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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Bayer 04 Leverkusen vs. 1899 Hoffenheim

Metamorphosen

Mit Goethe das Gute sehen …

Es gibt keinen Grund, schwarz zu sehen. Höchstens grau, denn wie Goethe wusste:

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie
und grün des Lebens goldner Baum.

Nun war Goethe vieles, könnte man entgegenhalten, nur in puncto Farbenlehre wahrscheinlich keine Konifere … äh: Koryphäe, zumal ja eine Konifere auch kein goldner Baum ist, sondern ein Immergrün aus der größten heute noch lebenden Gruppe der nacktsamigen Pflanzen. In Sachen Botanik war Goethe hingegen schon weniger inkompetent.

Er widmete dem Thema sogar eine Elegie, also ein Klagegedicht, das nach heutigem Verständnis (!) meist traurige, klagende Themen zum Inhalt hat – und das wir als Basis für unsere Rückschau auf die gestrige Partie gegen Bayer Leverkusen heranziehen wollen, auch wenn in Fußballkreisen Alfred Preißlers „Grau is‘ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is‘ aufm Platz“ bekannter ist und für die meisten Menschen auch verständlicher sein dürfte, obgleich es dieser Abwandlung natürlich aufgrund ihrer Simplizität völlig an Nuancierung und Subtilität fehlt, wie sie „nach heutigem Verständnis“ von Fußballern und ihren Arbeitgebern verlangt wird: Ausbildung, Vorbildcharakter in allen sozialen, ökologischen, -nomischen, -throphologischen, hedonistischen, moralischen und sonstigen Fragen des Lebens, Nachhaltigkeit etc.

Auch da war Goethe weiter als Preißler – und auch das erklärt er (in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“) mit Hilfe der Botanik:

„Man sieht die Blumen welken und die Blätter fallen, aber man sieht auch Früchte reifen und neue Knospen keimen. Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“

Sicherlich würde er, Goethe, mit Aussagen wie der im letzten Satz „nach heutigem Verständnis“ sicherlich nicht unwidersprochen sowie mit seiner Elegie unverstanden bleiben, aber dafür gibt es ja uns, obgleich wir im Gegensatz zu ihm weder dichter noch Denker sind. Doch wir können uns sehr an der Natur erfreuen – unserer, zum Beispiel – und auch dem Klagelied viel Schönes abgewinnen. Also sprechen wir nun über …

Die Metamorphose der Pflanzen

Das Werk beginnt mit der direkten Ansprache an den Fußballfan der TSG als solchen, den er sehr zeitgemäß als Frau adressiert:

Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung
Dieses Blumengewühls über dem Garten umher;
Viele Namen hörest du an, und immer verdränget
Mit barbarischem Klang einer den andern im Ohr.

Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern;
Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz,
Auf ein heiliges Rätsel. O könnt‘ ich dir, liebliche Freundin,
Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort!

Auch wenn etwas auf den ersten Blick gleich aussieht (z. B. durch Trikots) sind es doch immer andere (Eigen-)Gewächse, die da interagieren – und machmal klappt es gut, manchmal nicht – und niemand weiß, warum.

Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,
Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.
Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erde
Stille befruchtender Schoss hold in das Leben entlässt,
Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten,
Gleich den zärtesten Bau keimender Blätter empfiehlt.

Kaum war das Spiel begonnen, ging es auch gut los, die TSG nach vorn, Grillitsch erlag „dem Reize des Lichts“, also sprang hoch, aber sein Kopfball war einfach noch unausgereift.

Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbild
Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,
Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos;
Trocken erhält so der Kern ruhiges Leben bewahrt,
Quillet strebend empor, sich milder Feuchte vertrauend,
Und erhebt sich sogleich aus der umgebenden Nacht.

Im Grunde die Zeitlupe der oben beschriebenen Szene.

Aber einfach bleibt die Gestalt der ersten Erscheinung;
Und so bezeichnet sich auch unter den Pflanzen das Kind.
Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuet,
Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild.
Zwar nicht immer das gleiche; denn mannigfaltig erzeugt sich,
Ausgebildet, du siehst’s, immer das folgende Blatt,
Ausgedehnter, gekerbter, getrennter in Spitzen und Teile,
Die verwachsen vorher ruhten im untern Organ.

Wir verteidigten halt sehr hoch, wo wir auch eine große Dynamik an den Tag legten, doch in der Defensive, dem „untern Organ“ des Mannschaftsgefüges, waren wir relativ zu den Kräften um uns herum, gerade beim ersten Eckball der Hausherren, zu bodenständig, also zu verwachsen mit dem Boden und ruhten, d.h. kamen zu spät raus …

Und so erreicht es zuerst die höchst bestimmte Vollendung,
Die bei manchem Geschlecht dich zum Erstaunen bewegt.
Viel gerippt und gezackt, auf mastig strotzender Fläche,
Scheinet die Fülle des Triebs frei und unendlich zu sein.
Doch hier hält die Natur, mit mächtigen Händen, die Bildung
An und lenket sie sanft in das Vollkommnere hin.

… und Oliver Baumann nur noch mit den Fingerspitzen an den Ball, so dass dieser fast perfekt im Winkel einschlug.

Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die Gefäße,
Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an.
Stille zieht sich der Trieb der strebenden Ränder zurücke,
Und die Rippe des Stiels bildet sich völliger aus.

Etwas weniger forsch ging es dann weiter, auch wenn das Team weiter mutig nach vorn spielte, dabei aber das Spiel weniger in die Breite zog, sondern versuchte, durch die Mitte Akzente zu setzen. Allen voran Baumgartner, der dann aber gefoult wurde, dummerweise aber nicht meckerte …

Blattlos aber und schnell erhebt sich der zärtere Stengel,
Und ein Wundergebild zieht den Betrachtenden an.

Die Zeitlupe spätestens machte klar, dass hier ein Foulspiel seitens der Hausherren vorlag. Das hat der Schiedsrichter auf dem Platz nicht sehen müssen, aber der VAR in Köln, doch der war wohl schon im „Stille Nacht“-Modus. Ein Eindruck, der sich im Laufe des Abends erhärten sollte. Oder gab es für ihn bereits eine Tonausgangssperre, um Kontakte nicht zu forcieren?

Rings im Kreise stellet sich nun, gezählet und ohne
Zahl, das kleinere Blatt neben dem ähnlichen hin.
Um die Achse gedrängt, entscheidet der bergende Kelch sich,
Der zur höchsten Gestalt farbige Kronen entlässt.

Die Angriffsbemühungen gingen weiter, …

Also prangt die Natur in hoher, voller Erscheinung,
Und sie zeiget, gereiht, Glieder an Glieder gestuft.

Immer staunst du aufs neue, sobald sich am Stengel die Blume
Über dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter bewegt.

…, aber wir kamen einfach nicht in die Box.

Aber die Herrlichkeit wird des neuen Schaffens Verkündung;
Ja, das farbige Blatt fühlet die göttliche Hand,
Und zusammen zieht es sich schnell; die zärtesten Formen,
Zwiefach streben sie vor, sich zu vereinen bestimmt.
Traulich stehen sie nun, die holden Paare, beisammen,
Zahlreich ordnen sie sich um den geweihten Altar.

Eine Ecke für uns leitete dann den Anfang vom Ende ein.

Hymen schwebet herbei, und herrliche Düfte, gewaltig,
Strömen süßen Geruch, alles belebend, umher.

Hoffnung, auch wenn wir in puncto Standards jetzt nicht zu den gefährlichsten Vereinen der Liga zählen, aber man hat ja gesehen, wie die Führung der Gäste zustande kam. Das müsste doch auch gehen …

Nun vereinzelt schwellen sogleich unzählige Keime,
Hold in den Mutterschoß schwellender Früchte gehüllt.
Und hier schließt die Natur den Ring der ewigen Kräfte;
Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an,

… ging aber nicht. Kramaric wurde am Schuss / Flanken gehindert, so dass er nach hinten gedrängt wurde.

Dass die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge
Und das Ganze belebt, so wie das Einzelne, sei.

Und so spielte unsere Nr. 1 im Sturm den Ball zu unserer Nr. 1 im Tor, doch leider kam er bei ihr nicht, dafür in selbigem an, da ihn ein Gegenspieler erlaufen und locker einschieben konnte. Aber die Mannschaft gab (sich) nicht auf!

Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel,
Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt.
Jede Pflanze verkündet dir nun die ew’gen Gesetze,
Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir.

Es wurde weiter nach vorn ge- und sich Chancen erspielt, aber leider auch erneut aussichtsreichst vergeben.

Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern,
Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug.
Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig,
Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt.

Und so sicher, wie die Gastgeber die ersten 45 Minuten herunterspulten, weil unserer Mannschaft einfach auch die Passgenauigkeit, die Geschwindigkeit und Präzison im Spiel sowie letztlich auch der wahre Drang zum Tor fehlte, so anders begann der zweite Durchgang. Schönes Solo von Baumgartner, perfekter Schuss. Nur noch 1:2.

O, gedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft
Nach und nach in uns holde Gewohnheit entspross,

Wieder Baumgartner, absolut frei im Fünfer, aber statt dass wir den Ausgleich erzielten, erzielte die Heimmannschaft im Grunde grundlos ihren dritten Treffer – und das war nur der Anfang der Grund-, wahlweise Bodenlosigkeit.

Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern enthüllte,

Der Schiedsrichter griff nun seine Taschen. Erst Brust-, dann Arsch – und der Regelkundige sich an den Kopf. Gelb-Rot. Für wen war klar: Grillitsch. Wofür war es nicht? Ballspielen? Nichts anderes tat Grillitsch. Sonst nichts. Und was tat der VAR? Dasselbe.

Und wie Amor zuletzt Blüten und Früchte gezeugt.
Denke, wie mannigfach bald die, bald jene Gestalten,
Still entfaltend, Natur unsern Gefühlen geliehn!

Es war die Phase, in dem der Boden bereitet wurde, die eine weitere Entwicklung unserer Eigengewächse unmöglich machte. Es begann mit Amiri, unserem ehemaligen Spieler („jene Gestalt“), der sich zuvor so dramatisch hat fallen lassen, nachdem ihm Grillitsch Minuten zuvor den Ball weggespitzelt hatte, dass jener dafür des Platzes verwiesen wurde (s. o.) und seinen zwei deutlichen Tätlichkeiten gegen Vogt (Schlagen gegen den Kopf und Drehen des Ohres). Da ging es nämlich nur zwischen den beiden hoch her – und natürlich vorm Fan-Fernseher, denn es war klar, dass die Sympathien („geliehene Gefühle“), die man auch ihm gegenüber hegte, nun endgültig weg waren. (Dr. Brych („jene andere Gestalt“), der laut offizieller Erklärung der VAR im Kölner Keller war, war auch da, wie so oft zuvor („mannigfach“) still.) Jener A. ist ein super Beispiel für eine Metamorphose, die eine Pflanze auch durchmachen kann. Es kommt halt auf den Boden an, in dem sie gedeiht, und woraus dieser sich speist, was jetzt keine Monsanto-Anspielung war. Aus den Tiefen des Mutterbodens aller Nicht- und damit Fehlentscheidungen des Abends konnte nichts Gutes erwachsen, weshalb es wichtig ist, dass wir erwachsen werden, nicht zurück und nicht nach unten sehen.

Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe
Strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen auf,

Das war natürlich auch kindisch. Vielleicht dachte sich Posch, dass er seinen österreichischen Mitspieler und Nationalmannschaftskameraden nicht so allein gehen lassen kann, jedenfalls holte er sich durch ein völlig dämliches Handspiel auch noch eine Ampelkarte ab, aber auf ihn hätten wir im nächsten Spiel wegen seiner 5. Gelben sowieso verzichten müssen. Erwachsen ist das:

Gleicher Ansicht der Dinge, damit in harmonischem Anschaun
Sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt.

Ein Appell an alle nach der durch einen auch nicht wirklich nötigen, aber halt verwandelten Handelfmeter in der Nachspielzeit doch heftigen 1:4-Niederlage, weder Mut noch Zuversicht in Verein, Team und Trainer zu verlieren, eben (s. o.) weder zurück noch nach unten zu schauen, auch wenn uns nur fünf Punkte vom Relegationsplatz 16 trennen. Denn ebenso trennen uns auch nur fünf Punkte vom Europa Challenge League-Platz 6. Es ist halt eine Frage der Perspektive – und der eigenen Einstellung zum Dasein. (vgl.: „Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“)

Nach der auch Schiedsrichterleistung ist es nachvollziehbar, dass Hoffenheim am Boden war, aber vergessen wir nicht, was Hoffenheim alles noch im Boden hat. Da kann so manches noch perfekt keimen und sich prächtigst entwickeln. Oder, um es wieder mit Goethe und wieder anders zu sagen:

Hebt mich das Glück, so bin ich froh
Und sing in dulci jubilo;
Senkt sich das Rad und quetscht mich nieder,
So denk ich: Nun, es hebt sich wieder!

Deshalb bleiben wir gefasst, rechnen mit einer nicht nur personell anderen Mannschaft am Mittwoch und freuen uns auf ein lebendiges Spiel.

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