bibelvers Hiob 14,7:

Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus.

Amen.

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