Borussia Mönchengladbach vs. 1899 Hoffenheim
3x+1
Die Simplizität der Komplexität
Fußball ist ein einfaches Spiel. Ein Spiel von 11 gegen 11 über die Dauer von 90 Minuten. Und schon allein daran sieht man – im Wissen um unser Eröffnungsspiel unserer 15. Bundesliga-Saison – dass das, was anfangs so einfach aussieht, am Ende ganz schon kompliziert werden kann, zumal wenn man sehr schnell in eine Situation kommt, aus der es kein Entrinnen mehr gibt.
Und weil jetzt jede/r weiß, dass dies die Überleitung zu der maximal dämlichen (innerhalb 225 Sekunden!) gelb-roten Karte in der 20. Minute gegen Posch ist und somit das Spiel eigentlich nach 20 Minuten für uns dergestalt zu Ende war, als dass nicht mehr ernsthaft mit einem Dreier zu rechnen war, wir aber der Akademikerfanclub sind, der bekanntermaßen keine Freude an derartigen Dummheiten hat – oder an profanen Beschimpfungen des Spielers – und schon gar nicht an Spielnacherzählungen ohne Mehrwert, wenden wir uns nun ganz galant, nachdem hier schon so viele Zahlen genannt worden waren, und irgendwas von einem Dreier, mit dem nicht mehr zu rechnen war, möchten wir uns einem ähnlich wie Fußball auf den ersten Blick sehr einfach wirkenden, aber letztlich unlösbaren, genauer: unerklärlichen – zumindest bis heute und zumindest, sofern dies überhaupt grammatikalisch ginge, weitaus unerklärlicher als zumindest die zweite Aktion von Posch, Modell zuwenden, das von einem, wenn nicht dem österreichisch-ungarischen Mathematiker, Paul Erdös, als „absolut hoffnungslos“ bezeichnete – und NEIN, er meinte nicht (!) den österreichischen Nationalspieler in unseren Reihen, dessen Name geradezu Freudenstürme auslöste, als das Gerücht aufkam, es gäbe einen finanziell potenten Kaufinteressenten, der auch bereit war, weit mehr als 1 Euro für ihn zu bezahlen.
Das Collatz-Problem
oder: die (3x+1)-Vermutung
x ist eine natürliche Zahl. Regeln:
-
- Ist die Zahl ungerade, addiert man sie mit 3 und addiert 1.
- Ist das Ergebnis ungerade, wiederholt man das.
- Ist das Ergebnis dieser Operation gerade, teilt man das Ergebnis durch 2.
- Ist das gerade, teilt man es wieder durch 2,
ist es ungerade, multipliziert man es mit 3 und addiert 1.
Das Lustige daran ist, genauer: das, was einen Fan (dieses Sujets) in den Wahnsinn treibt, ist, dass jede so konstruierte Zahlenfolge in den Zyklus 4, 2, 1 mündet – ganz gleich, mit welcher natürlichen Zahl – und man nicht erklären kann, warum.
Und ist das nicht bei der TSG genau so? Egal, was man anstellt, wie man aufstellt, am Ende kommt man in einen Zyklus, aus dem man nicht rauskommt. Unter Fußballfans ist das Collatz-Problem auch bekannt unter der Phrase „Die gleiche Scheiße wie im letzten Jahr!“
(Zwischenbemerkung:
Uns hatte sein Vertun zu Klängen und Gesängen animiert,
die dem Video zum Spielbericht nicht wirklich unähnlich sind.)
Nun stimmt das in dem Falle nicht ganz, denn im letzten Jahr gewannen wir das erste Spiel ergebnisdeutlich mit 4:0. Auswärts. Aber in puncto DFB-Pokal stimmt es.
Seit Jahren tun wir uns da mit den unterklassigen Mannschaften schwer – und es scheint: Je unterklassiger, desto schwerer.
8:7 n. E., 5:4 n. E., 3:2 n. V., 2:0 n. V. lauteten die Erstrundenergebnisse der TSG in den letzten vier Jahren. – und man muss schon sehr genau hinschauen, um den Aufwärtstrend von Jahr zu Jahr festzustellen.
Das 8:7 gegen die Würzburger Kickers 2019/20 war das erste Spiel der Nach-Nagelsmann-Ära. Die TSG begann dabei mit folgender Aufstellung
Baumann – Posch, Vogt, B. Hübner – Rudy, Grillitsch, Kaderabek, Zuber, Geiger – Bebou, Grifo.
Letzterer verließ dann auch den Club, da er sich als frisch gekürter italiensicher Nationalspieler beleidigt fühlte, dass ihn der neue Trainer Alfred Schreuder zur Halbzeit gegen Adam Szalai auswechselte. (Weitere Auswechslungen waren Brenet für Zuber, Skov für Geiger und Rupp für Grillitsch. Nicht zum Einsatz kamen Pentke (Tor), Akpoguma, Bicakcic, Nordtveit, Baumgartner.
Ist das nicht interessant? Sooo viel Veränderung scheint es im Kader gar nicht gegeben zu haben – auf der Trainerbank schon.
Schreuder blieb bekanntlich nicht lange. Er konnte die Fußstapfen, die Nagelsmann hinterließ, einfach insbesondere emotional nicht füllen. Sein Nachfolger hatte ebenfalls von Anfang einen schweren Stand, was aber nicht an der Bürde seines großen Fußballnamens lag, als vielmehr daran, dass Sebastian so ganz anders ist als Papa Dieter und Onkel Uli, nämlich ähnlich Schreuder seeehr rational. Und also versucht sich der Nächste daran, unseren Kickern das Kicken (und Kickern) abzugewöhnen und das Fußballspielen beizubringen.
Dabei bringt André Breitenreiter zumindest mal mehr mit denn Erfahrung als Co- bzw. Drittligatrainer, aber auch er ist ein eher rationaler, versöhnlicher, väterlicher, fast schon großväterlicher Typ, der viel Wohlwollen mitbringt, Wärme und auch auf ein nicht gerade erfolgloses Leben zurückblicken kann. Aber erreichen diese Werte von ehedem unsere Kicker von heute – und reichen sie, sie dazu zu motivieren, ständig, dauernd und permanent Einsatz und Höchstleistung bringen zu wollen?
Nach dem Pokalspiel und vor allem nach der Partie gestern gegen Borussia Mönchengladbach drängt sich der Eindruck auf: nicht jeden – und schon gar nicht die Alten, denn am überzeugendsten spielten in einer wenig überzeugenden und – noch schlimmer – von sich und ihrer Klasse selbst wenig überzeugt wirkenden Mannschaft die Neuen.
Prömel, Kabak, Nsoki (der bereits nach 23 Minuten Spiel- und ungefähr so viel Trainingszeit mit der Mannschaft für Samassekou, der inzwischen auch gelb verwarnt war, eingewechslt wurde) und sogar Damar waren Lichtblicke in einem Team, das fast schon auftrat wie ein Schatten seiner selbst: keine Spritzigkeit, kein Drang zum Tor.
Nur Rutter versuchte sich immer wieder in Szene zu setzen, blieb aber leider sehr oft hängen und/oder auf sich allein gestellt – und das wurde nach dem Platzverweis natürlich nicht besser. Und doch war es seiner Einzelaktion zu verdanken, dass wir bereits in Unterzahl liegend durch Skov in Führung gingen – in der 25. Minute – mit unserem ersten Schuss aufs Tor.
Das war schon sehr fein gemacht, aber leider konnten wir die Führung nicht in die Halbzeit retten, denn kurz vor dem Pfiff glich Gladbach aus Fußball-Deutschlands Sicht sehenswert, aus der unsrigen unnötig, aus.
Und es hätte vielleicht gar nicht so weit kommen müssen bzw. den Gleichstand hätte der Schiedsrichter erzielen können, wenn er konsequenterweise auch einen Gladbacher vom Platz gestellt hätte – und da bot sich nicht nur einer an:
Rutter wurde zwei Mal sehr hart rangenommen – und zumindest eine Attacke vor dem Ausgleich durch einen robusten und bewussten Schulterkinnhaken. Danach wurde er auch kurz vor der Halbzeit abseits des Balles gecheckt. Und hätte der Schiedsrichter mal genauer darauf geachtet, dass gefühlt jeder Gladbacher Prömel einmal sehr körperlich von den Socken holte und dies durch eine gelbe Karte gegen einen X-beliebigen unterbunden hätte, wäre das Spiel mit Sicherheit nicht nur nummerisch anders verlaufen.
Klar, im Fußball gibt es die Kategorie „Mannschaftsfouls“ nicht, aber dennoch … zumindest die Attacken gegen Georgino waren durchaus rotwürdig. Aber da waren wir schon von den Socken, dass nichts davon geahndet wurde. Wollte/Sollte wohl nicht so sein. VARum auch immer …
In der 2. Halbzeit war das Konzept unseres Teams Langeweile – und das war auch gut so, denn noch waren 45 Minuten in einem vollen Stadion bei sommerlichen Temperaturen in Unterzahl zu spielen. Da hieß es, cool bleiben – vor dem Bildschirm, aber noch mehr auf dem Rasen, und darauf hoffen, dass man durch einen Ballgewinn in die Lage versetzt wird, mit dem zweiten Schuss aufs Tor das zweite Tor zu erzielen – und dadurch erneut in Führung zu gehen. Und in der Tat: die Chance, die der ansonsten auch nicht gerade unpomadig kickende Österreicher in unseren Reihen, war da. Es war eine sehr ausbaufähige 95%ige, als das Zuspiel auf den völlig freien Kramaric erfolgte. Er machte daraus 0.
Und was machte auf der Gegenseite Baumann? Chance um Chance der Gladbacher zunichte. Aber in der 71. und 78. Minute gelang es den Gastgebern dann doch noch, unseren einzig nach wie vor fitten Spieler aus dem Kader der DFB-Pokal-Erstrundenpartie gegen die Würzburger Kickers zu überwinden – und so geschah das, was zuletzt unter Alfred Schreuder passierte, damals durch ein Gegentor bereits in der 1. Minute: Wir verloren unser Saisoneröffnungsspiel.
(Ein netter Beweis dafür, dass die Übersetzung des Collatz-Problems in die Fußballfansprache mathematisch unpräzise ist. Wenn schon, müsste sie nach unserer Historie heißen: „Die gleiche Scheiße wie vor vier Jahren.“)
Da verloren wir die Partie bei Eintracht Frankfurt durch ein Tor in der 1. Minute mit 1:0. Es folgte ein 3:2 daheim gegen einen „B-Gegner“ (ehedem Bremen, dieses Jahr wird es Bochum sein) sowie dann ein 0:0 gegen Bayer 04 Leverkusen. Stand jetzt würden wir das auch jetzt so hinnehmen.
Aber die Erwartungshaltung an das Team ist weniger bescheiden. Es kann kein Maßstab sein, dass wir im DFB-Pokal ohne Gegentor eine Runde weiterkamen. Und es ist auch kein positives Indiz, dass das Spielergebnis am Ende und nach 70 Minuten in Unterzahl identisch ist mit dem Halbzeitergebnis der letzten Partie der letzten Saison gegen den gleichen Gegner und ohne Platzverweis. (Denn ohne Baumann hätten wir auch dieses gut und gerne mit 5:1 oder noch höher verlieren können.)
Es ist eher ein ungutes Gefühl, das einen beschleicht, wenn man vor allem an die „verdienten“ Spieler denkt. Sind sie die Personifikation unseres ganz eigenen Collatz-Problems, in das wir bereits im letzten Nagelsmannjahr gerieten?
Falls ja, ist es gut, dass wir neue Spieler haben und einen neuen Trainer, der hoffentlich mit neuem Blick Neues wagt – auch und gerade mit den Neuen und Jungen, denn die scheinen zu wollen und zu können, was der TSG-Fan sehen will: kein „Collatz-Gekicke“, sondern einfach(en) Fußball.
Mehr nicht.
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Wie, geneigte/r Leser/in, du hast es gemerkt? Ja, du hast recht. Wir hatten das Collatz-Problem schon mal thematisiert. Stimmt, aber aus einem anderen Blickwinkel. Hier findest du auch Beispiele für die Richtigkeit der Vermutung. Gesucht wird aber eine Lösung, eine Erklärung – und junge, neue natürliche Zahlen gibt es nun mal nicht. So gesehen hat Breitenreiter bessere Chancen, neue Ansätze, neue Lösungen zu finden, bei denen am Ende etwas Zählbares (in Form von Toren und Punkten) rauskommt.
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