Werder Bremen vs. 1899 Hoffenheim
Im Schatten des Sieges
Trubel. Jubel. Heiserkeit.
Öd und leer. So wurde die Mannschaft der TSG Hoffenheim nach ihrem letzten Auftritt beschrieben. Und es klang so, als ob das Ende so nah ist wie noch nie.
Aber als TSGläubige sahen wir genau darin auch Hoffnung, denn mit denselben Worten beschreibt die Bibel die Erde an ihrem Beginn. Diese Worte haben also auch das Potenzial zu etwas ganz Wunderbarem.
Und während im 1. Kapitel des 1. Buch Mose die Finsternis auf der Tiefe lag, lag eine tiefe Dunkelheit auf den TSGemütern, die man sich dunkler nicht vorstellen konnte. Doch es gab Licht, es muss rein physikalisch Licht gegeben haben, denn nach weniger als acht Minuten wurde die Dunkelheit noch dunkler und die Finsternis sowie die TSGesichter noch finsterer.
Doch just das machte Hoffnung – sowie das der Weisheit des Volksmundes zugrundeliegenden physikalische Grundwissen „Wo viel Licht, da viel Schatten.“ Da es also dunkler wurde, sind wir nur weiter aus dem Halbschatten, genauer: dem Übergangsschatten in Richtung Kernschatten gerückt.
Und wo es einen Weg hinein gibt, gibt es auch einen Weg hinaus – es sei denn, man ist im Einzugsgebiet eines schwarzen Lochs.
Dummerweise befinde man sich genau da, schien das einhellige TSGefühl zu sein, also zumindest der leuchtendsten Beispiele der Kommentatoren und -torinnen in den (Sozialen) Medien, die aber eher einen Beleg für eine weitere physikalische Weisheit des Volksmundes und der wahre Größe jener Menschen darstellen: „Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.“ Und die Sonne stand tief über der Weser …
Nsoki stand falsch, kam zu spät an den Ball und köpfte ihn statt raus ins eigene Tor.
Ein Freudenfest für Forenfans, die definitiv selbst einen Schatten haben, zumindest über ihrem Frontallappen, dem Teil des menschlichen Gehirns, das zuständig ist für empathisches Empfinden.
Nsoki macht das ja nicht absichtlich. Nsoki wusste ja vor dem Spiel, dass er derjenige war, dem bereits die Schuld an der Niederlage im Hinspiel gegeben wurde, obwohl er, genauer: weil er da nicht mehr auf dem Platz stand, als es die vier Gegentore gab. Sein (wir bleiben dabei: ungerechtfertigter) Platzverweis wurde als ursächlich für die Niederlage im Hinspiel angesehen. Ihm aber sprach der Trainer das Vertrauen aus.
Definiere „Druck“, geneigte/r Leser/in. (Zu „Pascal“ hatten wir ja schon neulich so ziemlich alles gesagt …)
Jetzt also dieser Bock. Nach weniger als acht Minuten. Wer hier kein Mitleid empfindet, hat kein Herz. Schon gar nicht für Hoffenheim.
15.38 Uhr. 0:1 durch das Eigentor Nsokis und natürlich konnte man da an 1. Mose 1 denken („Die Finsternis lag auf der Tiefe …“), aber der Passus geht ja noch weiter: „… und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“
Und während die Sonne so langsam an der Weser unterging und die Welt ums Stadion in Dunkelheit tauchte, wurde diese Dunkelheit im Stadion vom Flutlicht verdrängt – und schon gab es die ersten Lichtblicke der TSG.
Hatten die Gastgeber schon bis dahin eigentlich nicht geglänzt, gingen bei ihnen zwar nicht die Lichter, aber doch immer mehr Zuspiele ins Aus. Dadurch hatten wir immer mehr Ballbesitz, immer mehr Ballkontrolle, immer mehr Spielkontrolle.
Die Mannschaft erspielte sich auch erste Chancen, so dass es immer mehr helle Aufregung in der Gästeabwehr gab. Und auch die Augen der Fans hellten sich auf. Zuerst vergab noch Kramaric eine Riesenchance, dann aber spielte er einen herrlich einfachen Doppelpass mit Stach (wie wir ihm bei seinem Besuch auf unserer Weihnachtsfeier ja anempfahlen), der dann auch einfach abzog, den Ball nicht voll, aber ins Tor traf. Ausgleich.
Kurz vor der Halbzeit ein nahezu identischer Lichtblick, nur war es diesmal ein doppelter Doppelpass zwischen erst Kramaric mit Bischof, dann Becker, der uns ebenfalls im Dezember beehrte und unseren Tipps genau lauschte, mit Bischof, der den Ball noch weniger voll traf, aber der ebenso, wenngleich noch langsamer, seinen Weg ins Netz der Gastgeber fand. Führung. Und keiner jubelte mehr als Nsoki, der den rund vier Gewichtsklassen unter ihm spielenden Torschützen fast zerquetschte vor Freude
Das machte schon ein wenig Hoffnung. Einerseits lagen wir bisher in jedem Spiel unter Ilzer zurück (außer gegen Kiel), andererseits haben wir unter Ilzer kein Spiel verloren, in dem wir führten (Leipzig, Kiel).
Gleich drei Mal wechselte der Trainer der Gastgeber zur Halbzeit, was zeigte, wie zufrieden er mit der Leistung seiner Mannschaft war und was wir in den zweiten 45 Minuten zu erwarten hatten. Jetzt kam es auf die Schattenseite unseres Spiels an: die Abwehr.
Ilzer änderte nichts, aber die TSG ihr Gesicht. Da war nichts mehr „öd und leer“. Jede gelungene Aktion, jede Grätsche, jeder abgewehrte Ball wurde gefeiert – für sich, mit sich und auch den anderen. Da stand zwar die 12. Startelf im 12. Spiel auf dem Platz, aber halt auch eine (!) Mannschaft.
Nsoki war immer noch der unsicherste Spieler in der letzten Reihe, aber er wurde von seinen Mitspielern intensiv unterstützt. Der Defensivverbund auf der linken Seite war deutlich kompakter als rechts, aber das, was Kaderabek und Chaves da ackerten und rackerten, reichte, um die Angriffsbemühungen der Gastgeber in die Mitte zu verlegen, wo wir vielfüßigst alles wegdroschen, was auch nur in Strafraumnähe kam.
Geordnetes Spiel wurde Mangelware, aber man führte – und spürte, dass da heute was gehen könnte, wenn man die Gastgeber nicht würde ins Spiel kommen lassen. Deshalb wurde weiter gepresst. Und gepresst. Und gepresst. Außerdem dauert keine Drangphase ewig. Man muss nur geduldig bleiben und wachsam, und mal das tun, was wir zuletzt wirklich viel zu wenig taten: unsere Chancen nutzen.
Wir taten dies in der 2. Halbzeit mit der zweiten. Scheiterte wenige Minuten zuvor noch Bülter am Torhüter der Hausherren, konnte Orban Kramarics Zuckerflanke platziert neben dem Keeper platzieren. 1:3.
Langsam fingen unsere Augen an zu strahlen und zu leuchten. So schön die Führung auch war, noch war gut eine halbe Stunde zu spielen – und wir wussten aus dem Hinspiel, wie schnell man eine Führung verspielen kann.
Doch mit jeder Minute weniger, die das Spiel noch dauerte, nahmen diese dunklen Gedanken ab. Zwar hatten die Hausherren auch noch so ihre Chancen, aber unsere Mannschaft war diesmal kein Schatten ihrer selbst. Diesmal zeigte sie, dass sie verstand, a) worum es ging, b) den Gegner vom Tor wegzuhalten. Ein Freistoß von der Strafraumkante sowie ein Fernschuss touchierte zwar mal etwas, mal wuchtig die Querstange, aber das tangierte das Ergebnis nicht mehr.
Es blieb beim 3:1-Auswärtssieg, was uns zwar in der Tabelle nicht nach vorne brachte, aber immerhin sind wir nun punktgleich mit dem Tabellen-14. mit sieben Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz. Noch ist es ein weiter Weg aus der Finsternis der Tiefe der Tabelle, aber das Licht am Ende des Tunnels scheint wieder deutlich heller.
Wenn jetzt noch die Forenfans aufhören würden, um den Schatten des Esels zu streiten, wäre noch mehr gewonnen. Aber kann man das von Eseln erwarten?
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