VfL Wolfsburg vs. 1899 Hoffenheim
Unser kleines Dieselgate
Zu wenig Turbo, zu wenig Tore.
Keine Punkte. Kein Problem.
Fast in der gesamten Republik wird das Produkt hergestellt, für das Deutschland so berühmt ist und so beneidet wird, wie für sonst nichts auf der Welt. (O. K., außer Bier.) Im Westen geht es mehr um Masse, im Süden um Klasse und im Norden, genauer: in Wolfsburg geht es um beides – und seit geraumer Zeit vor allem drunter und drüber.
Zwar ist VW der größte Automobilhersteller der Welt, aber der aktuell am schlechtesten beleumundete. Die Zeiten, in denen man die Kernmarke vor allem mit Winden und teureren Sportarten assoziierte, sind längst vorbei. Nicht Scirocco und Passat bzw. Golf und Polo dominieren die Überschriften, sondern das sogenannte „Dieselgate“ – und wenn nicht der Skandal, dann die Leistung seiner Bundesligamannschaft, deren deutsche Meisterschaft noch sensationeller war als unsere Herbstmeisterschaft. (Irgendwie interessant: Beides fand in derselben Saison statt.)
Nun waren die letzten acht Jahre seitdem für den Verein auch nicht gerade mit Erfolgen gesegnet, aber das Leben in der Liga verlief für den VfL besser als für uns. Doch in dieser Saison ist alles anders. Wir spielen vorne mit, während der VfL sich gefährlich nah der Abstiegszone befindet. Und hätten wir gewonnen, wären wir noch weiter vorne bzw. die Gastgeber noch weiter weg von den Plätzen, an denen sie in der Vergangenheit immer nah dran, wenn nicht gar drin waren.
Aber wir haben nicht gewonnen. Wir haben auch dank der übrigen Ergebnisse dieses höchst überraschenden Spieltages nichts groß verloren, aber ärgerlich ist es trotzdem. Sehr.
Vielleicht ist es eine Ironie des Schicksals, dass wir, die wir sonst dafür bekannt sind, dass wir immer aus dem Stand Vollgas geben können, weil unsere Mannschaft wie ein optimal getuntes Aggregat agiert, erlebten wir hier unser ganz eigenes „Dieselgate“, was aber nichts mit Mauscheleien auf dem Prüfstand zu tun hat. Wir präsentierten uns einfach nur wie ein schlecht justierter Motor ohne Zündkerze.
Eine solche braucht ein Diesel bekanntlich nicht, da das Charakteristikum einen solchen Motors ja die Selbstzündung des eingespritzten Kraftstoffs mittels der durch Komprimieren erhitzten Verbrennungsluft ist. So gesehen kann man unsere Mannschaft durchaus auch als Diesel sehen, schließlich ist ein Ballgewinn für sie ja durchaus eine Art Selbstzündung – und wenn dann noch der Turbo anspringt …
Aber das tat er nicht, zumindest nicht in diesem Spiel, vor allem nicht am Anfang. Da erreichte die Mannschaft nicht einmal die nötige Betriebstemperatur, was auch an der harten Spielweise der Gastgeber zu Anfang des Spiels lag, die aber nötig ist, da der Motor sonst „nagelt“.
Es dauerte über eine Viertelstunde, bis das Nageln verschwand. Dann aber lief es auch sofort besser. Die Kombinationen liefen besser und flüssiger und schon, eigentlich mit der ersten Chance, gingen wir durch Zuber nach rund einer halben Stunde mit 1:0 in Führung.
In der Folgezeit vermieden wir es allerdings, unser Aggregat weiter hochtourig zu fahren, so dass wir das Spiel zwar jederzeit unter Kontrolle und auch noch gute Chancen hatten, die Führung auszubauen, aber entweder krachte der Ball an die Latte oder die Power verpuffte kurz vor dem Ziel.
Eine Ursache dafür war, dass ein wesentliches Bauteil (Uth) wegen Beschädigung durch Fremdeinwirkung früh aus dem Verkehr genommen werden musste. Er wurde durch Terrazzino ersetzt, der seine Aufgabe gut erfüllte, allerdings halt nicht mit der Qualität wie das Original.
Dennoch ging es weiter voran, was aber vor allem daran lag, dass der Gastgeber bestenfalls wie ein Zweitakter übers Feld ackerte. Zudem ging es nun in die Werkstatt…äh…Halbzeit und da gelang es im bisherigen Verlauf der Spielzeit dem Boxen…äh…Trainerteam bisher ja fast immer, Feinjustierungen vorzunehmen, die für eine bessere Performance sorgten.
So war es auch diesmal, aber während man sich bei uns um solche Details wie Zündzeitpunkte, Achslastverteilung und Ähnliches kümmerte, gelang den Gastgebern ein Komplettumbau. Plötzlich sahen wir uns nicht mehr einem Traktor gegenüber, sondern einem Erlkönig, der unsere Mannschaft von Anfang der zweiten Halbzeit an vor große Probleme stellte und uns etwas hektisch und kopflos agieren ließ. Anders ist weder die Großchance von Gomez, die hervorragend von Baumann im 1:1 geklärt werden konnte, noch der Abwehrversuch Süles nach einer Ecke zu verstehen, wo er den Ball zwar aus der unmittelbaren Gefahrenzone köpfte, das allerdings auch in die Mitte vor den Strafraum, wo Arnold stand und dankend annahm. 1:1.
Zwar versuchten wir dagegenzuhalten, aber das, was man zu Beginn des Spiel noch als Kaltlaufnageln einschätzte, war es offensichtlich nicht. Das Problem schien diesmal grundlegender Natur. Bei einem Dieselmotor nagelt es bei
- Zündverzug bei der Verbrennung
- Düsenfehler, die den Kraftstoff nicht fein genug zerstäubt
- Kraftstoff mit zu niedriger Cetanzahl, die eine gleichzeitige und damit optimale Verbrennung des Kraftstoff-Luftgemischs verhindert.
Und bei uns schien das irgendwie ein wenig von allem zu sein:
So lief das Zusammenspiel unserer Außenverteidiger über das Mittelfeld in die Sturmspitze nur noch stotternd. Selbst der einzigen Großchance, die wir durch Szalai, der recht früh den meist leerlaufenden Kramaric ersetzte, hatten, fehlte auf den letzten Metern Newtonmeter, so dass sie zwar optisch spektakulär, aber doch recht einfach zunichte gemacht werden konnte.
Zudem wurde in der Partie mit zunehmender Spieldauer immer deutlicher, welche Bedeutung die Spieler haben, die nicht (mehr) auf dem Platz standen. Die mangelnde volle Kraftentfaltung über die gesamte Strecke…äh…Spieldauer hinweg, könnte ein Indiz für erste Verschleißerscheinungen der aktuellen Bauteile sein, die ja aufgrund der aktuell doch eher dünnen Personaldecke dauerhaft im Einsatz sind.
Mag es mit der Kondition noch stimmen, so sind die unpräzisen Zuspiele insbesondere in der 2. Halbzeit auch Anzeichen von Schwächen in der Konzentration. Und ähnlich dem ersten Tor der Hausherren fiel auch deren Siegtreffer im Anschluss an eine unglückliche Kopfballabwehr im Anschluss an eine Standardsituation. Und die Gäste hätten noch höher gewinnen können, hätte nicht Baumann mit viel Glück und Können noch die ein oder andere Hundertprozentige zunichte gemacht.
So kam es im 2. Auswärtsspiel der Rückrunde zur zweiten Saisonniederlage. Wieder mit 1:2 nach einer 1:0-Führung. Diesmal in der Stadt von VW. Das tat schon sau weh. Und statt dem erhofften Platz 3 in der Tabelle, Platz 11 – in der Rückrunde.
AAAAAAAAABER:
Ganz abgesehen davon, dass alle anderen Mannschaften um uns rum ihre Spiele ebenfalls verloren, so dass diese Niederlage tabellarisch keine Auswirkungen hatte, möchten wir daran erinnern, dass wir in der Hinrunde wir auch nicht viel besser dastanden.
Da hatten wir ebenfalls nur drei Punkte nach drei Spielen. Damals bedeutete das Platz 10. Und wir gingen relativ frohgemut und vielleicht auch ein bisschen, schließlich waren wir ja noch ungeschlagen, überheblich in die Folgepartie, die wir durch ein dämliches Gegentor aufgrund mangelnder Konzentration bekanntlich ebenfalls nicht gewinnen konnten.
Das dürfte diesmal anders sein! Denn:
- Aller Voraussicht nach wird uns wieder unser bewährter Kompressor (Wagner) zur Verfügung stehen.
- Der Gegner der nächsten Woche hat an diesem Spieltag keine 6:0-Klatsche erlitten, sondern ganz im Gegenteil gezeigt, dass auch er ähnlich dem Brabham-Alfa BT46B von ehedem ganz ohne Hightech, dafür mit viel Raffinesse eine enorme Kraft entfalten kann.
(Auch der vielen besser als „Staubsauger“ bekannte Bolide gewann ebenfalls höchst überraschend sein erstes (und einziges) Rennen. (Beim Grand Prix von Schweden in Anderstorp, Mitte Juni 1978. Am Steuer saß ein gewisser N. Lauda.)
Von daher dürften nun alle alert genug sein, um mit der richtigen Einstellung nächsten Samstag an den Start zu gehen – und die Kurve zu kriegen, um wieder so richtig Fahrt aufzunehmen, auf dass es uns dann gelingt, den ein oder anderen vor uns Liegenden zu überholen.
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Einmal mehr ein erfrischender Artikel, lieber Heiko. Eine Sache möchte ich aber ergänzen: Deutschland ist bestenfalls in Sachen Bierkonsum vorne und wird insofern von den Brauereien dieser Welt beneidet. Was die Qualität des fermentierten Gerstensaftes angeht sind wir nur unterdurchschnittliche Performer. Siehe http://www.worldbeercup.org
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