Image Image Image Image Image Image Image Image Image Image

Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

Scroll to top

Top

No Comments

Bayern München vs. 1899 Hoffenheim

Relative Faktizität

Die vier Seiten einer 4:0-Niederlage

„Bayern. Gegen Hoffenheim. Das Beste, was diese Liga zu bieten hat.“
„Bayern. Gegen Hoffenheim. Das Beste, was diese Liga zu bieten hat.“

Immer und immer wieder kam das. Immer und immer wieder. 2008 war das. Im Trailer zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften in der deutschen Fußball-Bundesliga. Zu sehen im heute mehr denn je sehenswerten Dokumentarfilm über die TSG aus dem Jahre 2009 „Das Leben ist kein Heimspiel“.

 

Und dieser Satz stimmte. Damals.

Und heute … vielleicht aktuell nicht mehr so ganz, aber sooo weit weg waren wir nicht. Oh, höre ich da wen ungläubig lachen? Jemanden, der sich genüsslich zurücklehnt und „Viaa Null!“ in die Gegend brüllt?

Bei dem Ergebnis ist es naheliegend sich wieder mal das Schulz von Thun’sche Vier-Seiten-Modell der Kommunikation anzuschauen, wonach eine Nachricht in einem Dialog immer aus vier Informationsebenen für den Empfänger besteht.

Sachebene (Worüber spricht der Sender?)
Selbstkundgabe (Was offenbart der Sender über sich in der Nachricht?)
Beziehungsseite (Wie steht der Sender zum Empfänger?)
Appellseite (Was will der Sender von mir?)

Nun gehen wir davon aus, dass es sich hierbei um einen Dialog handelt, wobei noch die Frage zu klären wäre, zwischen wem, denn so klar der Sender der Nachricht in diesem Beispiel ist, so unklar der Empfänger. Es ist wohl einfach und einleuchtend, dass dieselbe Information „Viaa Null“ von einem Anhänger der siegreichen Mannschaft geäußert, inhaltlich identisch ist, aber in allen vier Ebenen im Grunde das Gegenteil heißt.

Wenden wir uns aber dem ungläubigen Leser zu, der ja die Eingangsthese mit dieser Äußerung quittiert hat, wobei man natürlich durchaus einwenden kann, dass ja auch diese Äußerung aus diesen vier Ebenen besteht.

Sachebene: „Wir haben gegen Bayern München 4:0 verloren.“
Selbstkundgabe: „Mir gefällt das nicht.“
Beziehungsseite: „Ich bin enttäuscht von der Mannschaft, dass sie (so hoch) verloren hat.“ Appellseite: „Ich will, dass ihr (wieder) gewinnt!“

So klingt das sehr kalt und aseptisch, ja eigentlich schon nachvollziehbar, denn keinem TSG-Fan gefiel, dass wir dieses Spiel und so hoch verloren haben. Und jeder, sofern er Fan der TSG ist, möchte, dass sie nun nach drei Niederlagen in Folge endlich wieder einmal gewinnt. Aber es geht ja nur um die Äußerung an sich: „Viaa Null!“.

Diese Äußerung taten wir nicht, auch wenn wir keine Faktenallergiker sind. Im Gegenteil, vielleicht ist es gerade unserem Faktenfetischismus zu verdanken, dass wir unseren Beitrag zur Kommunikation nicht nur in der sprachlichen Wiedergabe des Endstandes sehen, sondern darin, dass es durchaus noch weitere Fakten und Facetten gibt, die von großer Relevanz sind, bevor wir unsere Gedanken für den anderen empfänglich machen, sie also kommunizieren.

Es war ein großes Spiel unserer Mannschaft. 80 Minuten lang. Es war ein beherztes Spiel, bei dem wir in der ersten Viertelstunde deutlich den Ton angaben. Wo wir die deutlicheren und besseren Chancen hatten. Modeste vergab eine 98,75%-ige nach rund zehn Minuten, als er recht frei vor dem Tor im Lauf den Kopfball wohl zu platziert ins Eck setzen wollte – und ihn verzog.

Wenige Minuten später war es Volland, dem es fast gelang, Neuer dem Ball im Fünfer noch abzuluchsen.

Bis dahin hatten die Bayerrn zu Hause zwar viel Ballbesitz, aber keine Chance. Deren erste kam erst nach über 20 Minuten – und die war dann leider auch drin. Aus über 20 Metern traf Götze den Ball perfekt, der fast rotationsfrei flog und im Netz landete.

Es war der wohl einzige Korridor, die der Ball hat nehmen können, und Götze gelang es, diesen zu finden. Da war auch bei allem Können in puncto Schusstechnik eine gute Portion Glück dabei. Man stelle sich vor, er hätte ihn nicht so perfekt getroffen und er hätte, was ja durchaus möglich war, so weit oben im Hintertornetz eingeschlagen, man hätte, einen objektiven Kommentator vorausgesetzt, auch die Frage vernehmen können, ob das nicht ein Verzweiflungsschuss war. Nun, war es nicht. Es war wieder mal ein Sonntagsschuss. Der vierte Fernschuss, den wir in zwei Spielen kassierten.

Keine schöne Angewohnheit, die sich dummerweise ja auch bei den noch ausstehenden Gegnern herumsprechen könnte. In der Phase ging es dann etwas turbulenter zu und unsere Mannschaft war schwer damit beschäftigt, kein weiteres Gegentor zu kassieren, was ihr auch gelang. Gleichzeitig steckten wir aber auch nicht auf.

Nach einer halben Stunde führten wir immer noch in Sachen Torschüsse in der Allianz-Arena mit 5:2. Es war erfrischend und klasse zu sehen, dass unsere Mannschaft dagegenhielt und ihrerseits versuchte, sich Chancen zu erspielen – und das auch nach dem 2:0 für die Bayern und war schon fast froh, dass es nur ein Kopfball des völlig ungedeckten Lewandowski aus fünf Metern war. Also ein fast schon „normales“ Gegentor in der Fußball-Bundesliga, weil da in unserer Abwehr so ziemlich gar nichts stimmte.

Ob diese Konfusion auf Unkonzentriertheit unserer Mannschaft oder die Brillanz der Bayern zurückgeht, ist nicht unwesentlich zu klären. Unserer Ansicht nach war es keines von beiden. Vielmehr war es Müller, der die Flanke vor der Flanke zum Tor einfach nur verzog – und der Ball landete eben glücklicherweise bei seinem Mitspieler auf der anderen Spielfeldseite, der mit seiner Flanke besser zielte – eben auf den Kopf des freistehenden Mittelstürmers.

Nun ist ein 2:0-Rückstand zur Pause gegen die Bayern bei den Bayern wahrlich nichts Außergewöhnliches. Die Art und Weise aber, wie unsere Mannschaft die ersten 45 Minuten gestaltete, schon.

Das war sehr mutig gespielt, sehr hoch verteidigt und im Spiel der teuersten und zugegebenermaßen besten Mannschaft gegen die jüngste fast schon mehr als aller Ehren wert. Man musste sich ja nur mal die einzelnen Duelle vor Augen führen. Robben vs. Beck war dabei noch das, wo die meiste Erfahrung gegeneinander spielte. Ansonsten: Ribéry vs. Strobl, Müller und Lewandoswki vs. Süle und Bicakcic. Es spricht doch sehr für unsere Mannschaft und unsere Trainer, dass diese Duelle durchaus plausibel erschienen, dass man den unseren, die ja gerade erst anfangen, sich selbst in der Mannschaft zu etablieren, zutraute, gegen diese sehr etablierten, ja Ausnahmespieler eine Chance zu haben, Duelle auf Augenhöhe führen zu können. Sie schlugen sich mehr als wacker.

Und auch in der zweiten Halbzeit sah das lange Zeit sehr gut aus. Zwar hatten unsere Spieler nicht mehr die Power, weiter derart offensiv zu verteidigen. Andererseits ließen sie auch hinten nichts mehr anbrennen. Ja, das mag möglicherweise daran gelegen haben, dass sich die Hausherren mit dem Zwei-Tore-Vorsprung sicher fühlten und es ihrerseits keine Notwendigkeit gab, mit aller Macht zu versuchen, das dritte Tor zu erzielen.

Fakt aber ist, sie taten es nicht. Damit lebte immer auch noch unsererseits die Hoffnung, dass wir mit einem Anschlusstreffer das Spiel vielleicht doch noch drehen, zumindest wieder spannend würden machen können. Nach rund einer halben Stunde in der zweiten Halbzeit gab es dann diesen Moment, auf den wir alle gehofft hatten. Zuvor hatte Volland zur Reanimation der Mannschaft beigetragen, aber Neuer konnte seinen verdeckten Drehschuss doch noch parieren.

Kurze Zeit darauf setzte sich der kurze Zeit davor eingewechselte Schipplock auf rechts durch, kämpfte sich gegen drei Gegenspieler bis auf die Grundlinie durch, passte den Ball nach innen zum ebenfalls kurz zuvor eingewechselten Szalai, dem es dann „gelang“, aus maximal drei Metern auf 7,32 Meter das einzige zu treffen, was einen Torerfolg für unsere Mannschaft hat noch verhindern können: den maximal 20 cm breiten Fersenbereich Neuers. Durchaus eine Torchancenauslassung, die das Zeug hat, in einem Jahresrückblick Erwähnung zu finden.

Niemand weiß natürlich, was passiert wäre, hätten wir, bei noch rund zehn Minuten zu spielen, diesen Anschlusstreffer gemacht. Aber dass wir ihn nicht machten, sorgte wohl für die Erkenntnis der Spieler, dass wir wohl noch hundert Jahre würden spielen können, ohne ein Tor zu erzielen.

Erst dann ließen Konzentration und vor allem und nachvollziehbarerweise der Glaube an sich selbst nach und erst dann fielen die beiden Treffer, die dann zu jenem „Viaa null!“ führten. Macht man es so, wie der Trainer immer sagt, dass er es tue, dass es ihm auf das Auftreten der Mannschaft ankomme, dann kann, ja: muss man mit der Mannschaft zufrieden sein. Das Endergebnis ist nur ein Fakt. Wahrlich der wesentliche, aber eben nur einer.

Wichtiger für die weiteren Spiele, jene, bei denen es weit weniger eine Überraschung wäre, vielmehr fast schon „Pflicht“ ist, wieder zu punkten, ist doch, die Art und Weise des Spiels sich anzuschauen – und daran gab es doch wahrlich wenig auszusetzen.

Fernschüsse besser verteidigen, Torchancen besser nutzen und schon haben wir beste Chancen darauf, mit „das Beste, was diese Liga zu bieten hat“, zu sehen – und auf die nächsten drei Punkte.

Submit a Comment