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VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim

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Yeah, mist is coming …

Fehler und Analyse
– und der neue Wert des Fußballs

In Zeiten, in denen Begriffe ihre Bedeutung verlieren, kann es kein Verständnis geben.

Wie im Ingenieurswesen, den Naturwissenschaften, der Medizin, der Juristerei, aber auch Philosophie, Psychologie und Linguistik kommt es auf Präzision an. Das gilt natürlich auch im (Fuß-)Ballspiel, zum Beispiel bei den sogenannten „kalibrierten Linien“.

Alle wissen, was mit diesem Terminus gemeint ist, ohne genau zu wissen, was „Kalibrierung“ ist.

„ein Messprozess zur Feststellung und Dokumentation der Abweichung von Anzeigewerten eines Messgerätes oder einer Maßverkörperung gegenüber denjenigen von einem anderen Gerät oder einer anderen Maßverkörperung, die in diesem Fall als Normal bezeichnet werden.“

Hierzu bedarf es also eines Standards, eines Ausgangswertes, der die Grundlage für das Messverfahren selbst bietet und damit auch für die Abweichung. Im Fußball sind das die Außenseiten der Linien sowie die zum Tor zugewandten Körperteile, mit denen legal ein Tor erzielt werden kann.

Das ist vielleicht sprachlich nicht so einfach zu verstehen, aber wenn man es sieht, versteht man es sofort. Es ist halt auch klar in den Regeln definiert.

Das viel größere Problem stellt das Foulspiel dar.

Auf der offiziellen Seite der Bundesliga liest man:

Wenn ein Spieler einen Gegenspieler durch eine regelwidrige Aktion stoppt, ahndet der Schiedsrichter dies durch einen Pfiff und eine Spielunterbrechung – er „pfeift das Foul“ und die gefoulte Mannschaft darf einen Freistoß ausführen. Die meisten Fouls im Fußball entstehen aus Körperkontakt zwischen zwei Spielern. Das unterscheidet Fouls beim Fußball von Handspielen oder Unsportlichkeiten, die der Schiedsrichter ebenfalls ahndet.

Im Normalfall nimmt der Schiedsrichter auf dem Platz Foulspiele wahr und pfeift sie. Allerdings können sich diese auch in seinem Rücken abspielen, sodass er sie nicht selbst bemerkt. Dann kann ihm einer der Schiedsrichter-Assistenten einen Hinweis geben. In spielentscheidenden Szenen kann auch der Video-Assistent herangezogen werden.

Schwerere Fouls bestraft der Unparteiische in Form einer Gelben Karte. Bei besonders harten Fouls kann er sogar einen Platzverweis in Form einer Roten Karte erteilen. Bei der Beurteilung des Schweregrades eines Fouls kann es ebenfalls zu einer Überprüfung durch den Video-Assistenten kommen, wenn der Schiedsrichter etwas nicht oder falsch gesehen hat.

Einige Beispiele für diese Art von körperlichen Foulspielen sind:

      • Rempeln und Anspringen
      • Treten oder versuchtes Treten nach dem Gegner
      • Beinstellen oder der Versuch, ein Bein zu stellen.
      • Schlagen des Gegners oder der Versuch, den Gegner zu schlagen
      • Stoßen des Gegners
      • Tackling in den Körper des Gegners

Das ist alles andere als präzise, denn diese Passage erinnert doch stark an einsprachige Wörterbücher, die der/die ein/e oder andere von uns in/an der (Hoch-)Schule in Klausuren hat verwenden dürfen, wenn man mal ein Wort nicht verstand. In der Erklärung bzw. Definition des Wortes fanden sich nicht selten viele weitere Worte, die man nicht kannte.

Vage Begriffe in der Passage sind u. a. „Normalfall“, „schwere Fouls“, „einige Beispiele“ und vor allem „kann“, denn ein „kann“ ist kein „muss“ und damit nicht präzise.

Zudem ist mit „spielentscheidender Szene“ vieles gemeint, aber definitiv nicht jede spielentscheidende Szene, denn diese endet nicht zwangsläufig mit der Vergabe eines Tores, Strafstoßes oder Platzverweises. Das könnte auch ein falsch zugeordneter Einwurf, Eckball oder Freistoß sein. Oder auch eine Verwarnung sowie eine Kumulation hiervon.

Im Rugby wird ein Feld-Schiedsrichter von seinem Video-Assistenten kontinuierlich auf solche Fehler hingewiesen. Im Fußball nicht. Zwar gilt sowohl im Fußball als im Rugby jede Szene nach Spielfortsetzung als abgeschlossen, aber das Spiel wird halt bei einer offensichtlichen Fehlentscheidung nicht fortgesetzt.

Ja, wir wissen natürlich, geneigte/r Leser/in, dass es nicht zum guten Ton gehört, die Fehler für das eigene Scheitern und Unvermögen bei anderen zu suchen. Aber wenn man sie dort findet, insbesondere die ursächlichen?

„Analyse“ ist auch so ein Begriff, der heutzutage sehr gerne benutzt wird, meist bar seiner Bedeutung.

Wenn in den Vorschauen zu Ereignissen (Geschehnissen in der Wirtschaft, dem Börsenparkett, dem kommenden Spieltag) dieses Wort benutzt wird, ist größte Vorsicht geboten, denn in diesen Bereichen sind zutreffende Aussagen über in der Zukunft eintreffende Ergebnisse bestenfalls wahrscheinlich (mehr oder weniger), aber niemals sicher, weil nicht präzise. Damit sind diese Verlautbarungen zwar etwas fundierter als die Aussagen in Horoskopen, aber aufgrund ihrer fehlenden Präzision im Detail weit von Sicherheit entfernt, weshalb man sie bestenfalls „Vorschau“ und/oder „Prognose“ nennen kann („Vermutung“, „Annahme“, „Mutmaßung“, „Schätzung“, „im Nebel stochern“ wären genauer 🙂 ), aber niemals „Analyse“

Der gleiche Missbrauch des Begriffs findet aber auch bei Nachbetrachtungen statt. Eine Beschreibung ist keine Analyse. Wenn ein Spieler, Trainer, sonst wer Aussagen zu dem vergangenen Ereignis macht, sind dies, selbst wenn sie eine Wertung enthalten, keine Analyse, sondern bestenfalls ein Kommentar, aber meist nicht mehr als eine Einschätzung, weil es doch hochgradig subjektiv ist. Und selbst, wenn objektive Elemente enthalten sind („Wir sind zwei Mal in Führung gegangen, haben es aber nicht geschafft, das Spiel zu gewinnen.“), ist das nur eine Beschreibung ohne Wert. Eine Analyse sollte aber genau das haben, denn eine …

Analyse (von gr. ἀνάλυσις análysis „Auflösung, Zergliederung“) ist eine systematische Untersuchung, bei der das untersuchte Objekt in seine Bestandteile (Elemente) zerlegt wird. Diese Elemente werden dabei auf der Grundlage von Kriterien erfasst und anschließend geordnet, untersucht und ausgewertet. Insbesondere betrachtet man Beziehungen und Wirkungen (oft: Interdepenzen) zwischen den Elementen.

Nun ist es ja nicht so, dass es im Fußball keine Analysen gäbe. Aber sehr oft sind sie monokausal, was der Komplexität des gespielten Spiels nicht gerecht wird. Die Ursache für den Erfolg bzw. Misserfolg wird dabei meist mit nur einem Parameter in Zusammenhang gebracht, sehr gerne mit Laufleistung, Zweikämpfe oder (!) Ballbesitz.

Neu und sehr belächelt wurde die Packing-Rate, mittels derer die Effektivität von Pässen gemessen wird dergestalt, dass gemessen, genauer: schlicht gezählt wird, wie viele Gegenspieler mit einem Pass in Richtung gegnerischen Tors überspielt wurden.

Wir glauben an einen anderen Wert, um etwas genauer im Nebel zu stochern: den Stocherball.

Als „Stocherball“ werden die regelkonformen Balleroberungen gewertet aus Situationen, in denen Spieler aus den beiden Mannschaften auf engstem Raum um einen sich nicht frei bewegenden Ball kämpfen.

Solche Situationen gibt es in fairen Zweikampfsituationen immer wieder, und unsere These ist: Je größer die Diskrepanz zwischen den Mannschaften bei diesem Wert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Mannschaft das Spiel auch gewinnt. Die Bedeutung der Anzahl gewonnener Stocherbälle liegt allerdings nicht in der Quantität, sondern in der Psychologie. Sie ist Ausdruck des Gewinnenwollens im Kleinen. Und der war bei unserer Mannschaft gestern deutlich zu spüren.

Sie war die gewünschte Einheit, sie spielte gut und dynamischer und strukturierter nach vorne als zuletzt.

Sie kam auch wieder früh zu Chancen und wusste sie diesmal auch durch Beier zu nutzen.

Und bis auf einige Momente in der 30. Minute war das in der ersten Halbzeit ein sehr souveräner Auftritt, wenngleich es an weiteren Großchancen und Toren mangelte.

In der zweiten Halbzeit war die Leistung unserer Mannschaft nicht wesentlich schlechter, nur der Gegner wurde besser, dadurch wiederum wir vorsichtiger, defensiver, aber im Grunde passierte da nichts, weil unsere Defensive konsequent und resolut verteidigte.

„Und was war da beim 1:1?“, mag wer erzürnt fragen?

Dem ging eine gravierende 2-in-1-Fehlenstcheidung voraus. Kabaks Zweikampf war hart, aber fair. Zudem war er eindeutig früher am Ball. Dass er dann noch für dieses Einsteigen verwarnt wurde, war eine weitere Fehleinschätzung des Schiedsrichters und natürlich auch psychische Schwächung unseres Spielers. Eine mit spielentscheidende Szene, aber laut Vorgaben nichts für den Kölner Keller.

Es spricht für die Mannschaft, dass sie sich davon hat wenig beirren lassen und trotz der vielen sieglosen Spiele in der Vergangenheit nun vermehrt nach vorne spielte.

Natürlich hätte sie das auch zuvor machen können, ja: sollen, aber es ist auch verständlich, dass man eben in einer solchen Phase in puncto Punkte lieber versucht, das Spiel zu kontrollieren als den Gegner zu dominieren. Und es gelang uns ja auch, wenngleich mit einigem Dusel in Führung zu gehen – und das ausgerechnet durch den Mann, der in der ersten Halbzeit gefühlt fünfmal so viele Kilometer abriss, als er Ballkontakte hatte. Und das ist kein Qualitätsmerkmal.

Das beste Indiz dafür ist der Deutsche Meister des letzten Jahrzehnts, der in jeder Saison die niedrigste Laufleistung aller Mannschaften hatte.

Es geht um den Ball, und der war drin. Wieder Führung und wieder Ausgleich, weil der Schiedsrichter wieder eine spielentscheidende Fehlentscheidung traf. Er gab nach einem Kontakt Nsokis mit seinem Gegenspieler, der da bereits geköpft hatte, Strafstoß. Natürlich kann ein kleiner Stoß hier unsportlich sein, aber hier lag keiner vor. Da war keine Spannung im Arm, das war gar nichts – und weder für den VAR noch den Feldschiedsrichter ein Anlass zur Überprüfung.

Ausgleich. Ende. Wieder kein Sieg, was sehr schade ist, denn mit einem Dreier wären wir an Freiburg vorbeigezogen. Sind wir nicht. Aber immerhin einen Punkt näher rangekommen. Wie an Frankfurt. Dortmund auch. Fakten.

Natürlich sorgt der erneute Nichtsieg für großen Unmut bei den Forenfans.

Bei uns hingegen sorgte Umut für schon so was wie Begeisterung. Ein junger Kerl, der einen gestandenen Nationalspieler ersetzt und von Minute 1 an vergessen macht, weil er klarer spielte, schneller spielte und nach vorne spielte als Grillitsch.

In dem Spiel war wirklich viel Schönes bei und das Schlimmste war der Schiedsrichter. Wie gesagt, es geht nicht darum, Ausreden zu suchen, sondern Ursachen zu finden – und beiden Gegentoren gingen Fehlentscheidungen voraus. Dass wir vorher mehr Chancen hätten erarbeiten müssen, zumindest: sollen, dass wir die Situation nach dem Freistoß vor dem ersten Gegentor hätten selbst klären müssen, stimmt alles – auch. Sich selbst bzw. die eigene Mannschaft permanent in die Pfanne zu hauen, sorgt nur für (Auf-)Rühre(re)i.

Es war deutlich stärker als zuletzt erkennbar, dass die Mannschaft den Erfolg wollte (woran man bei den Forenfans zweifeln mag), aber natürlich sieht man auch, dass sie noch weit davon entfernt ist, jenen Kipppunkt zu erreichen, von dem unser Cheftrainer nach der letzten Partie sprach – und das ist auch gut so.

Wie bei allen den auch oben genannten Begrifflichkeiten, denn es geht um Präzision, und man könnte meinen, als Mathematiker müsste er sich dessen bewusst sein. Aber er ist kein Muttersprachler, weshalb er durchaus nachvollziehbarerweise meint, verwöhnt vom Deutschen als solches, wo man hochpräzise Begrifflichkeiten schaffen kann wie Hubschauber (ein Gerät, welches durch das Schrauben von Rotorblättern Hub entwickelt), Aktenordner (selbsterklärend) oder „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“ (ebenso), dass die eine lineare Interpolation zum Ausdruck brächte – also ausgehend von einer Veränderung zum Guten innerhalb eines Spiels eine Fortsetzung zum positiven Gewünschten in den zukünftigen Begegnungen. Das ist leider hier nicht der Fall.

Der Kipppunkt ist der Punkt auf der Drehmoment-Drehzahl-Kennlinie einer Asynchronmaschine (ASM), in dem sie ihr maximales Drehmoment, das Kippmoment, entwickelt. Er ist zugleich der höchste Punkt auf der Drehmoment-/Drehzahlkennlinie. Wird die Asynchronmaschine im Betrieb stärker als mit dem Kippmoment motorisch oder generatorisch belastet, dann bleibt sie stehen bzw. dreht durch: sie „kippt um“. Der Kipppunkt liegt im Überlastbereich der Maschine und sollte daher nur kurzzeitig erreicht werden.

Die Schwierigkeiten ergäbe sich für Deutsche, wenn sie aus der korrekten englischen Übersetzung meinten, hier wäre der Punkt erreicht, wo man Trinkgeld geben sollte oder müsse („tipping point“).

Die Maschine geriete als ins Stottern. Un…un…und das wo…wo…wollen wir ja ni…ni…nicht.

Also Vorsicht mit Begrifflichkeiten, auch wenn sie sich gut anhören. Und Vorsicht mit Erklärungen, auch wenn sie sich plausibel anhören. Es geht um Präzision und Details. Auch im Spiel. Und dann klappt es auch besser mit dem Spielverständnis. Und dann geraten auch Trainer und Spieler nicht so ins Stottern, zumal sie nicht die einzigen sind, die falsch entscheiden.

Wir sowieso nicht, also ins Stottern geraten. Dafür stochern wir weiter … mit unseren Erklärungsversuchen … im Nebel. Aber wir haben das Gefühl, dieser lichtet sich ein wenig, also weg vom fog[1] hin zum mist.[2]

Bleiben wir also sachlich, der TSG gewogen und positiv.

Punkt!


 

[1] The term “fog” is used when microscopic droplets reduce horizontal visibility at the Earth’s surface to less than 1 km.
[2] The term “mist” is used when the droplets do not reduce horizontal visibility to less than 1 km.

Auf gut deutsch: „Waschküche“ bzw. „Dunst“.

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