FC Porto vs. 1899 Hoffenheim
Gar nicht mal so Fado
Die Last der Musik
Wenn es etwas gibt, was alle Menschen eint, dann ist es die Musik. Denkt man so – und SCHWUPPS – denkt man falsch.
Denn zumindest einige radikale Muslime sehen in der Musik und in Tanz und Gesang „zerstreuende Unterhaltung“, die die Menschen Allahs Weg ohne richtiges Wissen in die Irre führen – und damit sei sie nur zu ganz besonderen Anlässen erlaubt. Außer Frauen, zumindest in der Öffentlichkeit, zumindest in Afghanistan, wo die Taliban im August dieses Jahres ein Gesetz, genauer: ein Tugendgesetz erließen, welches Frauen das Singen oder Rezitieren eben da verbietet, schließlich sei die Stimme einer Frau intim. Verona Pooth, geb. Feldbusch? Heidi Klum? Intim?
Aber da sieht man mal, wie einen die Erziehung, die Kultur prägen kann. In Deutschland wird gern und viel gesungen, nicht zuletzt eingedenk des Sprichworts „Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Unserer Überzeugung, genauer: kulturellen Prägung nach ist singen von seinem Ursprung her auf das soziale Miteinander angelegt.
Nun könnte man daraus ableiten, dass Techno deshalb in Deutschland so beliebt ist, weil darin nicht gesungen wird. Andererseits: Ballermann. Hier fokussiert sich die Musik am Dur und Bumms – Bumms – Bumms – Bumms im 4/4-Takt.
Wie anders ist „der Portugiese“? Er liebt seinen Fado.
Dieser Stil (abgeleitet von lat. fatum („Schicksal“) ist der Blues der iberischen Halbinsel. Meist geht es in diesen (Klage-)Liedern um unglückliche Lieben, soziale Missstände, vergangene oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten, kurz: saudade („Weltschmerz“).
Der Fado enthält unter anderem arabische Elemente, viele Tonhöhensprünge und bevorzugt Mollmelodien, was ja zu den traurigen Inhalten passt.
Nun gibt es in Deutschland ja wahrlich keinen Mangel an Wehklagen, aber wenn diese in Musik gegossen werden, dann hört sich das nicht selten ganz anders an. Man nehme nur als Beispiel so großartige Hits wie:
oder
und wohl die größte Diskrepanz zwischen Musik und Motiv (Thema, Text) gibt es hier zu hören:
Hören wir so schlecht (zu)?
Oder ist es nicht irgendwie auch sinnbildlich für vieles in Deutschland, dass die Form und nicht der Inhalt das Gefühl bestimmt? Schlagertextexegese ist ein herrlicher Zeitvertreib.
Wie so ganz arg anders klingt doch das:
Da weiß man vom ersten Ton an, wohin die Reise geht – zumindest rein gefühlsmäßig. Kein Wunder, gibt es keinen einzigen Fußball-Chant auf Basis dieser Melodeien – und das, obwohl es hierfür genug Anlässe und Erfahrungen gäbe.
Nach unserem zweiten Auswärtsspiel in der diesjährigen Europokal-Saison sind wir reicher an Erfahrung. Und Porto zählt auch nicht zu den Hochburgen des Fado.
Aber des Fußballs. Gerade der FC Porto gehört schon zu den ganz großen Adressen in Europa:
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- zweimaliger Weltpokalsieger
- zweimaliger Sieger des Landesmeisterpokals / Champions League
– zuletzt 2004 unter der Leitung eines gewissen José Mourinho - zweimaliger Sieger des UEFA-Pokals / UEFA Europa League
- einmaliger Sieger des UEFA Supercups
- 30-facher Landesmeister
- 20-facher Landespokalsieger
- 24-facher Sieger des portugiesischen Supercups
- mit sieben Siegen und nur einer Niederlage aktuellem Tabellen-2.
Und dafür hat es unsere junge Mannschaft extrem gut gemacht. Natürlich ist man etwas niedergeschlagen nach der 2:0 Niederlage, aber man darf ja nicht vergessen, dass wir vor gerade mal rund zwei Monaten mit sehr viel Glück nur gegen den FV Würzburg im DFB-Pokal weitergekommen sind.
Ja, es wäre mehr drin gewesen, viel mehr drin, wäre mal der Ball drin gewesen, aber war er nicht. Leider konnten wir unsere sehr guten Chancen vor allem in der ersten Halbzeit nicht nutzen.
Aber insgesamt war das Spiel unserer Mannschaft sehr sehr gut anzuschauen. Wir haben das auswärts bei diesem Gegner extrem gut gemacht. Wir kontrollierten das Spiel. Wir liefen nicht Gefahr, in Konter zu laufen. Pellegrino Materazzo scheint die Grundidee der Portugiesen sehr gut antizipiert zu haben: bloß keine Umschaltsituationen kreieren und das haben wir eigentlich 90 Minuten lang auch geschafft.
Die Mannschaft hat wirklich gut gespielt, aber sich halt zweimal auch etwas dumm angestellt. Obwohl, war der 1:0 Rückstand mit dem Halbzeitpfiff wirklich die Dummheit unseres Teams? Ja, Nsocki grätschte robust in seinen Gegner, aber das war nach unserer Inaugenscheinnahme weder ein Foul und schon gar keine gelbe Karte. Aber unsere Meinung zählt ja hier schon nichts, warum dann auf dem Feld?
Bruun Larsen war es, der die besten Chancen hat liegen lassen. Das soll nun kein Vorwurf sein, vielmehr ein Ausdruck für die Breite unseres Kaders. Nicht Kramaric war es, der die Großchancen hatte, oder Hlozek, sondern der Däne, der zweimal hätte einnetzen können. Interessanterweise immer dann, wenn es bei uns schnell wurde. Und das war vielleicht das große Manko, wo wir uns vielleicht doch von der klassischen portugiesischen Musik und ihrer Getragenheit haben anstecken lassen.
Insbesondere Grillitsch nahm leider immer und immer wieder das Tempo raus, woraufhin zumindest im Fanblock das große Wehklagen begann. It tales two to tango, sagt man im Englischen, und auch für einen Walzer braucht es zwei, die, vor allem wenn er auch anmutig daher kommen soll , zwei, die die Fläche mit großen Schritten und eleganten Schritten bespielen. Doch weder er noch sein nummerisches Doppel Prass taten das. Der Fado ist kein Tanz. Und der Freistoß war ein (schlechter) Witz.
In der zweiten Halbzeit behielten wir unser Konzept bei. Mehr noch, wir passten das unsere dem der Portugiesen an. Ging in der ersten Halbzeit schon sehr wenig über die Flügel, insbesondere rechts wurde völlig vernachlässigt, schlief in der zweiten Halbzeit unser Flügelspiel komplett ein.
Es gelang uns fast gar nicht mehr, „hinter die Kette“ zu kommen. Einmal Nsoki (!), der sich an der Torauslinie vor dem gegnerischen Tor hat wunderbar durchsetzen können, das war’s. Und dann gelang den Portugiesen doch noch ihr erhoffter Konter. 2:0. Das war’s.
Sch…ade.
Matarazzo brachte zwar noch viele neue Spieler, inkl. Berisha, aber die Portugiesen das Spiel sehr souverän über die Zeit … Unsere erste Niederlage im diesjährigen Europapokal, aber eine, die Mut macht: Wer hätte das in unserem ersten Pokalspiel dieser Saison (s.o.) gedacht, dass wir auf der iberischen Halbinsel so cool und abgeklärt auftreten würden. Da gab es ebenda andere deutsche Teams, bei denen es ganz anders aussah und schlimmer endete.
Also grämen wir uns nicht ob des Ergebnisses, sondern erfreuen uns an dem Auftritt, der zwar an der ein oder anderen Stelle hätte mehr Würze gebrauchen können, aber alles andere als fado war.
Also wir kamen auf den Geschmack. Und freuen uns auf deftige Hausmannskost am Sonntagabend.
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