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Bayern München vs. 1899 Hoffenheim

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Die Stunde der Optimisten

Der erste Dreier in der fernen Heimat

Dass wir dieses Spiel erleben durften, verdanken wir einem Mannheimer: Kurfürst Karl Theodor.

Die Bayern hören es zwar nicht gern, aber ohne die Kurpfalz gäbe es Bayern nicht. Zumindest nicht so, wie wir es heute kennen.

1777 starben die Wittelsbacher aus und der in Mannheim regierende Kurfürst Karl Theodor trat  entsprechend den Bestimmungen der gegenseitig abgeschlossenen Erbverträge das Erbe als Herzog und Kurfürst von Bayern an. Dazu musste er allerdings seine bisherige Residenz von Mannheim nach München verlegen, was er auch tat, ihm aber nie gefiel. 1799 verstarb er und sieben Jahre später entwickelte sich aus dem Territorium unter der napoleonischen Ära das Königreich Bayern, das auch nicht wirklich alt wurde. 1918 fiel die Monarchie, und es entwickelte sich die Räterepublik Bayern und daraus wiederum der Freistaat. Ohne seinen Umzug wäre das damalig bairische Territorium Österreich zugefallen. Das nur so ganz grob mal schnell nebenbei.

Viel erinnert in München nicht an den Mann, obwohl sie ihm nicht nur den Englischen Garten zu verdanken haben, sondern eben auch, dass er sie davor bewahrt hat, gegen Mannschaften antreten zu müssen wie Scholz Grödig, Josko Ried oder RZ Pellets WAC in der dortigen ersten Liga, was übrigens nicht die „Heute für morgen – Erste Liga“ ist, sondern das ist deren zweite. Deren erste heißt: „tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile“. Hm, würde ja vielleicht doch … Egal …

Auch einen der berühmtesten Plätze der Stadt hat er anlegen lassen, bei dem sein Vorbild, der Friedrichsplatz in Mannheim, unverkennbar ist: den „Karlsplatz“. Aber unter dem Namen kennt ihn kaum einer. Als „Stachus“ kennt ihn jeder.

Wie gesagt, so wirklich wollen sie, die großen Bayern, das alles gar nicht wissen. Aber wenn es wen gibt, der von sich behaupten kann, ihnen die Grenzen aufgezeigt zu haben, dann sind das wir. Und das nicht nur 1777, sondern auch 2014 …

Was unsere Mannschaft da ablieferte am Ende einer englischen Woche, in der wir erst bei einem Champions-League-Aspiranten antreten mussten, und gewannen, gegen einen unmittelbaren Tabellenkonkurrenten antreten und gewinnen mussten, um ganz sicher nichts mehr mit dem Abstieg zu tun zu haben, was wir auch taten, und dann beim souverän führenden Tabellenführer anzutreten, der bisher alle seine Heimspiele gewann – und das bei einem Torverhältnis von 39:7, das grenzte schon an ein Wunder.

You can get it if you really want
You can get it if you really want
But you must try, try and try
Try and try, you’ll succeed at last

Selbstredend war davon die Rede, dass die Heimmannschaft nur ihre B-Elf aufgestellt habe, worauf wir hier nicht eingehen werden, denn eine Diskussion führt man nur, wenn die andere Seite ein halbwegs vergleichbares Niveau wie man selbst hat, und dass nach der gewonnenen Meisterschaft die Luft raus sei, war auch nur ein bedingt valides Argument, denn schließlich hatten auch wir nach dem gewonnenen Mittwochspiel unser Saisonziel erreicht.

Nein, was da medial kolportiert wurde, zeigt erneut den Mangel an Respekt vor unserem Team, da man die Ursache einer guten Leistung der Hoffenheimer Mannschaft vor allem durch einen Mangel beim Gegner zu erklären versucht.

Persecution you must bear
Win or lose you’ve got to get your share
Got your mind set on a dream
You can get it, though harder them seem now

Allerdings gab es bei diesem Spiel eine rühmliche Ausnahme: Fritz von Thurn und Taxis. Der Mann, der das letzte Auswärtsspiel unserer Elf derart einseitig und negativ darstellte, dass wir jegliche Zurückhaltung aufgaben und uns, wie andere auch, per Mail sowie in einem öffentlichen Brief direkt beim Sender beschwerten, war wie ausgewechselt.

Nun sind wir nicht so vermessen zu glauben, dass es zwischen dieser Beschwerde und der wesentlich faireren Berichterstattung einen unmittelbaren Zusammenhang gibt, aber wir freuten uns dennoch darüber. Er erkannte die Leistung vollumfänglich an. Er war wie unsereins voller Be- und Verwunderung, was unsere Mannschaft da ablieferte.

Über 120 Kilometer lief sie. Und das, wie gesagt, am Ende einer wirklich anstrengenden Woche. Und das ganz ohne Rotation. Mit der wohl mutigsten Taktik, die man gegen den Gegner fahren kann.

Gerne spricht man ja von einer hohen Verteidigung, wenn die Stürmer einer Mannschaft die Abwehrspieler desr ballführenden Mannschaft anlaufen, um deren Spielaufbau zu stören. Aber wie nennt man das, was unsere Mannschaft gemacht hat? Da wurden nicht die Abwehrspieler jenseits ihres Sechzehners angetrabt, sondern schon innerhalb desselben angerannt. Und nicht nur die. Auch der Torwart wurde bei jeder sich bietenden Möglichkeit nicht nur von einem unserer Stürmer unter Druck gesetzt.

Der Lohn dieser Arbeit ließ nicht lange auf sich warten. Es waren kaum mehr als zehn Minuten gespielt, als sich Modeste in einen Abschlag des Torwarts warf und auch rankam, aber leider ging der Ball nicht ins Tor, doch es zeigte, was mit dieser Taktik möglich ist.

Allerdings war nicht zu erwarten, dass wir dies 90 Minuten durchhalten würden. Wie gesagt, englische Woche. Und zudem kennt man seine Mannschaft, die auch in der jüngsten Vergangenheit gezeigt hat, dass sie es nicht schafft, über die komplette Spieldauer maximal konzentriert zu spielen.

Aber bis dahin machte es großen Spaß zu sehen, dass die Heimmannschaft so gar nicht mit unseren Wieseln klarkam, weil sie so einfach nicht ihr Spiel aufziehen konnte. Permanent wurde sie in Zweikämpfe verstrickt, so dass sie entweder neu aufbauen musste oder den Ball verlor.

Und das ist ja der entscheidende Moment, wie Markus Gisdol in dem Interview vor dem Spiel mit Spiegel Online erklärt hat:

Der Moment, in dem der Gegner den Ball gewinnt; diese ein, zwei Sekunden, in denen er den Schritt nach vorne macht und offensiv denkt: In diesem Augenblick ist die eigene Chance auf eine Tormöglichkeit am größten. Denn wenn du jetzt den Ball zurückgewinnst, ist der Gegner entblößt.

Genau so war’s vor unserem Führungstreffer. Ballgewinn durch Volland, der kurz schaute, den durchstartenden Modeste sah und diesen sofort sehr steil anspielte.

An dieser Stelle ein Lob an den Linienrichter, dass er bei der Geschwindigkeit erkannte, dass Modeste zum Zeitpunkt des Abspiels noch in der eigenen Hälfte war. War er – und sofort sehr frei vor dem Gästetorwart, was wiederum zeigte, wie schnell Modeste ist. Und nervenstark ist er auch, denn statt zu versuchen, den Torwart zu umspielen, was immer riskant ist und zudem viel Zeit kostet, in der die nachrennenden Abwehrspieler zu ihm hätten aufschließen können, schloss er sofort ab. Und scheiterte, denn unsere ehemalige Nr. 1, die diesmal im Tor der Gastgeber stand, wehrte den Schuss mit einem Reflex gut ab, aber eben nicht gut genug. Modeste nutzte seinen Geschwindigkeitsüberschuss, erlief den Ball erneut und drückte ihn über die Linie.

Die Qualität des sechsten Aufeinandertreffens der beiden Mannschaften an dieser Spielstätte erinnerte ohnehin an dessen Premiere, nun gingen wir auch wie ehedem mit 1:0 in Führung – und auch diesmal war die Führung nicht unverdient.

Wer Favorit am Samstag ist, ist klar.
Aber auch Bayern hat seine Chance.

So unkten wir vergangenen Donnerstag auf unserer Facebook-Seite angesichts der Freude darüber, dass unsere Mannschaft tags zuvor ihr Saisonziel erreicht hatte, und wir behielten ja auch da Recht.

Auch wenn bis dahin so viel vor unserem Tor nicht los war, ging es auf einmal Schlag auf Schlag. Wie bereits vor wenigen Wochen kassierten wir innerhalb von acht Minuten drei Gegentore. Und wie bereits bei jenem Spiel waren es diesmal individuelle Fehler, allerdings gegen Spieler mit einer wesentlich höheren individuellen Klasse, die diese Tore ermöglicht haben.

Beim ersten Tor setzte sich der Gegenspieler clever gegen Strobl durch, beim zweiten reagierte Polanski einen Tick zu spät und beim dritten ging Vestergaard nicht mit dem späteren Torschützen mit, sondern entschied sich, auf den zuzulaufen, den er wohl angespielt hätte.

Das sah natürlich so aus, als ob wir nun dem hohen Tempo der ersten halben Stunde Tribut zollen mussten und wir nun einer neuen Rekord-Niederlage entgegengehen, zumal Gisdols Mannen weiterhin in einer Art verteidigten, für die uns immer noch das passende Wort fehlt, da „hoch“ viel zu niedrig greift.

Doch auf einmal fiel Beck und, zumindest nach dem, was man im Fernsehen sah, der Schiedsrichter drauf rein. Aber er war näher dran, er wird gesehen haben, ob es diesen Kontakt gab, der den Freistoßpfiff rechtfertigte.

Dies nutzte Salihovic um zu zeigen, dass seine größte Schwachstelle in puncto Standardsituation der Eckball ist. Dabei hat man ja nicht selten das Gefühl, dass es hierfür einer Art Viagra bedürfe, denn nur die wenigsten Bälle kommen da richtig hoch. Ganz anders sieht es bei den Strafstößen aus, die er prinzipiell sicher verwandelt. Nun lag der Ball aber nicht 11 Meter mittig vor dem Tor, sondern über 30 Meter und ziemlich versetzt davon. Dazu noch eine Mauer. Und sein letzter Freistoßtreffer ist auch schon länger her, so dass die Vermutung eher die war, dass der bei ihm stehende Rudy den Ball in den Strafraum flanken wird.

Tat er nicht, sondern Sali schoss direkt und perfekt. Über die Mauer. Ins Tordreieck. Hammer. Auch wenn es die Viertelstunde zuvor nicht so aussah, aber wir waren lange noch nicht geschlagen.

Rome was not built in a day
Opposition will come your way
But the hotter the battle you see
It’s the sweeter the victory, now

In der zweiten Halbzeit wechselten die Gastgeber ein zweites Mal. (In der ersten Halbzeit wechselten sie wie auch wir verletzungsbedingt schon einmal. Bei uns traf es den Torschützen, für den Elyounoussi kam.) Für ihren 37.000.000 €-Einkauf, den unser Mittelfeld überhaupt nicht in Aktion kommen ließ, aus dem Sommer kam ihr nomineller Mittelstürmer. (So viel zum Thema B-Elf.)

Somit standen nun unserer Not-Innenverteidigung, denn sowohl Abraham als auch Süle sind an sich höher einzuschätzen, als Vestergaard und Strobl, aber erstere sind/waren verletzt, zweitere eingespielt, was wohl die Trainer davon abhielt, eine Änderung an dieser so wichtigen Stelle gerade gegen diesen Gegner vorzunehmen, standen nun zwei Torjäger auf Seiten der Gastgeber plus dem Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Europas Spieler des Jahres, aber angeblich war es ja die „B-Elf“.

Man konnte also erwarten, dass sie nun ernst machen würden. Aber sie machten gar nichts mehr. Unglaublich, was unsere Mannschaft auch in der zweiten Halbzeit (zu-)lief. Es gelang ihr mehr als ein Mal, dass die Heimzuschauer mehr als ein Pfeifkonzert anstimmten.

Das hatten sie sich wohl ganz anders vorgestellt. Zwar hatten sie recht viel Ballbesitz, aber halt für ihre Verhältnisse auch überraschend viele Fehlpässe. Leider hatten wir sogar noch mehr, und wer weiß, ob an diesem Spieltag (oder in der nächsten Spielzeit) nicht noch mehr drin ist, wenn wir auch in diesem Punkt ein höheres Niveau und eine höhere Konstanz zustande bringen.

Ausgeschlossen ist das nicht. Man schaue sich nur einmal die Entwicklung an, die die Mannschaft in dem Jahr genommen hat, seitdem Gisdol, Kaspari, Rosen et al., das Sagen in Sachen Sport haben. Im Vorjahr uns gerade noch so auf Platz 16 gerettet, in der Hinrunde Platz 12, in der Rückrunde aktuell Platz 5.

Aktuell liegen wir auf Platz 9 und spielen nächsten Sonntag gegen das Team, das vor punktgleich hinter uns liegt, während das Team vor uns gegen unseren Gegner von gestern antreten muss. Das ist dann auch unser nächster Heimspielgegner. Wenn alles gut läuft, wären wir in zwei Wochen plötzlich ganz nah an Platz 7, der für die Teilnahme an der Europa League reichen kann.

In der zweiten Halbzeit gab es ein Torschussverhältnis von 12:3 zu unseren Gunsten im Stadion der in dieser Saison alles überragenden Mannschaft – und noch ein Tor, für uns, nachdem wir wieder sehr früh, sehr klug gepresst und extrem schnell umgeschaltet hatten. Diesmal war es Herdling, der für Salihovic ins Spiel kam, der den Ball schnell und schnörkellos durch die Abwehr spielte, direkt in den Lauf von Firmino, der die Übersicht bewahrte und den Ball ins lange Eck schoss. 3:3. Der erste Dreier. Noch nie schossen wir gegen diese Mannschaft so viel Tore in einem Spiel – und dieses Spiel war noch nicht vorbei.

Vieles sprach dafür, dass es das erste 4:3 in einem Spiel der Hoffenheimer wird. Die Frage war nur, für wen. Nachdem Grahl den einzigen, wenn man so will, Fehler unserer Hintermannschaft in der 2. Halbzeit reparierte, indem er in einer 1:1-Situation gegen den Siegtorschützen des letztjährgen Champions League-Finales (nur zur Erinnerung: „B-Elf“) die Ruhe bewahrte und mit einem tollen Reflex die an sich 100%ige Schusschance zur Ecke klärte. Im Gegenzug war es dann noch zweimal Rudy, der am ehemaligen Vereinskollegen, der bisher in keinem seiner vier Einsätze ein Gegentor kassierte, scheiterte.

You can get it if you really want
You can get it if you really want
You can get it if you really want
But you must try, try and try
Try and try, you’ll succeed at last.

Letztlich blieb es bei dem Unentschieden, der sich wie ein Sieg anfühlte und immer noch tut. Ein PunktGEWINN, den interessanterweise gar nicht einmal so wenige vorhergesagt hatten. Sollte es doch noch passieren, dass die Hoffenheim-Fans endlich mal etwas zuversichtlicher werden?

Wenn dann noch das wahr wird, was einen da so aus der Gerüchteküche erreicht (Eduardos Rückkehr), dann wird man hier ganz schnell auf die Euphoriebremse treten müssen.

Aber heute nicht. Heute genießen wir einfach den Triumph unseres Teams in der Hauptstadt der alten, fernen Heimat, die einen so an die Zeiten erinnert, als wir noch in der Hauptstadt unserer wahren Heimat spielten, und richten unseren Blick auf das Spiel in der Hauptstadt der Republik.

Ein Sieg und dann liegt uns diese zwar immer noch nicht zu Füßen, aber Europa vor uns.

You can get it if you really want

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