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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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SV Werder Bremen vs. 1899 Hoffenheim

Die eigene Kultur.
Das eigene Schicksal.

Wissen hat Herkunft.
Glauben hat Zukunft.

Es gehört zu den Unglaublich-, zumindest Seltsamkeiten unserer Zeit, dass wir insbesondere in puncto Kultur über nahezu alles Bescheid wissen, nur nicht über uns. Nehmen wir als großes Beispiel gestern.

Gestern war Palmsonntag. Vielleicht wusste das sogar wer, aber kaum wer weiß, was das heißt, welche Bedeutung dieser Tag in der christlichen Kultur und Tradition hat. Nun ist das nicht zwingend nötig, dies zu wissen, aber interessant ist es schon, dass vor rund einer Woche alle möglichen Medien, aber auch staatliche Repräsentanten und -onkels sich zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan geäußert haben. Dagegen ist selbstverständlich nichts einzuwenden, aber es deucht befremdlich, dass es in der Intensität keine Erläuterungen, aufmunternde Worte, Bitten um Nachsicht und Toleranz für die gläubigen und praktizierenden Christen in unserer Gesellschaft gab, als deren Fastenzeit begann. Das war an Aschermittwoch.

Das ist nicht zuletzt auch deshalb interessant, weil es ja gerade in den Staaten, in denen das Christentum die prägende Religion der Gesellschaft ist bzw., wenn man den Atheismus hinzuzählt, in immer mehr Staaten war, keinen Mangel an Forderungen nach mehr und mehr Verzicht gibt. Doch es hat den Anschein, als ob dieses Phasen der Einkehr, der Rückbesinnung, des Weniger zwar auf jeden Fall beibehalten oder gar ausgebaut, aber auf gar keinen Fall in Verbindung mit Religion gebracht werden sollen, weshalb man hierfür dann Modebegriffe, „Trends“ erfindet wie den „Dry January“, wo es darum geht, 31 Tage lang keinen Alkohol zu konsumieren.

Nun ist bekannt, dass es dieses Verbot in der Fastenzeit gar nicht gibt, schließlich ist die Fastenzeit auch bekannt als die fünfte Jahreszeit, in der sogar ein besonders „gehaltvolles“ Bier gebraut und ausgeschenkt wird und eben nur in der Zeit. Warum?

Damit wären wir wieder bei der Einleitung. Ist es nicht interessant, dass man das nicht weiß?

Denn ganz so einfach ist die Erklärung im Gegensatz zu Maultaschen nicht. Hier ist ja schon ihr umgangssprachlicher Name Hinweis auf die Grundidee des Ganzen: Herrgottsbscheißerle.

Was auch viele vielleicht nicht wissen, ist, dass es kein generelles Verbot des Fleischverzehrs während der Fastenzeit gibt. Was untersagt ist, ist der Verzehr des Fleisches von Warmblütern. Fisch geht also. Und Schlange. Und Heuschrecke. Pferdefleisch ist nicht gestattet – auch das von sogenannten Kaltblütern, denn das ist „nur“ eine Rassenbezeichnung. Alle Pferde sind gleichwarme Tiere.

Ob nun Pferde- oder Schweine-, Rind- oder anderes Fleisch, der Legende nach haben Zisterziensermönche des Klosters Maulbronn (deswegen auch der Name „Maul“-Tasche) während der Fastenzeit als erstes die Fleischfüllung unter Teig verborgen, um den Herrgott nicht zu verärgern.

Es gibt aber auch eine protestantische Mär, die der Waldenser. In der Maulbronner Region gab es einige Waldenserorte – und die dort lebenden Waldenser, als protestantische Glaubensflüchtlinge aus Norditalien, sollten sie als ihre Variante italienischer Teigwaren wie Ravioli und Tortellini dort eingeführt haben. Demnach wären die typischen schwäbischen Maultaschen eigentlich italienisch.

Das würde dazu passen, dass Bockbier entgegen der weit- und vor allem bundeslandläufigen Erzählung nicht bayerischen Ursprungs ist. Es kommt ursprünglich aus der Stadt Einbeck in Niedersachsen. Das „ainpöckisch Bier“ mundete aber den Bayern so gut, dass Herzog Wilhelm V. im 16. Jahrhundert von seinen Braumeistern verlangte, eigene Starkbierrezepturen zu entwickeln.

Im 17. Jahrhundert kamen den bayrischen Mönchen allerdings Zweifel, ob auf dieses Getränk ebenfalls der alte Leitsatz der katholischen Kirche „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ zutrifft. Deshalb schickten sie ein Fass des Bieres nach Rom, damit der Papst probiere und entscheide. Auf der wochenlangen Reise wurde das Bier kräftig durchgeschüttelt, alpiner Eiseskälte und italienischer Sonne ausgesetzt. Darum erreichte ein völlig verdorbenes Gebräu den Heiligen Vater. Nachdem er probiert hatte, lobte der Papst die Leidensfähigkeit seiner bayerischen Brüder und gab das Starkbier als Fastentrunk frei.

All das MUSS man nicht wissen, aber man sollte es wissen, weil es nun einmal zur eigenen Tradition und Geschichte gehört – und dazu zählt auch der Esel.

Auf einem solchen ritt Jesus nach Jerusalem. Als „König der Juden“ – und zum Zeichen seines Königtums jubelte das Volk ihm zu und streute Palmzweige auf seinen Weg, die von alters her als Sinnbild des Lebens und des Sieges galten, in Israel insbesondere auch das Symbol für die Unabhängigkeit und den siegreichen König – und der ritt aber nicht ein mit pompösem Gespann und Fanfarenbegleitung, sondern eben auf einem einfachen Esel, dem Reittier der Armen, was nach Ansicht von Papst Benedikt XVI. besonders das Wesen Jesu deutlich mache: „ein armer König, einer, der nicht durch politische und militärische Macht herrscht. Sein innerstes Wesen ist Demut, Sanftmut Gott und den Menschen gegenüber“.

Dieser neutestamentarische Wesenzug ist ganz wesentlich für unsere Kultur einer bisweilen bis fast zur völligen Selbstaufgabe reichenden Bescheidenheit und Zurückhaltung.

Das muss man weder gutheißen noch mögen, aber wissen … würde nichts schaden.

Gestern also begann die Karwoche (bzw. Stille Woche bei den Protestanten). Die letzte Woche der Fastenzeit, die 39 Tage zuvor an Aschermittwoch begann – und eigentlich müsste jetzt jedem mit auch nur einem Hauch Halbwissen ein großes Fragezeichen aufgehen, denn soll die Fastenzeit nicht die 40 Tage symbolisieren, die Jesus in der Wüste darbte?

Wenn aber jetzt schon 39 Tage rum sind, aber noch sieben Tage ausstehen, dann sind es ja keine 40, sondern 46 Tage Fastenzeit. Wie passt das zusammen?

Nun, es kamen einmal ganz viele katholische Gelehrte zusammen, die waren der Meinung, dass die Tage des Herrn sankrosankt seien, also reine Feiertage sind und bleiben sollten und damit verschont von allen Restriktionen. Daher nahm man die Sonntage aus diesem Zeitraum raus und setzte sie sozusagen vor die normalen 40 Tage. Zwingli und seine Schweizer machten das nicht mit, weshalb die „Basler Fasnet“ auch eine Woche später stattfindet. Alles ganz logisch. Wenn man es denn weiß …

Wie gesagt: Man muss es nicht wissen, aber man sollte es, denn es zeigt doch, dass unsere Kultur nicht nur auf totaler Selbstaufgabe, sondern auch rationalem Pragmatismus fußt – und Letzteres ist eigentlich der beste Schutz vor Fundamentalismus – vorausgesetzt alle Seiten haben ihre Herkunft verinnerlicht und sind nichtsdestotrotz allem Rationalen zugänglich.

Die TSG 1899 Hoffenheim basiert auf Liebe eines Ex-Spielers zu seinem Heimatverein.

Man sollte diese Geschichte immer und immer wieder erzählen. Wie die Geschichte von Gottes Sohn, der in einer jämmerlichen Krippe auf die Welt kam, und als Friedenskönig auf einem Esel Einzug hielt.

Er vernahm den Abstieg (der 1. Mannschaft) und entschied den Einstieg (finanzieller Art). Trainingsmöglichkeiten wurden verbessert – und hierbei zuvörderst die Trainingsbedingungen. Das steigerte sich dann. Langsam. Und es wurde strukturiert. Langsam. Und aufgebaut. Richtig.

Was groß werden soll, muss tragfähig sein. Was tragfähig sein soll, braucht vor allem ein entsprechendes Fundament. Und das war bei uns immer die Jugendarbeit. Allerdings dauerte es auch da, bis man sich seitens der TSG daran machte, hier nicht weiter der gute Zuarbeiter aus dem Kraichgau zu sein, sondern selbstbewusst aufzutreten und selbst Titel gewinnen zu wollen. Dazu musste man aber sicherstellen, dass die Jugendspieler nicht zu den damals größeren Vereinen wie Stuttgarter Kickers, Karlsruher SC, Waldhof Mannheim etc. wechselten, sondern blieben und dazu brauchte es eine entsprechende Motivation – und die kam in Form der 1. Mannschaft, die sich irgendwann anmachte, 1. Liga zu spielen. Und die Motivation gelang: Im selben Jahr, wie Ralf Rangnick mit den Senioren auch der Durchmarsch aus der 3. in die 1. Liga gelang, gelang der TSG der Gewinn des ersten nationalen Titels:

  • 2007/08 Deutscher Meister (B-Jugend
    – nach einem 6:4 gegen Borussia Dortmund mit Spielern wie Manuel Gulde, Robin Szarka, Pascal Groß und Marco Terrazzino.
  • 2011/12: Süddeutscher Meister (C-Jugend)
  • 2012/13: Süddeutscher Meister (C-Jugend)
  • 2013/14: Deutscher Meister (A-Jugend)
    – nach einem 5:0 über Hannover 96 mit einem Marvin Schwäbe im Tor und Spielern wie Nicolai Rapp, Philipp Ochs, Baris Atik, Benedikt Gimber, Joshua Mees Nadiem Amiri und Grischa Prömel unter der Federführung eines gewissen Julian Nagelsmann.
  • 2014/15: Süddeutscher Meister (A-Jugend)
  • 2015/16: Süddeutscher Meister (A-Jugend & C-Jugend)
  • 2017/18: Süddeutscher Meister (A-Jugend & C-Jugend)
  • 2021/22: Süddeutscher Meister (B-Jugend)
    – und die Geschichte fand gestern ihre gelungene Fortsetzung.

Mit 4:3 besiegte unsere U17 die des Nordost-Meisters vom VfL Wolfsburg  – und das auf einem Niveau, das uns wirklich hoffen lassen kann. In einer insgesamt hervorragenden Mannschaft taten sich insbesondere Leonard Krasniqi und Tiago Poller hervor. Natürlich muss der Doppeltorschütze Manuel Fass erwähnt werden, aber er vollendete nur, was die anderen beiden durch eine wahrlich beeindruckende Ballsicherheit und Präzision im Lauf- und Passspiel aufgebaut haben.

Nach gerademal 30 Minuten stand es schon 3:0 für die TSG, was vor allem ihrer beeindruckenden Effektivität geschuldet war. Ansonsten war schon erkennbar, warum der Nachwuchs der Wölfe als Favorit in die Partie gingen. Allein was sie phänotypisch aufboten, zwang einen immer wieder sich zu sagen: U17. Gerade deren Mittelstürmer hatte mehr was von einem Urukai als von einem Teenager. Sein bulliger Einsatz sorgte dann auch für den Anschlusstreffer und eine Ecke dann für den Halbzeitstand von 3:2.

In der 2. Hälfte drückten die Gäste und kamen leider recht früh und leicht zum nicht unverdienten Ausgleich. Danach aber schien sich die TSG wieder gefangen zu haben oder die Gäste ließen nach, jedenfalls nivellierte sich das Spiel, ohne jedoch abzufallen. Beide Teams lauerten auf ihre Chancen – und wir nutzten das eine Geschenk, das uns deren Abwehr machte. Ein Verteidiger drosch über einen Abstoß unseres Keepers. Dadurch konnte dann Krasniqi allein auf den Gästekeeper zulaufen. Der rutsche auch noch kurz aus, Krsaniqi nicht. Er behielt Stand und Überblick und seine Nerven im Griff.

Der Sieg war nicht hyperverdient. Aber unverdient war er auch nicht. Es war einfach ein Sieg, der zwar nichts entschied, aber viel Anlass zur Hoffnung gibt für das Rückspiel – und Abendspiel.

Und bleiben wir ehrlich: So sehr man sich für die TSG gefreut hat, so egal war es einem letztlich auch, schließlich verließ man recht entspannt das Stadion – und das trotz eines 3:3 nach einer 3:0-Führung, um letzten Endes dann noch 4:3 zu gewinnen. Eigentlich sind das ja genau die Zutaten, die es braucht, um einen Defibrillator zu brauchen.

Ja, es war Palmsonntag. Ja, es ist der Beginn der Karwoche. Aber dieses Kar steht für „Klage“, „Kummer“, „Trauer“ (von althochdeutsch: kara). Legt man aber so einen Spielverlauf zugrunde, steht es eher für Kardiologie – und wir alle wissen heute, es wurde noch schlimmer, was das Kardiologische angeht, und es blieb karfrei, weil diverse Eseleien ohne Folgen blieben.

Die erste Eselei war das Foul Baumgartners, das ihm die orangene Karte einbrachte. Dies machte seine Auswechslung dringend erforderlich. Delaney war die nächste Eselei, denn der Mann brachte gar nichts, nicht einmal Ruhe ins die Kontrolle verlierende Rudel.

Bis dahin spielte unsere Elf erstaunlich cool und abgeklärt mit überraschend wenig Fehlern. Sie fand den sehr feinen Grad zwischen kontrolliert und strukturiert, giftig, aber nicht toxisch, dynamisch, aber nicht wild. Auch die Tempi sowie die Tempowechsel passten. Es wirkte alles überlegt, nichts überhastet, null überlegen, aber sehr überzeugt von der eigenen Idee. Im Grunde ein wenig an Union Berlin, deren Spiel ja insgesamt auch mehr von Patience denn Élégance geprägt ist – und Erfolg.

Und so stand es zu dem oben genannten Zeitpunkt auch bereits 2:0 für unser Team, weil es a) geduldig auf seine Chance wartete und diese nutzte – einmal von links und einmal von rechts – und b) das tat, was wir immer fordern, tief in Richtung Grundlinie gehen und von da – und nicht aus dem Halbfeld – flanken. Dann klappt es nämlich auch mal mit einer Flanke von Angelino. Drei Minuten später tat es Kaderabek auf der anderen Seite gleich und am Ende standen in der Statistik unter TSG-Schüsse aufs Tor: 2 – wen kümmert’s, dass es Kopfbälle, solange diese, wie diesmal endlich mal auch drin waren – und insofern folgenlos blieben, als dass es unseren Spielern mit Cleverness gelang, die Hausherren weiter weg von unserem Tor zu halten.

Das ging gut, bis Baumgartner ausgewechselt werden musste. Parallel dazu nahm Matarazzo auch Becker vom Feld – und vorbei war es mit jedweder Entlastung. Asllani und Delaney konnten die beiden null kompensieren, wobei vor allem die Ballverluste Delaneys die Werderaner aufbauten. Mit ein wenig Glück kamen sie dann folgerichtig zum Anschlusstor.

Man kann unseren Trainer nicht genug dafür loben, den Mut zu haben, Delaney nach rund einer Viertelstunde für die letzte Viertelstunde wieder vom Platz zu nehmen.

Stiller störte da schon wesentlich besser, was immerhin die Intensität etwas reduzierte und auch uns mal wieder die Gelegenheiten zur Entlastung gab. Diese nutzten wir aber erst, nachdem die Hausherren ihre beste Chance zum Ausgleich ich nutzten und der Ball am Pfosten landete. Das war einfach ausgleichende Gerechtigkeit dafür, dass der Anschlusstreffer nur fiel, weil der Kopfball unglücklich von Brooks abgefälscht wurde.

Dann war die Nachspielzeit rum. Eigentlich. Werder am Ball, am Sechzehner, im Sechzehner, kurz vorm Sechzehner, Schuss, Kabak, Hand, Elfmeter. Natürlich. Ein Pfiff im Stadion. Ein Schrei im Wohnzimmer. Ein leerer Blick an die Stuckdecke. Was für eine Eselei. Wohl dem, der nur 15 Minuten von der Kardiologie entfernt wohnt. Und, naja, noch ist es ja nicht drin. Autosuggestion setzt ein. „Abseits!“ dringt ans Ohr.

Abseits? Wo, bitte schön war da Abseits?

Da. Da. Da. Hyperdeutlich.

Handy pingt.
Handy pingt.
„Kar…..l, mei Drobbe“, poppt per WhatsApp auf. Zweimal. Zwei unterschiedliche Absender.

Und endlich erfährt es auch der Schiedsrichter.

Freistoß TSG.
Langholz TSG.
Eckfahne jwd.
Schlusspfiff.

Außer diesem Sieg haben wir gar nichts gewonnen. Aber immerhin das. Noch ein Sieg nächste Woche und wir können so langsam an Ostern glauben – und wenn man sich diesen Ursprung anschaut, sollte man die Zeit nutzen, sich mit einem Kardiologen anzufreunden, denn bis zum 4. Jahrhundert wurde Ostern in der Nacht vor dem Ostersonntag gefeiert – als Einheit von πάθη und ἀνάσταση

Leiden und Auferstehung.

 

 

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