Die Stiefmutter aller Pressekonferenzen
Vorlage.
Alles eine Frage der Verwandlung.
Pressesprecher des Vereins:
Guten Tag, liebe Medienvertreter. Vielen Dank für Ihr zahlreiches Erscheinen zu unserer heutigen Pressekonferenz vor dem Spiel Heimverein gegen Vereinsname des nächsten Gegners. Auch heute begrüßen wir hier wieder unseren Cheftrainer Vorname Name, der Ihnen gerne Ihre fachkundigen Fragen beantwortet. Vorab aber, lieber Vorname, deine Eindrücke vom Training mit der Mannschaft in der letzten Woche.
Cheftrainer:
Ja, auch von mir Danke fürs Kommen. Es war, wie es war. Und was wird, sehen wir am Wochentag. Auf Wiedersehen.
Wir wissen, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen und wir deshalb vor allem eines brauchen: Punkte. Deshalb haben wir diese Woche auch sehr intensiv in allen Mannschaftsteilen trainiert. Das hat sehr gut funktioniert. Die Jungs waren sehr engagiert und motiviert bei der Sache, so dass wir sehr zuversichtlich in die Partie am Wochentag gehen.
Natürlich wissen wir, dass es gegen Stadt des nächsten Gegners kein Selbstläufer wird. Sie werden versuchen, uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Dennoch werden wir natürlich versuchen, uns nicht vom Gegner sein Spiel aufdrängen zu lassen, sondern uns vor allem auf unser Spiel und unsere Stärken zu konzentrieren, so dass es im Idealfall dem Gegner schwer fällt, in seinen Rhythmus zu kommen, denn dann wird es natürlich besonders schwer für uns, zu punkten, aber genau das wollen wir, dafür haben wir hart und intensiv gearbeitet.
Generell können wir bis auf Spielernachname 1, Spielernachname 2 etc. aus dem Vollen schöpfen. Spielername … ist a) verletzt, b) krank, c) gesperrt, Spielername … ist leicht angeschlagen, a) hinter ihm steht noch ein Fragezeichen, b) aber wir denken, dass wir ihn bis zum Wochentag wieder hinkriegen.
Das Schwerste für mich zur Zeit ist es, die richtigen elf Spieler zu finden, die am Wochentag auf dem Platz stehen werden, denn, wie gesagt, alle Spieler haben sehr gut trainiert und hätten es verdient, von Anpfiff an auf dem Platz zu stehen.
Wer das sein wird, kann ich Ihnen aber heute leider noch nicht sagen. Wenn es Veränderungen zu der Partie am letzten Wochentag geben sollte, entscheidet sich das auch erst nach den letzten Trainingseinheiten, zumal es ja immer noch sein kann, dass sich ein Spieler verletzt oder erkrankt.
Wir sind jedenfalls sehr gut vorbereitet und denken, dass wir wissen, wo unsere Stärken sind und dass wir, wenn wir uns darauf konzentrieren, auf jeden Fall die Chance haben, zu punkten. Und genau das wollen wir auch. Wenn es dabei auch noch ein schönes Spiel wird, umso besser, aber vorrangig geht es uns ums Punkten, was nicht heißt, dass wir auf Abwarten spielen wollen.
Aber ein Spiel dauert 90 Minuten plus Nachspielzeit, da muss man auch mal geduldig sein. Gerade der letzte Spieltag hat ja wieder gezeigt, was in den letzten Minuten in einem Fußballspiel alles passieren kann. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht die Anfangsphase verschlafen, sondern müssen von Anfang an gegen den Gegner hellwach und auch eiskalt sein, was die Chancenverwertung angeht.
Je früher wir ein Tor erzielen, desto besser ist das natürlich für die Jungs, weil es mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit gibt und wir dann den Gegner eher kommen lassen könnten, doch genauso gut müssen wir darauf vorbereitet sein, dass wir früh in Rückstand geraten, weshalb man nicht in Panik geraten darf.
Aber all das haben wir in der Woche besprochen und wir denken, dass wir aus unseren Fehlern der letzten Spiele unsere Lehren gezogen haben, so dass wir am Wochentag sehr zuversichtlich in die Partie gegen Stadt des nächsten Gegners gehen.
Pressesprecher des Vereins:
Vielen Dank, Vorname. Jetzt können Sie sich wieder in ihre wohltemperierten Redaktionsstuben verdrücken und Vorname draußen im Freien mit dem Training weitermachen, denn schließlich ist alles gesagt. Wozu also noch Ihre Fragen stellen. Bitte …
Der Ich-frag-halt-mal-was-Journalist:
Was genau hat Spielername 1?
Cheftrainer:
Keine Ahnung. Das Weichei hat irgendwo ein Zipperlein. Bei ihm haben die Ärzte eine a) leichte, b) schwere Blessur im Bereich der anatomisches Fachwort festgestellt. Wir sind daher a) aber zuversichtlich, b) skeptisch, dass das alles Zeitspanne angeben behoben sein wird.
Der Mir-fällt-nichts-ein-gebe-mich-aber-gerne-kritisch-Journalist:
Woran haben Sie denn in der Woche besonders trainiert? Schließlich lief in der letzten Partie ja auch nicht alles rund.
Cheftrainer:
Du weißt schon, dass wir da nicht alleine auf dem Platz waren? In der Videoanalyse haben wir uns genau diese Szenen noch einmal angeschaut und gemeinsam mit der Mannschaft besprochen, was man in der ein oder anderen Situation sowohl defensiv als auch offensiv hätte besser machen können. Das betraf insbesondere 1:1-Situationen, aber auch Passspiel und Laufwege sowie die Standards.
Der Mir-fällt-nichts-ein-gebe-mich-aber-gerne-objektiv-Journalist:
Was sagen Sie denn zur bisherigen Leistung von Stadt des nächsten Gegners?
Cheftrainer:
Ist mir soo egal. Man sieht, dass Stadt des nächsten Gegners …
(falls auf Tabellenplatz 1-6) … zu Recht da oben steht.
(falls auf Tabellenplatz 7-12) … das Potenzial hat, oben mitzumischen.
(falls auf Tabellenplatz 13-18) … da unten nicht hingehört.
Der Ich-gebe-mir-den-Nimbus-des-Empathisch-Interessierten-Journalist:
Wie genau kann man sich denn gegen so einen Gegner wie Artikel Vereinsname des nächsten Gegners vorbereiten?
Cheftrainer:
Lass das mal unsere Sorge sein, Schreiberling. Glaubst du, wir sind doof, oder was? Wir beobachten den Verein ja Woche für Woche. Von daher verlassen wir uns nicht nur auf die Eindrücke vom letzten Wochenende und denken, dass wir eine ganz gute Vorstellung von dem haben, was uns da am Wochentag erwartet. (Pause) Aber wirklich wissen tut man das natürlich nie. (LÄCHELN!!!)
Der Ich-bin-neu-hier-und-will-es-mir-mit-niemandem-verscherzen-Praktikant:
Wären Sie mit einem Punkt zufrieden?
Cheftrainer:
Zufrieden wäre ich, wenn ich mir nicht jede Woche diesen Quatsch an immer gleichen Fragen anhören müsste. Unser Ziel sind natürlich 3. Und dafür werden wir alles tun.
Der Ich-interessiere-mich-null-für-Fußball-Journalist:
In der vergangenen Woche wurde in der Presse berichtet, dass XXXXX XXXXX gemacht habe. Wie haben Sie darauf reagiert?
Cheftrainer:
Geht dich einen Scheißdreck an. a) Ich habe davon nichts mitbekommen. b) Wir haben das intern geklärt. Die Sache ist vom Tisch. c) Das sind junge Spieler, die machen so was. Das darf man alles nicht überbewerten. + Wichtig ist, dass er sich wie jeder andere Spieler auch voll in den Dienst der Mannschaft stellt – und das tut er auch.
Der Ich-finde-zwar-Beckmann-furchtbar-aber-mache-es-genauso-Journalist:
Da möchte ich gleich mal einhaken: Ist wirklich so? Natürlich es sind junge Menschen, sehr junge Menschen, die sehr viel Geld verdienen. Dennoch sind sie, gerade zum Beispiel XXXXXX, auch sehr weit weg von ihrer Heimat, eine andere Sprache, eine andere Kultur. Stichwort: Integration. Geld kann menschliche Nähe nicht ersetzen und doch ist dieses Bedürfnis da, weil es menschlich ist. Andererseits sind da die Anforderungen des Berufs selbst, des Arbeitsgebers. Sie zahlen ihm ja gutes Geld, weil Sie gute Leistung sehen wollen. Das sind die Regeln im Fußball. Das ist klar. Aber oft ist doch aber auch oft eine Sache der Psyche.
Cheftrainer:
Da hört sich aber einer gerne reden. Komm‘ zum Punkt, Junge. (Räuspern)
Selbiger:
Stellt sich da nicht die Frage, …
Cheftrainer:
Nein.
Selbiger:
…, ob man hier nicht mal einen ganz anderen Weg gehen sollte? Ich denke da zum Beispiel an …
Pressesprecher des Vereins:
Vorname?
Cheftrainer:
Bei uns sind alle Spieler bestens in der Mannschaft integriert.
Der Ich-finde-zwar-Beckmann-furchtbar-aber-mache-es-genauso-Journalist:
Da möchte ich gleich mal einhaken …
Cheftrainer:
(tritt unter dem Tisch Pressesprecher des Vereins)
Pressesprecher des Vereins:
Nächste Frage?
Der Proseminar1-Fangfragen-Journalist:
Angenommen, Sie verlieren das Spiel. Wie geht es dann weiter?
Cheftrainer:
Was weiß ich… Hoffentlich besser. Aber damit beschäftige ich mich nicht. Wir wollen jetzt das Spiel gegen Stadt des nächsten Gegners gewinnen. Wenn uns das gelingt, freut uns das. Wenn nicht, nicht.
Selbiger:
Machen Sie es sich da nicht ein bisschen einfach?
Cheftrainer:
Das sagt ja gerade der Richtige. Sagen Sie mir, was ich besser machen kann. (LÄCHELN!!!)
Selbiger:
Es geht ja nicht darum, was ich machen würde.
Cheftrainer:
Feigling. Das kommt natürlich ganz auf die Fehler an. Vielleicht spielen wir sehr gut, verlieren aber trotzdem. Dann bin ich vor allem als Psychologe gefragt. Wenn es deutliche Defizite gibt, müssen wir noch intensiver daran arbeiten, diese Fehler für die Zukunft abzustellen. Aber noch einmal: Ich beschäftige mich vor einem Spiel nicht mit Niederlagen. (LÄCHELN!!!) Schlimm genug, wenn ich es danach machen muss. (Schulterzucken mit Grinsen)
Der Ich-bin-fachkompetent-Journalist:
Wieso spielten zuletzt mit einem variablen 4-4-2, das sich je nach Situation änderte zu einem 3-5-2, 4-3-3 oder gar 5-5-0?
Cheftrainer:
Was war das denn? Deine Telefonnummer? Wir wollen natürlich für den Gegner so wenig berechenbar wie möglich sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Spiel flexibel bleiben, ohne die Grundordnung zu verlieren.
Der Ich-bin-noch-fachkompetenter-Journalist:
Dennoch basiert ihre Grundordnung bei Ballbesitz auf einer breiten Raute, die über eine rechtskippende Doppel-6 versucht, durch permanente Dreieckkonstellationen für den Ballführenden eine Überzahl auf der 10 zugunsten einer hängenden 9 herzustellen. Ist das nicht die Quadratur des Kreises?
Cheftrainer:
Nein, sondern eine scheiß Frage, die keine Sau auch nur ansatzweise verstanden hat, bei mir angefangen. (Lächeln)
Selbiger: (schweigt)
Cheftrainer:
Was soll ich sagen? (LÄCHELN!!!) Ich habe die Frage ja nicht verstanden. Ballbesitz ist natürlich wichtig, aber in erster Linie geht es im Fußball nicht darum, sondern um Tore und ums Gewinnen. (LÄCHELN!!!)
Selbiger: (schweigt weiter)
Cheftrainer:
Ja, so einfach ist Fußball, es sei denn, Leute wie du nehmen sich der Sache an, dann wird ja sogar aus dem Müllruntertragen eine Pseudowissenschaft. (LÄCHELN!!!)
Der Nerdie-Journalist:
Schaut man sich die Zahlen an, sieht es ja so aus, dass Ihre Mannschaft im Durchschnitt XX% Ballbesitz hat und XX km läuft, XX-mal foult und XX-mal pro Spiel im Abseits steht. Artikel Vereinsname des nächsten Gegners weist da ganz andere Zahlen auf. Wie erklären Sie sich das? Und was bedeutet das für die Partie am Wochentag?
Cheftrainer:
Nix. Natürlich schauen wir uns die Zahlen ebenfalls sehr genau an, um auch daraus Rückschlüsse auf unser Spiel zu ziehen. Letztlich können diese Zahlen aber kein Ersatz sein für eine geschlossene Mannschaftsleistung und dass wir in den entscheidenden Phasen dafür sorgen, dass wir bei den einzig entscheidenden Zahlen die Nase vor haben – und das ist bei den Toren. (Lächeln – Blick auch auf Ich-bin-noch-fachkompetenter-Journalist) So einfach ist Fußball! (LÄCHELN!!!)
Der Ich-will-dass-andere-über-mich-berichten-Journalist:
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu XXXX?
Cheftrainer:
Hä? Ich verstehe die Frage nicht.
Selbiger:
Man hört, dass es manchmal Ärger zwischen Ihnen gibt.
Cheftrainer:
Hää? Davon höre ich das erste Mal.
Selbiger:
Da ist also nichts dran?
Cheftrainer:
Häää? Nein. (Lächeln???)
Der Ich-was-Jung&Naiv-bei-den-Bundespressekonferenzen-kann-kann-ich-schon-lange-freie-Journalist:
Artikel Heimverein betont immer seine soziale Seite und dass viel Wert auf die Jugend gelegt wird. Aber wie kann es sein, dass hier ein 18jähriger so viel Geld verdient, während es hier gleichzeitig XX% Hartz IV-Empfänger gibt?
Cheftrainer:
Bitte? Ist das dein Ernst? Hast du dich mal mit den Leuten unterhalten? Kennst du ihre Reaktionen, wenn wir hier einem ihrer Lieblinge wegen übersteigerter Gehaltsvorstellungen keinen neuen Vertrag geben? „Dann gebt ihm doch die halbe Million mehr. Er soll aber auf jeden Fall bleiben.“ Die Leute werfen da mit Zahlen um sich und schlagen uns vor, einem so viel Geld MEHR pro Jahr über Jahre zu geben, wie Sie höchstwahrscheinlich in ihrem ganzen Leben nicht verdienen werden. Ich verstehe das selbst nicht. Aber so sind die Leute. Und so ist der Markt. Wir würden auch gerne weniger Geld ausgeben. Ich mache keine Politik.
Der Ich-bin-der-Liebling-der-Massen-Journalist:
Was sagen Sie zu den Fans?
Cheftrainer:
Ich wäre froh, wenn alle Spieler so heiß aufs Spiel wären wie ihr. Sie sind natürlich sehr wichtig für den Verein und die Mannschaft und es tut natürlich gut, wenn sie hinter uns stehen. Wir wissen sehr genau, was wir an ihnen haben und dass wir uns Woche für Woche um sie bemühen müssen. Das ist neben einem Sieg unser größtes Ziel. Wir müssen mit unserer Leistung für die Fans da sein, so wie sie für uns da sind. Das sage ich den Spielern auch immer wieder und sie wissen das auch.
Der Ich-will-jetzt-heim-Journalist:
Vielleicht noch ein letztes Wort zur Stimmung in der Mannschaft …
Cheftrainer:
(seufzen) Danke. (lächeln) Die Stimmung ist gut, aber sie wird natürlich besser sein, wenn wir am Wochentag nach dem Spiel gegen Stadt des nächsten Gegners als Sieger vom Platz gehen. (noch mehr lächeln.) Geschafft! So das war’s, Medienmeute. Macht euch vom Acker! (Beide Händen locker auf den Tisch fallen lassen; auf und ab)
Pressesprecher des Vereins:
Vielen Dank für Ihr Kommen. Aber was ist das schon wieder für ein Dreck, den Sie hier hinterlassen? Warum müssen Sie denn immer alles vollgekrümelt hinterlassen? Warum können Sie Ihre Kaffeetassen nicht freundlicherweise zurückstellen? Und was sollen denn immer die ganzen Schnipsel unter Ihrem Stuhl? Benehmen Sie sich zu Hause auch so? Bis zum nächsten Mal.
—
Die Folge: weit über ein gutes Dutzend Möglichkeiten medialer Wiedergabe …
- Alles OK auf PK
- Cheftrainers neue Charme-Offensive
- Keine Integrationsprobleme bei Heimverein
- Heimverein ohne Konzept gegen Stadt des nächsten Gegners
- Heimverein ignoriert Hartz IV
- Heimverein lässt keine Gefühle zu.
- XXXXX rehabilitiert
- Weiter Riesenzoff zwischen XXXXXX und Nachname?
- Einsatz von Spielername 1 fraglich
- Nachname hat Qual der Wahl
- Nachname lächelt Krise weg!
- Nachname setzt auf Fans
- Nachname will siegen
- Nachname mit der Mannschaft sehr zufrieden
- Nachname unzufrieden mit 1:1
- Nachname: „Im Training ragte keiner heraus!“
- Nachname: „Stimmung nicht perfekt!“
- Nachname haut auf den Tisch
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