1899 Hoffenheim vs. Borussia Mönchengladbach
Das beste TSGeisterspiel
„Puuuh!“ statt „Buuh!“ –
weil es um mehr ging als die Wurst.
Was für ein fulminantes Spiel. Der Trainer, das Team und alle, die es wirklich mit dem Verein halten, dürften mehr als glücklich gewesen sein, dass es vor leeren Rängen stattfand. Denn eine solche Rückkehr wäre weitaus schwieriger gewesen, hätten die Hoffenheimer Fans „für Emotionen“ gesorgt. Vor allem nach dem 0:2 zum Halbzeitpfiff wäre die Mannschaft höchstwahrscheinlich mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine verabschiedet worden – und das völlig zu Unrecht. Und warum? Weil – in Anlehnung daran, wie es immer abschließend in den Beiträgen von Wolfgang M. Schmitt in seinem (zumindest für (intellektuelle) Cineasten) sehr empfehlenswerten Vlog „Die Filmanalyse“ heißt – die meisten nur schauen, aber nicht sehen.
Nun war dieses Spiel kein Thriller, kein Drama, kein Schauspiel. Es war weder Science Fiction noch Nouvelle Vague. Es war, wenn schon, eher „vieille Wag“, also das alte Hoffenheim, das mit Wagemut den Weg stur nach vorn suchte, sich dabei oft verlor, aber halt auch nicht die Nerven und auch nicht den Glauben an sich. Denn das ist ja auch das Gute, wenn man in die Ecke gedrängt mit dem Rücken zur Wand steht: Es kann nur vorwärts gehen! Und das tat’s – und das von das Anfang an.
Anmerkung der Chefredaktion:
Da muss man zu Hoeneß rein!
Antwort:
Das mit Hesse das letzte Mal kam gut an. Der Plan war jetzt mit Wilhelm Busch zu kommen – ganz im Sinne von: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“
Chefredaktion:
Das ist nicht von Busch. Sagen zwar viele, aber – wie oft denn noch? – Quantität ist kein Maßstab für Qualität und schon gar nicht Richtigkeit. Hermann Löns deutete in „Kraut und Lot“ das zwar mal an, aber das macht es ja nicht richtiger. Löns war zwar ein guter Schriftsteller, aber auch Journalist. Keine Berufe, die von Standes wegen zur Akkuratesse verpflichtet sind. Nachgewiesen von Busch ist nur der Satz „Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt.“ Stammt aus seinem Gedicht „Plisch und Plum“.
Antwort:
Bla, bla. Lass das doch mal mit deinen Belehrungen.
Chefredakion:
OK, mache ich. Wenn du mir versprichst, in Zukunft zu denken, bevor du dich äußerst. Dann lass ich das sein. Und jetzt lass dir was einfallen – und deiner Phantasie und deiner Poesie freien Lauf, Hase.
Antwort:
Soll ich jetzt was zu Hoeneß schreiben oder ’n Liebesbrief, oder was?
Chefredaktion:
Super Idee. Aber immer schön (und) faktisch bleiben …
Antwort:
Na dann …
Lieber Herr Hoeneß,
es freut uns sehr, dass Sie sich so intensiv mit unseren Ergüssen hier, aber auch den Anmerkungen unseres CCEO als Hoffenheim-Fanexperte auf spiegel.de, auseinandersetzen und diese Anregungen begierig nicht nur aufnehmen, sondern sich zu Herzen und auch sonst annehmen und umsetzen. So war dort zu und vor dem Spiel zu lesen als Rückblick zu den Partien zuvor:
„Die Einstellung hat endlich mal wieder gestimmt, die Zuordnung auch, aber zuletzt zweimal 0:0 hintereinander spielten wir unter Huub Stevens vor rund fünf Jahren. Am Ende der Saison waren wir 15. Das sollte Geschichte sein.“
Nun ist Platz 15 (leider) immer noch drin, aber zum einen sollte das Restprogramm dafür sorgen, dass Sie mit der Mannschaft in den letzten vier Spielen mindestens noch die drei Punkte holen, die es zwingend braucht, um ganz sicher zu sein, zum anderen haben Sie sich ja die Kritik zu den letzten Spielen perfekt dekodiert, denn da ähnelte das Offensivspiel doch sehr nahezu einem …
„… Offenbarungseid. Flüssig in unseren Aktionen waren wir nicht. Bei jeder Idee wurde der Ball nach vorne gedroschen und dabei alles auf die Karte Einzelaktion gesetzt. Der Kredit ist noch nicht verspielt, aber wer gewinnen will, muss offensiv mehr investieren. Unsere Zukunft lag schon immer vorne.“
Nun sind wir weit entfernt davon, immer Recht haben zu wollen. Ganz im Gegenteil: Wir freuen uns mehr, weit mehr über unsere Fehler als Ihre bzw. die der Mannschaft. Überhaupt sind wir große Verfechter einer Fehlerkultur, weil wir fest an die positiven Folgen von Risiken glauben.
„Gegenwärtig wäre man fast schon mit einem dritten torlosen Remis zufrieden. Allein – und nur allein der Punkte wegen. Aber irgendwie will man das nicht. Die Lage ist nicht wirklich dramatisch. Also will man lieber ein schönes Spiel sehen, das eventuell verloren wird. Aber das würde nicht passieren. Dann wäre mindestens ein Punkt mit Toren drin.“
Es ist ja, wie man gerade aktuell in so vielen Lebensbereichen sieht, Quatsch zu meinen, wer nichts macht, mache keine Fehler. Aber natürlich ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der, der was riskiert, Fehler macht. Aber aus Fehlern wird man klug. Also ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der, der mehr riskiert, schneller klüger wird – vorausgesetzt, diese Person ist lernwillig und -fähig. Sie sind das offensichtlich. Dafür wollten wir uns nur mal bei Ihnen bedanken. Aber hüten Sie sich vor den Schleimern in Ihrer Umgebung! Wenn Sie auf deren Spuren wandeln, sind es immer nur Sie, der ausrutscht und sich dann womöglich das Genick bricht. Also hüten Sie sich vor falschen Ratgebern. Ganz allgemein – und ganz konkret vor der Person, die Sie mit der Information fütterte, die Sie veranlasste, auf der Pressekonferenz nach dem Spiel zu sagen:
„Ein Comeback nach 0:2, wie ich gerade erfahren habe, historisch, gab’s in der Form noch nicht!“
Nun wollen wir Ihre Freude nicht trüben und die Einstellung der Mannschaft nicht schlecht reden, das gab es schon öfter und auch, was uns besonders an der Kompetenz dieser Person zweifeln lässt, gegen genau diesen Gegner. Einmal sogar genau mit dem gleichen Halbzeitstand, und auch das war ein Heimspiel – und das (s. u.) sollte die Person wissen, ganz gleich, ob Journallie oder TSG-Mitarbeiter:
-
-
-
- Am 10. Februar 2008 machten Teber, zweimal Copado und Ba mit ihren Treffern in der 2. Halbzeit aus einem 0:2 (durch Kleine und Neuville) ein 4:2.
- Und auch in der Bundesliga drehten wir ein Spiel gegen diesen Gegner und holten einen 0:2 Rückstand auf – und das war noch dramatischer. Damals (19. September 2009) gelang uns zwar der Anschluss zum 2:1 bereits in der 1. Halbzeit durch Salihovic, aber auch da schossen wir – wie gestern – drei Tore in einer Halb- und sehr kurzen Zeit: Allerdings benötigte unsere Team dafür – wie gestern – nicht 17 Minuten, sondern gerade einmal vier! (Maicosuel (86.), Obasi (89.), Ba (90.).
- Dazu kommen noch zwei Partien gegen Borussia Mönchengladbach, in denen wir aus einem 0:2 noch ein 2:2 machten. (19. Februar 2010, 22. Februar 2014)
-
-
Nicht böse gemeint, aber Sie haben mitnichten Historisches geschaffen. Bitte nicht falsch verstehen: Sie wussten es nicht besser. Ihnen kann man auch keinen Vorwurf machen. Wenn man Ihnen das sagt, vertrauen Sie darauf, dass das stimmt. Das ist nur menschlich, dass Sie das tun, vor allem in so einem Moment und weil es Ihnen schmeichelt und einfach sehr, sehr gut tut nach all dem Druck der letzten Wochen insbesondere nach dem Mainz-Spiel.
Aber so wenig wahr das eine, so wenig wahr das andere.
Chefredaktion:
Bussi.
Natürlich wurde vor dem Spiel betont, dass wir eine lange Verletztenliste haben. Dass mit Rudy und Vogt erneut zwei sehr erfahrene Spieler fehlen. Was keiner sagte war: Gott sei Dank, denn plötzlich wurde unser Spiel variantenreicher. Es wurde schneller, durch, nicht über, also mit Mittelfeld und vor allem über die Flügel gespielt. Und genau daraus entwickelte sich bereits nach wenigen Minuten die erste gute Gelegenheit durch Baumgartner.
Das war sehr ansehnlich. Auch das hohe Pressing war ein Fest – und es war schade, dass Baumgartners Einsatz gegen den Gästekeeper von Skov nicht vollendet werden konnte, aber es zeigte den Geist, den Willen in der Mannschaft, in diesem Spiel auch endlich mal wieder offensiv zu überzeugen.
Da aber so ein Fußballfeld sehr groß ist und elf Mann eigentlich – übers Feld verteilt – sehr wenig sind, ist es kein Wunder, dass sich bei der Spielweise defensiv Lücken auftun. Ärgerlich ist es halt, wenn diese Lücken durch eigene grobe Fehler verursacht werden, z. B. dass ein Spieler in der Annahme, gefoult worden zu sein, sich mehr um seinen Fall denn um den Ball kümmert, wenn ein anderer mehr verklärt als klärend klären will und selbiger dann auch noch zwei Mal in einer Schrittfolge Riesenpech hat, indem er erst den Ball unabsichtlich zum Gegner spielt und dessen Schuss dann mit der Achillesferse ins eigene Tor abfälscht.
Oder wenn der defensive Mittelfeldmann ohne Absicherung nach vorne galoppiert, den Ball vertändelt, und dann aber nur zurücktrabt.
Dass dann die Gäste mit diesen eineinhalb Chancen mit 2:0 in die Pause gehen, während wir leider nur den Pfosten trafen, erhöht den Groll gegen die bösen Geister zusätzlich. Doch dankenswerterweise war es ja, wie eingangs erwähnt, auch im klassischen Sinne ein Geisterspiel, denn den Groll der Zuschauer hätte die Mannschaft wahrgenommen, weil die Masse eben nur (auf das Ergebnis) schaut, aber nicht (das Spiel, die Spielweise, das Engagement der eigenen Mannschaft) sieht.
So musste der Trainer nichts weiter tun in der Pause, als sicherzustellen, dass vor allem Kramaric und Posch nicht von allen guten Geistern verlassen sind, und dass sie wie auch alle anderen weiterhin so varianten- und geistreich und last but not least auch -esgegenwärtig weiterspielen, weiter auf sich vertrauen, auf ihre Chance, und deshalb auch ruhig mal was versemmeln sollen, ohne sich die Worschd vumm Brood holen zu lassen.
The Wurst Is Yet To Come
Und so startete das Team auch mit breiter Wur…Brust ins Spiel, kam schnell wieder in aussichtsreiche Position, zum Eckball, mit dem sie nicht nur den Gegner überraschte. Unser Gemütszustand bei Ausführung der Ecke entsprach dem Biss in die Stadionwurst, deren Fett, Wasser, Senf und/oder Ketchup sich auf der eigenen Kleidung verteilte – und am besten: danach noch zu Boden fiel, denn eines ist klar: Unsere Ecken sind selten gut, aber kurze Ecken sind immer scheiße – und genau die spielte Kramaric. Und das noch luschig.
Ausgleich.
Durch Kramaric.
Hä?
Das war schon hohe Illusionskunst – eine Art „slight of foot“, wie man es wohl in Zaubererkreisen nennen würde –, denn während alle auf den Ball schauten, der da langsam an der Seite entlang zurückgepasst wurde, schaute niemand auf Kramaric, der sich auf den Weg zum Fünfer machte, während der Ball dann doch seinen hohen Weg ans andere Eck desselben fand und da dann auf vieles, vor allem aber Poschs Kopf fiel, von wo aus er dann zu Kramaric trudelte, der nicht lang hudelte, gegen das Spielgerät nudelte, auf dass auf einmal die Tormusik durchs leere Rund dudelte. Wirklich getroffen hat Kramaric den Ball ja nicht, und wirklich vorgelegt hatte ihn Posch ja auch nicht, aber der Ball war wirklich das im Tor, was es auch noch alles im Spiel wie/für unsere Mannschaft war: drin.
So könnte es weitergehen, hoffte man in den blau-weißen Wohnzimmerstadien – und die Hoffnung wurde nicht enttäuscht, weil endlich auch mal Kaderabek den Mut hatte, den Ball nicht bockwurstgleich gebogen, lasch und fad, sondern mit Drall und Schmackes flach und scharf in den Strafraum zu bringen. Zu scharf für Skov, perfekt für Bebou, Ausgleich.
Kaderabek schien nun geradezu beseelt vom guten Geist der guten Tat, den plötzlich wurde erst er sich, dann wir uns wieder gewahr, was einst seine größte Waffe war: die Stampede auf die Grundlinie.
So ochste er sich gegen seinen Gegenspieler durch, bisonte sich und den Ball bis zum Ende des Feldes, stierte nach innen, wo er Kramaric recht frei auf dem Acker sah, der auch seine Chance witterte und stehenblieb und auf das Futter wartete, mit dem K dann von K versorgt wurde: einer perfekten Vorlage, die er nur noch einhufen musste – du dies auch tat. Führung.
So ein Stürmer ist schon ein seltsames Ding: erst trifft er nichts, dann alles. 3:2. Alles super.
Im Gegensatz zur Partie vom 19. September 2009 waren es noch rund 30 Minuten und keine 30 Sekunden mehr bis zum Schlusspfiff zu spielen – und damit auch viel Zeit, diese Führung zu verspielen. Aber es passierte nicht. Es passierte auch sonst nicht mehr viel – bis auf eine Chance aus dem Nichts für die Gäste, an deren Ende der Ball zwar in unserem Tor landete, was aber zu Recht nicht zählte.
Und so zählten wir die Minuten, dann die Sekunden runter, bis zum Ende der offiziellen Nachspielzeit, die aber nicht das Ende war, sondern der Anfang eines letzten Angriffs der Gladbacher, den wir ins eigene Toraus klären konnten. Doch im Gegensatz zum Spiel gegen Leipzig gab der Schiedsrichter diesmal die Ecke nicht mehr.
Pfiff. Schluss.
Und so wurde aus einem (womöglichen) „Buuh!“ nach 45, ein „JAAAAAAAAA!“ und auch ein „Puuuh!“ nach 90 Minuten.
Dieses Erlebnis nicht im Stadion gehabt zu haben, macht zwar ein bisschen traurig, aber dieses Ergebnis zu haben, macht es zum besten TSGeisterspiel der Saison.
—
Schlussanmerkung der Chefredaktion:
Sollte man vielleicht nicht auch noch erwähnen, dass wir mit Bogarde einen Spieler haben, der Grillitsch ersetzen könnte, schließlich will der ja „den nächsten Schritt“, sprich: weggehen.
Antwort:
🙂
—
Schlussschlussanmerkung der Chefredaktion:
Was ’ne grandiose Musikauswahl. Leider wieder mal Perlen vor die Säue.
Submit a Comment