Borussia Dortmund vs. 1899 Hoffenheim
Das Ende der Schwiegersöhne
So geht anti-woke
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Gelb.
Für Baumgartner. Musste das sein? Vielleicht nicht in der Heftigkeit, aber es ist passiert und nichts Schlimmeres und weiter geht’s. Dennoch: Man rieb sich schon sehr verwundert die Augen, wie dieses Spiel von unserer Mannschaft angegangen wurde: kein Ab- oder Herantasten, kein Sichverkriechen, die anderen erst mal machen .lassen und dann mal schauen. Färtz.
„Druff und dawedder“ schien die Vorgabe zu sein, und es funktionierte ja auch. Fast. Wenige Zentimeter weiter links und die TSG wäre schon nach wenigen Minuten durch einen Kopfball von Kramaric in Führung gegangen, doch leider ging der Ball nur an, nicht in den Winkel. Weiter geht’s.
Ecke Hoffenheim.
Konter Dortmund.
Grätsche Posch.
Gelb.
Zwar mit 60% Magenta-Anteil, aber so lange die Karte die Farbe hat, die nach einer Frucht benannt ist, ist es kein Platzverweis. Weiter geht’s.
Elf gegen elf. Man fragt sich, wie lange noch. 83 Minuten offiziell. Was ein rasanter Kick, der trotz der Karten nicht an Intensität und Klasse nachließ. Es hielt, was man sich von ihm versprach – und Geiger seinen Gegenspieler am Trikot. Wieder Gelb. Noch 70. Weiter geht’s.
Noch 70 Minuten offiziell. Noch stand es 0:0 und eben 22 Kicker auf dem Platz, aber jede/r Beobachter/in war sich schon zu dem Zeitpunkt sicher, dass es dabei nicht bleiben wird – und war doch überrascht, dass sich daran in der ersten Halbzeit nichts änderte.
Zwar übernahmen die Hausherren nach der dritten gelben Karte gegen uns etwas mehr das Spiel in die Hand, aber wir gaben es nie aus derselbigen, sondern agierten weiter mit ihr und Fuß. So standen wir zwar gerade in der Phase oft hintendrin, tauchten aber auch immer wieder dank eines klugen und schnellen und (dann auch) präzisen Passspiels vor deren Tor auf, wo wir unsere Chancen nicht wirklich vergaben, sondern wir scheiterten – wie die Gastgeber auch bei uns – schlicht am Torwart.
Und so blieb es nach 45 Minuten zur Überraschung (wohl) aller beim 0:0 und das bei elf gegen elf. Dortmund verkürzte inzwischen durch Dahoud auf 1:3 in puncto Verwarnungen.
Man rieb sich die Hände. Was! Ein! Spiel! Bis dahin. Und: die Augen. War das wirklich die TSG 1899 Hoffenheim? Die Mannschaft, die sich bisher nicht wirklich durch Ecken und Kanten auf dem Platz auszeichnete? Die das Mittelfeld meist dadurch überbrückte, dass es den Ball einfach darüber hinwegdrosch? Deren Spieler auch gerne mal pikiert liegen blieben, wenn sie mal touchiert wurden, und dann auch den Eindruck des beleidigten, trotzigen Kindes erweckten, wenn der Schiedsrichter ihrem Ansinnen nach Freistoß nicht nachgab, und entsprechend nur höchst widerwillig sich der Rückkehr in den defensiven Mannschaftsverbund widmeten?
112,47 km lief die Mannschaft in den drei bisherigen Spielen der Saison im Schnitt. Allein in diesem Spiel waren es 117,2. Ja, das zeigt dann doch, dass wir einen Kader haben, der weiß, was man gerade bei einem – auch wenn viele Vereinsverantwortliche das Wort (aus wenig rational bzw. nur rational verständlichen Gründen) nicht gerne hören – Dorfverein machen muss: ackern.
Und auch die Art und Weise des Auftritts spricht dafür, dass die Spieler zumindest auf dem Feld – und da isses ja auch in Ordnung – verstanden haben, dass man – gerade bei einem Dorfverein (auch wenn die Region agrarökonomisch eher durch Land- denn Viehwirtschaft geprägt ist) – den Stier bei den Hörnern packen muss.
Und das ist so anders als alles, zumindest vieles, was man von ihr aus der Vergangenheit kennt. Da schien die Mannschaft einfach nur einen guten Eindruck bei irgendwelchen Dritten machen zu wollen. Bloß nicht zu aggressiv auftreten, nachher kommt man „toxisch maskulin“ rüber – und nicht zu viel grätschen und tackeln, in der Nahaufnahme wirkt das denn womöglich „ungepflegt“. Zu lautes Jubeln ist auch nicht so dolle. Es gibt ja nicht nur viele bildungs-, es gibt auch sehr viele fußballferne Schichten – und in diesen wirkt das dann vielleicht als „unbeherrscht“. So will man doch nicht rüber-, man will gut ankommen. Als Mensch und so … wie der perfekte Traum vom Schwiegersohn.
Überhaupt schien die TSG ein Spiegelbild der mainstream-medial idealtypischen Gesellschaft zu sein, in der es ja das höchste Gut zu sein scheint, jedweder Konfrontation aus dem Wege zu gehen und statt dessen lieber versucht, mit klugen Worten und geschraubten Sentenzen („hoch …“) Distanz zum eigentlichen Geschehen („… und weit“) aufzubauen. Und sollte sich der direkte Kontakt mit einem Gegner nicht vermeiden lassen, versuchte man ihn abzudrängen, ins Abseits oder Leere laufen zu lassen oder sonstwie von seinem Weg abzubringen.
Die meisten „Diskussionen“ heutzutage laufen ja ähnlich: Eine direkte Konfrontation wird vermieden. Lieber kommuniziert ein/e jede/r den jeweiligen Standpunkt via irgendeines Monologmediums, gerne verbunden mit der Hoffnung auf viel Beifall aus den eigenen Reihen. Sollte es dazu dann eine gegensätzliche Position oder Beifall aus der „falschen“ Seite geben, geht es ja nur noch höchst selten um das eigentliche Argument. Ziel ist dann der/die Autor/in, gerne gepaart dadurch, dass sich wer anders angegriffen und sich womöglich dadurch nicht nur be-, sondern auch getroffen fühlt. Notfalls bauscht man das Gesagte auf, indem man etwas konstruiert, an das sich ein beliebiger -ismus, -leugner/in (o. Ä.) hängen lässt.
Und schon hat man ein ganz anderes Thema, denn plötzlich geht es um das Individuum, nicht mehr um die Sache an sich – bzw. deren Sache, was gerne kaschiert wird unter den Deckmänteln „Achtsamkeit“ oder „Empathie“. Aber insbesondere jene, die sich als „woke“ bezeichnen und für den Schutz von nahezu jedweden Minderheiten eintreten (meist ohne Aufforderung jener Minderheit, da diese sich für gewöhnlich sehr gut selbst helfen können.) schaffen es immer wieder, die mediale Aufmerksamkeit auf sich und ihre Sache(n) zu ziehen. Man darf da durchaus die Redlichkeit des Anliegens in Frage stellen.
Und eine Diskussion mit Trollen ist so sinnlos wie an sich unmöglich, da es ihnen ja nur um die Provokation geht, wie die mit Profi-Opfern, wobei Letztere den großen Vorteil der vorauseilenden Nachsicht genießen. Das wiederum ist ja auch nichts anderes als Arroganz derer, die glauben, ein vermeintliches Opfer beschützen zu müssen. Nur ganz selten kommt jenen in den Sinn, dass diese vermeintlichen Opfer sie nur ausnutzen, deren Ziele für sie zu erreichen. Und so gibt es heute eher ein „Du brauchst Hilfe!“ zu hören als ein „Kneif die Arschbacken zusammen und schaff was!“, also den direkten Appell an das Individuum, sich seiner eigenen, sehr gern auch sehr oft selbst kommunizierten Möglichkeiten und Talente gewahr zu werden und diese selbst fürs eigene Wohl umzusetzen. Dabei gibt es natürlich den sogenannten Welpenschutz, aber wer wählen will, kann und darf, ist kein Welpe mehr, sondern eben Rüde oder „bitch“ (engl. Hündin).
Es stand nie in Frage, ob wir eine hochtalentierte Mannschaft haben. Aber darunter sind keine Hunde. Keine krummen, keine bunten und erst recht kein Leitwolf.
Die Frage war daher ja eher, ob es überhaupt eine Mannschaft ist, ein Team – eben als Gemeinschaft und nicht Akronym für „Toll, ein anderer macht’s!“ und ob Herr Hoeneß der richtige Mann für diese Aufgabe ist. Das hat natürlich viel mit seinem medialen Auftreten zu tun. Auch er kommt sehr nett daher. „Möchten Sie noch etwas Kandis in Ihren Tee?“ Man kann ihn sich problemlos mit Jutetasche über der Schulter und Kleinkind um den Bauch gebunden im Bioladen vorstellen oder auch als Immobilienmakler, Finanzberater, Herrenausstatter oder beides. Oder anderes. Aber als Motivator? Als Mannschaftsgefügezusammenschweißer? Als Einheizer? Dogsitter jedenfalls nicht.
Da gab es schon und auch nicht ganz unberechtigte Zweifel. Das lag weniger an seinen wenig feurigen Presseauftritten, sondern mehr an den lahmarschigen Auftritten der TSG zu Beginn der Halbzeiten in den letzten Begegnungen. Aber das war ja in der Partie zu Spielbeginn schon anders …
Weiter geht’s …
… und wieder ging’s zu Anfang in Richtung Dortmunder Tor, aber wieder ging der Ball nicht rein. Für uns. Bei uns schon.
Doch auch nach der Führung zogen wir nicht zurück. Statt „Aua!“ und Rückzug gab es ein „Holla!“ und Gegenangriffe. In der Ferne. In Dortmund. Das war mutig. Das war überraschend. Das war gut. Und das vor allem erfolgreich. 1:1. Der Mann, der schon nach neun Sekunden ein (blaues) Zeichen setzte, netzte zum nicht unverdienten Ausgleich ein.
Aber nicht nur Baumgartner, auch die früh verwarnten Posch und Geiger wurden nicht ausgewechselt. Auch das spricht für das Vertrauen des Trainers in die Mannschaft im Allgemeinen sowie die Akteure im Besonderen sowie die Bereitschaft – auch sehr untypisch für die heutige Zeit –, Risiken einzugehen. Und es hat sich gelohnt.
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Die Sprache – auch die im Fußball – hat sich geändert. Vorletzte Woche starb „der Bomber“ der Nation. Früher gab es auch keine „Fernschüsse mit Wumms“, sondern „Granaten“, Trainer wurden als „General“ oder „Feldherr“ bezeichnet. Dieses eher militaristische Vokabular war durchaus gang und gäbe. Aber dessen Zeiten sind vorbei – und dieses Plus an Verbalpazifismus ist kein Minus an Emotionalität. Und dazu zählt auch Aggressivität und dazu kann man auch die Formulierung zählen, die perfekt beschreibt, wie es im Spiel weiterging:
Schlag auf Schlag.
Und immer wieder im Fokus: die TSG-Torhüter auf beiden Seiten, schließlich gehört auch Gregor Kobel zu den vielen Juwelen, die via TSG in den (inter-)nationalen Markt kamen. Von 2014 bis 2019 stand er bei uns unter Vertrag, aber halt zu selten im Tor, so dass es ihn wegzog. Schon schade, aber verständlich. Von beiden Seiten, denn auch unsere Nr. 1 zeigte, dass und warum es an ihr so schnell kein Vorbeikommen gibt.
Als es den Borussen das 2. Mal gelang, war er erneut chancenlos. Wie bereits beim 2. Treffer von Union Berlin ging auch diesem 2. Treffer ein unglücklicher Abwehrversuch voraus. Der (bis auf diese eine Szene) sensationell aufspielende Neu-Nationalspieler Raum köpfte einen an sich ungefährlichen Ball statt nach außen mehr oder weniger direkt vor die Füße des Gegners. Im Sechzehner. Wenig verwunderlich war er dann im Tor.
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Und wie! Die Hausherren gaben unseren Jungs, äh: Mannen weiterhin jede Menge Anlass, sich angegriffen zu fühlen. Doch was tat unsere Elf, äh: Truppe? Weder ergab sie sich noch pienste sie rum, sie wehrte sich und Angriff um Angriff ab, um dann kurz vor dem Ende doch noch den erneuten Ausgleich zu erzielen.
Leider blieb es nicht dabei, weil „maskinen“ (norw. f. „die Maschine“) in der Nachspielzeit doch noch mal im Fünfer an den Ball kam, und jenen dann im Gewühle und mit dem Gefühle einer Urgewalt Richtung Orbit drosch, wobei er leider die Torlinie überquerte – und auf einmal war sie da: nicht nur die Niederlage, sondern auch die Erkenntnis:
„Wer was riskiert, kann verlieren.
Wer nichts riskiert, hat schon verloren.“
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