1899 Hoffenheim vs. Werder Bremen
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Die Renaissance der Simplizität
Fußball ist ein einfaches Spiel. Es geht um Tore. Und um diese zu erzielen, braucht man entweder sehr gute Individualisten oder eine sehr homogene Mannschaft, idealerweise beides. Das hat Hoffenheim nicht, und, wie schon vor Spielbeginn durchsickerte, in Sachen Individualist jetzt noch einen weniger.
Carlos Eduardo war zwar im Stadion, aber im Grunde nur noch in der Loge von Dietmar Hopp für ein Abschiedsfoto. Mannschaft, aber auch die meisten Fans erfuhren erst nach dem Anpfiff davon. Und sollte der Kapitän für die gesamte Mannschaft sprechen, dann hat das Team keinen Spieler verloren, sondern einen Problemfall.
Und davon hat die Mannschaft ja irgendwie viele: Bei Simunic ist immer mal ein Übersteiger zuviel drin, bei Compper die ein oder andere Kerze, Vorsah kann keinen Ball dreimal sicher führen, Beck kann zwar rennen, aber kaum schießen und schon gar nicht flanken, Gustavo kann zwar das Spiel des Gegners zerstören, aber das eigene nicht aufbauen, und Salihovic spielt für die Galerie.
Das war der Stand gegen Ende der letzten Saison. Und der Beginn der neuen … fühlte sich anders an, auch wenn er völlig mies los ging. Doch vor dem dummen Handelfmeter, den Gustavo verschuldete und Frings verwandelte, gab es schon eine Besonderheit: Gustavo schnappte sich am Mittelkreis den Ball und lief aufs generische Tor zu. Offensichtlich bestens informiert ließ die Bremer Innenverteidigung ein Riesenloch, denn Gustavo tat in der letzten Saison vieles, aber aufs Tor zu laufen und drauf schießen?
Ne, ne, sagten sich wohl die Bremer Abwehrspieler und ließen ihn gewähren – und dann passierte etwas ganz Seltsames: Gustavo schoss. Nicht gut, nicht platziert, aber er schoss. Der Bremer Keeper konnte ihn ganz lässig aufheben. Das war in Minute 2 bis bis Minute 45 der letzte, bei dem er das vor der Linie tat.
Im Gegenzug gab es dann dieses Tor, aber im Stadion war nicht nur metereologisch weiter eitel Sonnenschein. Commper nicht mehr in der Mitte, dafür Vorsah, der ja hier kein Spielaufbauen muss, das fühlte sich nicht schlecht an. Und das Spiel sah auch gut aus. Der Rasen. Das eckige Rund. Es war einfach schön, wieder da zu sein. Und dann ….
… verlagerte sich das Spiel so nach und nach vors Bremer Tor. Der Ausgleich war eine bloße Frage der Zeit, die dann Ba beantwortete, als er einen missglückten Abwehrversuch der Bremer über die Linie schob.
Das Tolle hieran war aber nicht nur das Tor an sich, sondern die Vorbereitung durch Ibisevic. Vielleicht war die Bremer Abwehr an dem Tag kein Maßstab, aber sie war nun mal, gegen die es ging – und dafür reichte es. Tänzel, tänzel, Pass nach innen, Ba, Tor.
Die Begeisterung war groß, aber nicht umwerfend. Man hat damit gerechnet. Und dass das Spiel dann auch so nach 30 Minuten verflachte, war angesichts der Temperaturen nicht wirklich verwunderlich. Aber war auch OK. Nach dem frühen Rückstand gekämpft und ein herausgespieltes Tor erzielt. Fanherz, was willst du mehr?
Drei weitere Torein sechs Minuten?
Alle von einem anderen?
Und jeder Stürmer eines?
Kein Problem. Ba war schon dran, blieben also Mlapa, wurde prompt von Compper mit einem hervorragenden schnellen Pass in die Tiefe bedient, der den Ball trocken ins linke Eck schob, und Ibisevic, der drei Minuten später von Gustavo mit einem wunderbaren Zuspiel hinter die Abwehr bedient wurde, der sich dann für einen kleinen Bogenschuss ins rechte Eck entschied. Drei Minuten geschah dann das wahre Wunder, was wir heute genießen, auch wenn es die Gefahr birgt, dass Salihovic diese einen Schuss zumindest die Hinrunde über als Beweis für seine Ballfertigkeit sieht. Hat er nicht. Wenn es überhaupt einen Fehlpass im Spiel der Hoffenheimer gab, dann war zumeist Weiß oder eben jener Salihovic am Ball, der kurz vor der Halbzeit einen klassischen Freistoß schoss: rund 20 m vorm Tor, über die Mauer, ins obere Eck. Drin.
4:1.
Hat der Geist vom Waldhof inzwischen auch den Weg in den Kraichgau gefunden? Alles, was man sehen konnte, ließ dies hoffen. Und schon zur Pause war der eigene, kühne Tipp, dem man im Interview auf dem „Internet-Tagebuch eines Werder-Fans“ gab, um ein Tor übertroffen.
Sicher war man nicht, denn, so sehr diese erste Halbzeit, was Spielaufbau, Laufbereitschaft und Chencenwertung an beste Zeiten aus der Premierenhinrunde erinnerte, gab es genau da auch ein Spiel Bremen Hoffenheim, wo die Heimmannschaft 4:1 führte und dann noch ein 4:4 hinnehmen musste. Damals fiel noch ein 5. und zwar für die Heimmanschaft an der Weser. Diesmal fiel nichts mehr. Kein Tor, kein Torwart, kein Spieler. Dafür der Jubel nach 90 Minuten riesig aus.
Spitzenreiter.
Wer weiß … Eduardo soll ja zu Rubin Kazan, dem russischen Meister wechseln. Vielleicht spielt er schneller wieder in Hoffenheim, als er denkt? 🙂
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