Bayern München vs. 1899 Hoffenheim
Champions League
Auch ein Debakel ist ein Spektakel
In Hoffenheim wünscht man sich das Spektakel zurück – und in München fand es statt – leider für die gegnerische Mannschaft.
1:7 verloren. Ein Ergebnis, das man sogar aus der Champions League kennt. Die höchste Niederlage von 1899 seit seiner Zugehörigkeit zum bezahlten Fußball. Wahrscheinlich die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte.
Perfekt. Jetzt können sie kommen, all die Ichhabeesimmerschongewusst, die Schwarzseher und Panikmacher, die Mahner und Warner, die Bedenkenträger am langen Band, die Journaille.
„Man kann nach einem solchen Spiel nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Das wird allenthalben kommentiert und kolportiert, aber keiner hat dafür einen Grund genannt. Warum nicht? Genau das sollte man aber tun. Kein Aktionismus. Keine Rechtfertigung. Wir kamen ohne Punkt aus München zurück. Selbst die größten Optimisten rechneten mit kaum mehr.
Ein Unentschieden, das war die Hoffnung, wenn es denn gut läuft. Wenn es gelingt, die erste Drangphase ohne Gegentor zu überstehen. Nun, es ist bekannt: Es lief nicht gut. Es gelang nicht & nichts – und das begann schon vor dem Spiel.
Beim Aufwärmen verletzte sich Johnson. Der Mann, der auf seiner wohl stärksten Position gegen den gegnerischen 7er hätte spielen sollen und sich darauf seit einer Woche vorbereitet hatte, fällt Minuten vor dem Spiel aus.
Jetzt kommt es zur großen Rochade. Williams geht nach hinten auf die Johnson-Position, Vorsah dafür ins defensive Mittelfeld. Ein Mann, der seit der Rückrunde noch nicht gespielt hat auf einer Position, die er seit rund zwei Jahren nicht mehr besetzte. Was immer da in den letzten Tagen für Situationen in Zuzenhausen trainiert wurden, diese Variante war nicht dabei.
Und die Mannschaft, die ja ohnehin nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzt, hat im Spiel gegen einen auf der Ebene der individuellen Klasse, wenn man ehrlich ist, 11:0 überlegenen Gegner, der in seiner Ehre verletzt, auf Wiedergutmachung mit seinen Fans und den Medien bedacht sowie einem für ihn extrem wichtigen Champions League-Spiel vor der Brust,
Anpfiff.
Der zweite Ball geht auf Vorsah, der sofort attackiert wird und zeigt, dass er in seiner Platzabstinenz nichts an Passgenauigkeit gewonnen hat. Zudem passt er noch auf die frisch umgestellte rechte Seite, wo es ja noch mehr nach Unsicherheit roch. Die Instinktfußballer des Gegners witterten ihre Chance, rissen den Ball sofort an sich und fingen an, unsere wenige Minuten vor dem Spiel völlig neu-formierte Defensive zu zerlegen.
Das war jetzt wirklich keine Kunst. Aber der Gegner hatte eine Konsequenz im Spiel, die man nur bewundern konnte. Bis zur Halbzeit landeten 50% aller Torschüsse hinter Tom Starke. 10 Torschüsse gab es.
Natürlich lohnt es sich jetzt nicht darüber zu diskutieren, ob der Elfmeter zum 2:0 berechtigt war, ob unsere 33 bei dem ein oder anderen Treffer besser so oder so hätte reagieren sollen, die Überlegenheit war eindeutig.
Aber ohne diese Umstellung, die durch die Verletzung vor dem Spiel nötig wurde und ohne den Fehlpass nach zehn Sekunden, wäre das Spiel mit Sicherheit für unsere Jungs besser verlaufen. Denn, das klingt natürlich jetzt etwas nach Kritik à la Nord-Korea, sooo schlecht war das Spiel unserer Jungs gar nicht, wenn sie mal den Ball hatten (und Vorsah nicht involviert – obwohl wäre er es gewesen, wäre der Ball auch nicht mehr in unseren Reihen gewesen).
– Babel hat die Bälle oft sehr schön gehalten und gut verteilt.
– Vukcevic ist viel gelaufen und hat versucht, den Ball gefährlich vors Tor zu bringen.
– Vestergaard versuchte sich permanent am Spielaufbau. Dies kam noch besser zum Tragen, als er und Vorsah die Positionen tauschten.
Aber wir spielten halt ohne Stürmer. Das war schon etwas unverständlich, zumal Mlapa doch der geeignete Mann zum Erlaufen von Befreiungsschlägen gewesen wäre.
Doch das war nicht das größte Problem. Dies ist und bleibt unsere Fehlpassquote.
Vielleicht lag es an dem katalanischen Lehrfilm, der am Mittwoch im Rahmen einer Champions League-Übertragung im Fernsehen gezeigt wurde, dennoch kam es uns unnormal und nicht richtig vor, dass Bälle den eigenen Mann nicht erreichen oder wenn, selbigem sofort vom Fuß springen.
Dadurch kommt der Gegner natürlich immer sehr leicht an den Ball. Und wenn der diese Ballphobie nicht besitzt, wird es natürlich umso schwieriger, dieses Spiel halbwegs ausgeglichen zu gestalten.
Alles andere ist jetzt nichts anderes als das Weiden an dieser Schmach. Ob das jetzt Journalisten sind oder andere Höhner und Spötter, sie sehen in dieser Niederlage ihre Chance, sich mit ihrer „Analyse“ hervorzutun.
Das Gleiche gilt auch für Panikmacher in einem ohnehin unruhigen und nervösen Verein. Auch wird es intern wie extern Menschen geben, die versuchen werden, sich diese Niederlage zu einem persönlichen Sieg zunutze zu machen.
Da werden jetzt gewiss Spieler angeboten, die plötzlich verfügbar sind, aber halt dementsprechend kosten. Dass der Anbieter aber in Anbetracht der Situation und aus Liebe zum Verein, dem er ja jetzt unbedingt sofort helfen will, auf einen Gutteil seiner Provision verzichtet, ist eher unwahrscheinlich.
Und vielleicht wäre Dietmar Hopp sogar bereit, zur Rettung seines Babys noch einmal den Großmäzen zu geben. Irgendwie wäre es nachvollziehbar, aber nur als Reflex. So wichtig der Verbleib in der ersten Liga ist und ein einstelliger Tabellenplatz allein aus der Zuwendung aus den Fernsehgeldern wäre, so wichtig ist es auch, dem vorhandenen Personal und (Spieler-)Material zu vertrauen.
Ein Kauf eines teuren Spielers käme dem Verkauf der Idee „1899 Hoffenheim“ gleich.
Das kann und wird er nicht wollen. Es würde die Aversion außerhalb der Region erhöhen, alle Kritiker bestätigen und die Basis vor Ort weiter erodieren. Und der Preis muss ihm einfach zu hoch sein.
Natürlich wird es Menschen geben, die ihm erklären, dass die Menschen (siehe unseren heutigen Gegner) Spektakel wollen. Neue Spieler brächten neue Erfolge und Erfolge brächten die Menschen zurück ins Stadion.
Er wird (hoffentlich) nicht auf diese minimalkomplexe Logik hören, die ja nur dem dient, der stets neue Spieler bringen kann. Und übernimmt derjenige eine Spektakelgarantie und lässt sich bei Spektakelnichteintritt in Regress nehmen? Nicht minder unwahrscheinlich.
Der Vollständigkeit halber:
Gewiss würde auch jemand gerne „Trainerwechsel!“ schreien, aber diesen Reflex unterdrücken sie sich jetzt alle. (Wie es wohl Stanislawski nach diesem Spiel geht? Ist er froh, dass er nach seinem letztjährigen 1:8 gegen denselben Gegner das nun nicht zu verantworten hat? Man weiß es nicht, aber er hätte massig Sympathiepunkte verloren, die ihm nun bleiben.)
Ach was! Doof gelaufen, hoch verloren, weiter geht’s.
Möge dieses Spiel dem nächsten Spiel dienen, die Motivation fördern und nächsten Freitag zu einem Sieg führen – und dann hätten wir aus dieser Niederlage sogar einen Punkt mitgenommen – sozusagen, schließlich bringen 1:7 und 1:0 in der Addition mehr als zwei 1:1.
In diesem Sinne: zurück zur Tagesordnung!
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