Werder Bremen – 1899 Hoffenheim
Das Spielhälften-Mysterium
Rätselhafter Auswärtspunkt am Ehrentag des Rekordtorjägers
Zum ersten Auswärtsspiel dieser Spielzeit reiste der TSG-Tross zum SV Werder nach Bremen. Das Duell der beiden im Jahre 1899 gegründeten Bundesligavereine war mit einer großen Aufgabe verbunden, denn im Weserstadion konnte „Hoffe“ in sieben Duellen den Platz noch nie als Sieger verlassen.
Nach dem erfolgreichen Saisonstart am vergangenen Wochenende gegen Augsburg konnte unsere Mannschaft unbeschwert die grün-weiße Herausforderung annehmen und präsentierte sich erstmals im neuen Jogginganzug-grauen Ausweichtrikot. Neuzugang Kim musste wegen einer stark schmerzenden Schulter passen, was zur einzigen Änderung in der Startaufstellung im bewährten 4-2-3-1-System führte: Captain Beck wechselte auf die linke Verteidigerposition, Allrounder Strobl rückte als rechter Verteidiger ins Team.
Unser Team kam gut ins Spiel und zeigte in der ersten Halbzeit, dass die Bremer Verantwortlichen der TSG im Vorfeld der Partie zu Recht die Favoritenrolle zugeschoben hatten, wenn auch die Gründe für die fast zu Tränen rührenden Aussagen in der TV-Vorberichterstattung zum Spiel hinsichtlich der wirtschaftlichen Chancenungleichheit beider Vereine auf Werderaner Seite in weiten Teilen hausgemacht sind.
Auf dem Platz zeigte sich, dass „Hoffe“ in dieser Besetzung attraktiven Offensivfußball zelebrieren kann, der jedem Gegner große Probleme bereiten dürfte. Bremen stand im 4-4-2 tief und wartete auf Konterchancen. Unsere Elf spielte zielstrebig nach vorne und hatte bereits in der 10. Spielminute eine gute Chance, die Szalai knapp am Pfosten vorbei setzte. In der 19. Spielminute wurden wir Zeuge hoher Fußballkunst: Rudy hatte halbrechts viel Raum, flankte über gut 30 Meter auf Firmino, der den Ball in der Luft direkt elegant abstoppte, am Bremer Torwart vorbeischob und sicher einnetzte. Das frühe 1:0 für die TSG. In der Folge erspielte sich „Hoffe“ weitere gute Chancen, ließ aber die Effizienz aus dem Augsburg-Spiel vermissen, so dass es „nur“ mit einer 1:0-Führung in die Halbzeit ging.
Auch wenn Trainer Gisdol ungern einzelne Spieler hervorhebt, in dieser ersten Halbzeit konnten sich vier Spieler besonders in Szene setzen: Die Innenverteidigung mit Neuzugang Bicakcic und dem jungen Süle, der in Bremen 87 % seiner Zweikämpfe gewann, harmoniert schon in dieser frühen Phase der Saison hervorragend und lässt auf weniger Gegentore als im Vorjahr hoffen. Rudy, der 67 % seiner Pässe zum Mitspieler brachte, ordnete das Spiel im Mittelfeld und Firmino, der die meisten Hoffenheimer Ballkontakte hatte, ist einfach ein begnadeter Fußballer, dessen Ballbehandlung ein Genuss für jeden Fußballliebhaber ist.
In der Halbzeitpause muss in der Gästekabine des Weserstadions dann Mysteriöses passiert sein. War etwas im berühmten „Pausentee“, was dem bis dorthin dargebotenen Tempofußball nicht zuträglich war? Oder war es der Geburtstagsnusshefezopf, der den Spielern gereicht wurde?
Die Frage wird wohl ungeklärt bleiben, den Jubilar an seinem Ehrentag im Rahmen dieses Spielberichts nicht zu würdigen, wäre aber frevelhaft. 227 Pflichtspieltore für die TSG 1899 Hoffenheim zu erzielen, ist eine Leistung, die so schnell kein Spieler aus dem aktuellen Kader erreichen dürfte. „Geburtstagskind“ Heinz Seyfert hat diese Rekordmarke gesetzt, wenn auch zu seiner Zeit auf den Dorfplätzen im Fußballkreis Sinsheim und nicht in der Bundesliga. Aus Sicht des Fans ist diese Frage aber nicht relevant. Heinz Seyfert ist eine Vereinslegende, als früherer Spieler, Spielausschussmitglied, Vorstand, Platzwart, Jugendtrainer und seit vielen Jahren in seiner aktuellen Funktion als Zeugwart und Betreuer der TSG. Ihm den ersten Auswärtssieg der Saison anlässlich seines Geburtstags zu schenken, war sicher der fromme Wunsch des Teams, leider stand dem aber eine zweite Halbzeit entgegen, die in der Analyse schwer zu bewerten ist.
War es der verletzungsbedingte Wechsel Abrahams für Strobl, der zu Abstimmungsproblemen führte? War sich das Team nach der beeindruckenden ersten Halbzeit schon zu sicher, den ersten Sieg in Bremen einzutüten? Oder kamen die in der ersten Halbzeit schwachen Bremer von Trainer Dutt besser eingestellt so stark aus der Kabine, dass ihrem körperbetonten und druckvollen Spiel kein Offensivfußball im „Hoffe“-Stil entgegenzusetzen war?
Jedenfalls gehörte die zweite Halbzeit dem SV Werder, während „Hoffe“ mit lang gespielten Bällen in die Spitze versuchte, sich zu befreien, was aber mit zunehmender Spieldauer immer weniger gelang. Eigene Offensivaktionen waren Mangelware, es gab nur einen gefährlichen Kopfball von Süle nach einer Ecke. Dem Spielverlauf geschuldet glich Bremen in der 59. Spielminute zum 1:1 aus, Elyounoussi war im eigenen Strafraum ausgerutscht und Werders Galvez nutzte seine Chance. Bremen kam immer besser ins Rollen und erarbeitete sich Chance um Chance, die aber glücklicherweise allesamt nicht genutzt werden konnten. Einerseits versuchte Markus Gisdol mit der Einwechslung von Vestergaard in der Defensive, die Lufthoheit zurückzugewinnen und insgesamt „hinten dicht“ zu machen. Andererseits war Bremen in der Schlussphase in den Zweikämpfen einfach bissiger und robuster. „Hoffe“ wehrte sich zwar nach Kräften, „Härte“ ist aber nicht unsere Stärke, was die Bilanz von null gelben Karten für die TSG in einer solchen „Kampfhalbzeit“ belegt.
Letztlich muss man nach dieser 2. Halbzeit froh sein, überhaupt einen Punkt aus Bremen mit in den Kraichgau genommen zu haben. Die Statistik spricht ebenfalls für ein gerechtes Unentschieden: 15 zu 12 Torschüsse für Bremen, Laufdistanz 117 zu 114 km für „Hoffe“, Ballbesitz je 50 %, die Zweikampfbilanz und die Passquote waren ausgeglichen.
Als „Fan“ darf man sich aber ärgern, dass unsere Mannschaft in der starken ersten Halbzeit „den Sack nicht zugemacht“ hat, was dem Verein einen absoluten Traumstart in diese Bundesligasaison beschert und zugleich den „Fluch von Bremen“ ausradiert hätte. Vier Punkte nach zwei Spielen sind aber eine sehr ordentliche Ausbeute, die auf eine sorgenfreie Spielzeit hoffen lässt. Die Frage wird sein, ob das TSG-Team in der starken ersten oder in der schwachen zweiten Halbzeit ihr wahres Gesicht gezeigt hat.
Zunächst einmal geht die Reise unserer Spieler in aller Herren Länder, denn in den nächsten 14 Tagen stehen Länderspiele auf dem Programm. In zwei Wochen empfangen wir dann in der heimischen Arena den ambitionierten VfL Wolfsburg, der mit nur einem Zähler aus zwei Spielen bereits unter Zugzwang steht und sich für das letzte Gastspiel in Sinsheim, das im März mit einem beeindruckenden 6:2 für die TSG endete, sicher revanchieren möchte.
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