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Schopenhauer und Dschungelprüfung

Was brodelt im Hochofen Hoffenheim?

Eine der größten Herausforderungen des Lebens liegt im Besiegen von Niederlagen. Dies umso mehr dadurch, als dass die Versuchung groß ist, sich dem Leid hinzugeben, weil man viel Mitleid erfährt.

Zudem ist es auch nicht ungefährlich, dieses Mitleid abzulehnen, wollen doch die Bemitleidenden nicht selten für ihr Verhalten gelobt werden. Empathie und Egoismus sind schon arg eng miteinander verbandelt ebenso wie Tugend und Narzissmus. „Sehet, ich bin gut!“ Also wehe dem, der meint, dass das schon wieder werde. Schließlich signalisiert diese Person, dass sie die Hilfe nicht brauche.

Andererseits ist es aber auch nicht so ohne, jemanden in seinem Scheitern alleine zu lassen, holt man sich dann doch ganz schnell den Vorwurf ein, „unempathisch“ zu sein. Und dabei spielt es keine Rolle, dass das Vorhaben an sich einige Nummern zu groß für einen und somit das Scheitern im Grunde vorprogrammiert war.

Es ist wahrlich nicht ganz einfach: Einerseits sprechen Menschen Menschen sowohl Fähigkeit als auch Möglichkeit ab, gewisse Ziele zu erreichen, andererseits weisen Menschen Menschen nicht auf fehlende Fähigkeiten und Möglichkeiten hin.

Ersteres findet man leider sehr oft in eher sogenannten bildungsfernen Schichten, wo Kinder auf einmal ein Faible für Kunst und Kultur entwickeln, Balletttänzer werden wollen, klassische Komponistin, Schauspieler, Dramaturgin (natürlich gibt es das aber auch in gutbürgerlichen Familien, deren Nachwuchs eine Passion im Betrieb einer getränkeorientierten Kleingastronomie oder im Aufstellen von Getränkeautomaten sieht), zweiteres wird man immer wieder in sogenannten Castingshows gewahr, wo Menschen bar jeglicher Grundlage der festen Überzeugung sind, sie könnten etwas, z. B. singen – und, da sie niemand auf dieses absolute Talentdefizit hinweist, sich dem Gespött einer dann wenig wohlwollenden Öffentlichkeit preisgeben.

Und damit wären wir bei Schopenhauer.

„Die Welt als Wille und Vorstellung.“

Und so sehr du, geneigte/r Leser/in, dir nun sicher bist, den Satz verstanden zu haben, ist dem nur insofern so, als dass du dem deine Definitionen von „Wille“ und „Vorstellung“ zugrundelegst – und wir gehen jede Wette ein, dass diese nicht die Schopenhauers sind:

Für Schopenhauer ist Wille ein kosmisches Prinzip der Existenz, das für das individuelle Dasein in der Welt verantwortlich ist und sich u. a. als „einen blinden ziellosen Drang zu leben“ beschreiben lässt.

Unter Vorstellung versteht er die mentalen Funktionen, die für die Modalität, also das Wie, des Erkennens eines erkennenden Lebewesens verantwortlich sind.

Schopenhauer ist der Meinung, dass die individuelle Vorstellung uns daran hindert, die Welt wie sie ist, also den Willen, in allem und nicht nur in uns selbst, zu erkennen.

Das klingt sehr kompliziert, was es im Detail auch ist, aber simplifiziert sagt es, dass jedes Urteil, das wir über etwas fällen, mangelhaft ist, weil es von uns gefällt wird, die wir niemals alles wissen können.

Das macht Schopenhauer zum Endgegner aller Fußball-Kommentatoren und -innen, da diese – subjektiv gesehen – immer alles wissen. Ja, aber eben halt nur subjektiv gesehen.

Gerne begehen diese Menschen dann noch den Fehler der „additiven Affirmation“. Sie haben also eine Vorstellung von der Welt, d.h. eine Erklärung zu einem Ist-Zustand, wie er sich für sie darstellt, und ergänzen diese durch die Vorstellungen von der Welt anderer, was in ihrer Vorstellung zu einer Objektivierung führt.

Nach dem Spiel gegen Bayern-München war es das Interview Kramarics, nach dem Spiel gegen Union Berlin war es das Geigers.

Das ist natürlich dummes Zeug. Nicht das, was Geiger sagte, sondern die Schlussfolgerung. Selbst wenn eine Vorstellung zu 90% richtig wäre und die andere auch, ergibt sich ja keine 180%ige Richtigkeit, sondern eher eine 81%ige (90% von 90%).

Die Wahrheit liegt also nicht in der Summe der Vorstellungen, sondern im Willen, zumindest im Schopenhauer’schen Sinne des ziellosen Drangs.

Jetzt ist aber seine Definition eine sehr spezielle und nicht die einzige. Allgemeiner betrachtet wird der menschliche Wille als persönliche Kraft beschrieben, als Ausdruck von etwas Eigenem und Besonderem, der als fundamentale Voraussetzung für die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben gilt:

„Wille ist die aus dem Ich kommende und entwickelbare Grundkraft (Energie), die das alle Handlungen bestimmende Streben des Menschen bezeichnet, sich mithilfe der Vernunft, also dem Ausprägen von bewussten Motiven, und mit fester Absicht für ein Verhalten zu entscheiden und ein (bestimmtes) Ziel anzustreben“ (Quelle).

Er bezeichnet die essenzielle menschliche Fähigkeit, Ziele durchdacht zu setzen und diese entschlossen zu verfolgen. Der Mensch erlebt seinen Willen in Abhängigkeit zum Ich und damit grenzt sich dieser als bewusste Entscheidung für eine bestimmte Handlung vom Trieb ab.

Interessant ist dabei auch, mit welchen Attributen der Wille in Verbindung gebracht wird. Meist steht dem ein „frei“ voran, aber auch „stark“, „entschlossen“, „unerschütterlich“, „schwankend“, „schwach“. Die TSG entschied sich in der Bewerbung des Spiels in Anlehnung an das Synonym für die Gäste für „Mit eisernem Willen“.

Und auch da hatte jeder so seine ganz eigene, subjektive Vorstellung – und keine dürfte der entsprochen haben, die die TSG gestern gab. Die war ja eher blutleer.

Das spricht eher für eine Eisenmangelanämie, die man unter anderem erkennt an erhöhter Infektanfälligkeit, Reizbarkeit, innerer Unruhe, brüchige Nägel, sprödes Haar sowie Mundwinkelrhagaden (Mundwinkeleinrisse).

Bewährte Hausmittel dagegen sind rotes Muskelfleisch oder Leber, Linsen, Sojabohnen; Nutella (äh: Nüsse), Pistazien, Sonnenblumenkerne, Brunnenkresse, Petersilie, Zwiebeln.

Es passierte also, was bereits beim ersten Heimspiel in diesem Jahr geschah – nur noch schlimmer: Bereits in der Bewerbung des Spiels (gegen den VfL Wolfsburg) legte man den Fokus in der Kommunikation auf ein Wortspiel („Mit Biss gegen die Wölfe“), dessen Verlauf aber das Versprechen konterkarierte. Das Spiel ging 0:1 verloren, das jetzt 0:4.

Der eiserne Wille mag ja bei Drucklegung vorhanden gewesen sein, aber von Anpfiff an war wenig davon zu sehen, dafür immerhin nach Schlusspfiff zu hören. Vom Sportdirektor, der überzeugt ist, „dass wir da auf dem richtigen Weg sind. Natürlich ist es so, dass die Ergebnisse ausbleiben, dadurch wird es immer schwierig im Fußball. Aber derzeit beschäftigen wir uns im gesamten Verein nicht mit diesem Szenario.“ Gemeint ist ein Trainerwechsel.

An ihm liege es ja auch nicht. „Jeder muss sich selbst hinterfragen, ob man in der Situation, in der wir gerade stecken, alles dafür tut, um da wieder rauszukommen.“ wird Bülter auf kicker.de zitiert – und man fragt sich schon, wen oder was er denn meint. In Matarazzo sahen die Spieler ja auch nicht den Schuldigen.

Es war wohl der Wille im Sommer, alles zu ändern, aufzuräumen mit der Mär der Komfortzone – und man muss zugeben, das ist gelungen. Das Problem mit solchen Aktionen wie dem Bruch mit bewährten Strukturen ist ja immer das Fehlen neuer Strukturen.

Wer denkt da nicht an Nietzsches „Gott ist tot.“? Wer oder was tritt an seiner statt? Selbiges gilt für alle anderen Autoritäten, die man aus zum Teil guten Gründen abgeschafft bzw. deren Macht eingeschränkt hat. Nebst Klerus, haben ja auch der Adel, das Militär, der Staat, die Polizei, das Patriarchat, Lehrerinnen und Lehrer etc. an Einfluss / Bedeutung / Respekt verloren, ohne dass eine andere, gesellschaftlich anerkannte Kraft an Bedeutung gewonnen hätte – außer dem Individuum, das aber in den allermeisten Fällen heillos damit überfordert ist, Regeln und Strukturen zu schaffen, die ihm Orientierung geben, insbesondere dann, wenn diese ihm auch Grenzen aufzeigen.

Weil man vor den Aufgaben am liebsten zurückschrecken, aber selbst nicht zurückstecken will, wird in diesen Momenten aus eisernem Willen ganz schnell Sturheit. Das aber schadet nicht nur einer Turn- und Sportgemeinschaft.

Das Interview Kramarics sowie die vielen Krankmeldungen zum Ende des Transferfensters ließen uns ja schon Schlimmstes befürchten. So berechtigt ja der Vorwurf der Komfortzone TSG gewesen sein mag, was ist, wenn es dem ein oder anderen Spieler zu ungemütlich wurde, und er bei seinem Berater anruft und die Worte sagt: „Ich bin ein Star. Hol‘ mich hier raus!“

Die aktuelle Staffel ist ein wunderbares Beispiel für Menschen, die in einer völligen Scheinwelt leben, die sie „Reality“ nennen. Und nicht unwahrscheinlich, dass diese Staffel mehr „Reality“ war als jemals zuvor, von einer Meta-Ebene aus betrachtet, denn selten zuvor waren die Verlautbarungen lauter, noch nie waren die Ergebnisse erbärmlicher.

Ins Dschungelcamp zu gehen, war für die meisten von ihnen der große Traum. Sie haben sich durch die Niederungen ähnlicher Formate gespielt, dort auf sich aufmerksam gemacht, um dann im Oberhaus des Trash-TV antreten zu können. Dort aber angekommen, mussten sie feststellen, dass es so ist, wie es ist und schon immer war, was sie aber – in ihrer Vorstellung – nicht wahrhaben wollten. Und obwohl die sogenannten „Prüfungen“ genauso waren wie in all den Jahren zuvor, versagten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und/oder ihre Nerven, weil sie mit Kakerlaken, Mehlwürmer, Spinnen, Schlangen konfrontiert wurden oder herabfallendes Wasser.

Der Mangel an Vorstellung von den Aufgaben sowie auch Willen, sich dem Ganzen in all seiner Konsequenz zu stellen, wurde schon an den Lieblingsgegenständen deutlich, die sie mitnehmen durften: Kuscheltier, Make-Up, Parfüm. Hinzu wurden nicht erlaubte Gegenstände mit sich geführt (Brühwürfel, E-Zigaretten (versteckt in einer Slipeinlage)).

Wen also meinte Bülter?

Keine leicht zu beantwortende Frage, immerhin kamen schon 34 Spieler in dieser Saison für die TSG bereits zum Einsatz. Und die Fluktuationen nahmen ja auch während des Transfenstern nicht ab. Also der Wille zur Veränderung ist definitiv eisern, aber das Problem dabei ist: Eisen ist brüchig.

Stahl hingehen kann man verformen, dazu muss man Eisen aber frischen, d.h. bei der richtigen Temperatur, konstantem Druck und viel Geduld mit Sauerstoff aufblasen, nicht: aufblähen. Diese Mixtur muss man dann auch aus dem Hochofen entlassen und ihn in Fluss und dabei dann in die gewünschte Form bringen. Damit er diese aber dann auch beibehält, muss man ihn abkühlen lassen.

Jetzt hatten wir mal eine ganze Trainingswoche, aber nach Einheit sah das schon vor Anpfiff nicht aus.

Einer der ganz Neuen schaffte es gleich in die Startelf: Östigaard machte seine Sache noch am besten. Er gab der Abwehr in der Tat Stabilität. Mehr konnte man auch nicht von ihm erwarten. Den Spielaufbau sollten schon andere übernehmen, aber diese, vor allem Geiger, übernahmen sich dabei. Auch wenn die Gäste kein Pressing spielten, nahm er den Ball immer mit dem Rücken zum gegnerischen Tor an, so dass es nie direkt nach vorne gehen konnte.

Die Ballverteilung über die Flügel fand auch nicht statt, was auch daran lag, dass die rechte Seite permanent un(ter)besetzt war, während man sich links auf den Füßen stand. Ansonsten gab es noch die „Idee“ des langen Balls, der überall landete, nur nicht bei Moerstedt. Vielleicht gab es eine Vorstellung, wie man das Spiel würde dominieren können, der Wille war nicht zu erkennen.

Mitte der ersten Halbzeit kam es dann zum obligatorischen Rückstand. Philipp konnte den Ball zwar noch sensationell abwehren, aber seine Abwehr landete direkt beim Gegner, der dann keine Probleme hatte, einzunetzen.

In der 2. Halbzeit kam dann Orban für den glück- und hilflosen Moerstedt, doch er wurde genauso wenig mit Bällen gefüttert. Es ging einfach gar nichts nach vorne und hinten ging immer mehr falsch. Erst passt Akpoguma unbedrängt und ungenau in die Mitte (0:2), dann lässt sich Touré bei seiner ersten Aktion austanzen (0:3) und reicht ein Steilpass, um uns komplett zu düpieren (0:4).

Schlusspfiff. Was für eine Schlappe. Das Leiden ist groß – und das Mitleid hält sich in Grenzen. Zu vollmundig trat man an und daran wird man nicht nur im Dschungel gemessen. Die nächste Prüfung wartet schon. Man wird wohl Dreck fressen müssen. Ob es einem schmeckt oder nicht.

Das kann aber auch Spaß machen. Oder um es in den Worten Schopenhauers zu sagen:

„Hindernisse überwinden ist der Vollgenuss des Daseins.“

 

 

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