1899 Hoffenheim vs. Schalke 04
Kompensationhandlungen
Die Notwendigkeit der Fokussierung aufs Spiel
0:0.
Keine Tore. Es war auch kein gutes Spiel. Vor allem nicht von der Gastmannschaft – und auch der Schiedsrichter hatte nicht gerade seinen besten Tag erwischt. Und auch unsere Mannschaft war weit von der Form des Vorjahres entfernt. Vielleicht, weil noch keine wirkliche Mannschaft auf dem Platz steht. Vielleicht, weil es zuviele Dinge um den Verein gibt, die vom Wesentlichen ablenken.
Das ist zum einen die Vertragsangelegenheit mit Prince Tagoe. Womöglich hat er einen Herzfehler, aber den hat beispielsweise Gerald Asamoah auch. Und ist das ein Grund, derart in der Öffentlichkeit über Arbeitsverhältnisse zu fabulieren? Und es ist auch nicht gerade ein Zeichen von Souveränität, wenn Herr Hopp die Kündigung telefonisch aus dem Ausland zurücknimmt, was er ja de iure nicht kann. Irgendetwas scheint da in dem „Führung“sduo der Fußball-Spielbetriebsgesellschaft nicht gut gelaufen zu sein.
Und als Fan fragt man sich auch, ob sie auch für das neue Maskottchen zuständig sind.
Völlig zurecht riefen während des Spiels die Fans der TSG Fanatics gegen Elchversuche auf. Zuvor war „Hoffi“ ein dicker, knuddliger, dunkelbrauner Elch, der schon in den unteren Ligen am Spielfeldrand sein Unwesen trieb – er war im Grunde schon so etwas von dem, was diesem Verein angeblich fehlt: Tradition.
Zur Saison 2004/05 lief zum ersten Mal das achtzehn99-Maskottchen Hoffi im Dietmar-Hopp-Stadion ein. Hoffi ist damit einer der Dienstältesten bei 1899 Hoffenheim. Er sorgt für gute Stimmung in der Rhein-Neckar-Arena und ist vor allem bei den kleinen Fans sehr beliebt.
So steht es auf der Internetseite des Vereins. Wie auch: Seit etwa einem Jahr arbeitet die Marketing-Abteilung an der Entwicklung, dem Auf- und Ausbau der Marke „Hoffi“. Warum sie das tut, steht da nicht.
In einem ersten Schritt habe man gemeinsam mit einem renommierten Illustrator die Comic-Figur entwickelt. Falsch. Sie wurde nicht entwickelt, sie gab es ja schon. Und warum besteht der „renommierte Illustrator“ nicht darauf, namentlich genannt zu werden. Und ist er wirklich so „renommiert“, dass er die Unterstützung des Marketing-Teams („gemeinsam“ – dt.: „Wir haben ihm gesagt, was er umsetzen soll. Eigene Ideen durfte er nicht haben“) braucht?
„Die Meinung der Fans ist für den Entwicklungsprozess sehr wertvoll. Bereits bei den (…) ersten Gesprächen hatten wir einen äußerst konstruktiven Gedankenaustauschen“, so Adham Srouji, Leiter Marketing und Vertrieb.
Wir kennen keinen, der da mitgemacht hätte und den Entwurf gut gefunden hätte, aber das hat nichts zu sagen.
„Die Fans haben beim heutigen Spiel nochmals die Möglichkeit, sich den neuen Hoffi genau anzuschauen. In den kommenden Tagen werden wir uns dann erneut mit den Fans treffen, um Anregungen und Wünsche aufzunehmen“, so der Fanbeauftragte Mike Diehl.
Das kann man sich sparen: Nehmt den alten Zottel wieder und alles ist gut. Aber so wird es nicht kommen. Wer immer dafür verantwortlich ist, wird sich durchsetzen und durch das neue Ding ersetzen wollen. Im Grunde ist es die „Elchwerdung“ von Paule, dem DFB-Raben, das Maskottchen der DFB-Elf. Völlig indiskutabel. Überhaupt sich mit so etwas zu beschäftigen bzw. beschäftigen zu können, wirft Fragen nach der Auslastung der Geschäftsführung auf. (Es spricht für Herrn Hopp, dass er sich darum nicht kümmert. Andererseits ist es auch schade, denn er wäre wohl die einzige Chance, wie bereits im Falle Tagoe, dass das Sinnvolle getan und das Unsinnige rückgängig gemacht wird.)
Angeblich glaubt die Geschäftsführung, dass dieses neue Ding besser bei den Kindern ankomme. Sagt wer? Gibt es hierfür Untersuchungen? Valide Daten? Oder hat sich da wer einfach nur mal gedacht, „Hm, der gefällt mir nicht mehr. Mache ich neu!“ (Oder harmoniert diese babydurchfallsbraune Stoffding besser mit diesem anderen rotzgrünen Wesen eines Sponsors, einem Entwurf, der ganz sicherlich das Resultat von zuviel Konsum alter Gozillas-Filme ist. Überhaupt: Wird der Spielfeldrand irgendwann eine Art Maskottchen-Zoo?)
Und wo man gerade am Erneuern war, hat man sich auch gleich daran gemacht, den Internetauftritt zu überarbeiten. Das ist gelungen. Mehr aber auch nicht. So gibt es zwar mehr Informationen, aber immer noch kaum Emotionen. Kein wirklich, wie es in Chefetagen gerne heißt, nachhaltiger Neuanfang – und damit zurück zur Mannschaft und der Frage, ob sie eine ist.
Der Star der Mannschaft ist … ja, wer oder was eigentlich? Das Konzept? Der Trainer? Die Mannschaft selbst? Salihovic ist es jedenfalls nicht. Ihm muss man beibringen, dass er ein Teil eines Systems ist, bei dem auch er davon profitiert, wenn andere glänzen. Von halbrechts kann er gerne Freistöße schießen, sonst nicht. Und bitte auch keine Eckbälle. Sie sind gefahrlos, werden oft zu schnell, zu überhastet ausgeführt. Nicht wenige davon führen sogar direkt zu Ballverlusten, was bei einem stärkeren Gegner auch einmal zu einem Gegentor hätte führen können.
Zum Glück war dies bei Schalke 04 nicht zu befürchten. Die Mannschaft hatte keine Lust am Spiel. Die Taktik von Felix Magath erinnerte teilweise an D-Jugend-Anweisungen. So muss er seinem Spieler, der Eduardo decken sollte, vor dem Spiel gesagt haben: „Du bleibst bei der 10 – und wenn die aufs Klo geht, gehste mit!“ Zudem kamen viele Fouls, so dass unsere Mannschaft erst gar nicht ins Kombinieren kommen konnte. So gesehen hatte der Destruktivismus Erfolg.
Wirklich viele Chancen erspielte sich die Mannschaft nicht. So dümpelte das Spiel von vielleicht einer Handvoll spannender Szenen abgesehen meist um den Schalker Strafraum, in dem Mitte Halbzeit 1 Ibisevic zu Fall kam.
Leider pfiff der Schiedsrichter keinen Elfmeter, was durchaus vertretbar gewesen wäre. Dafür pfiff er sonst zu viel. Viele Abseitsentscheidungen schienen zumindest aus Sicht im Stadion fragwürdig, ähnlich die Verteilung der Gelben Karten. Er hatte großen Anteeil daran, dass das Spiel kein Spiel wurde.
Zur 2. Halbzeit blieb Eduardos Schatten in der Kabine, aber er hat nichts mit der neugewonnenen Freiheit anfangen können. Das Spiel in die Spitze wollte einfach nicht funktionieren.
Dagegen war es eine Augenweide, Simunic bei der Arbeit zuzusehen. Er ist wohl der einzige Spieler, der aufgrund seines perfekten Stellungspiels, wenn man seine Ausflüge in den gegnerischen Strafraum bei Eckbällen abzieht, auf eine Gesamtleistung von unter einem Kilometer pro Spiel kommt. Auch spielt er die Bälle sicher ins Mittelfeld. Von dort aber kommen sie nicht weiter … Das ist ein großes Manko. Um so bemerkenswerter aber ist, dass wir aus den ersten schweren Spielen bereits zwei Punkte geholt haben. Das mag den ein oder anderen verdrießlich stimmen, aber die Gegner waren ja nicht irgendwer.
So gesehen ist noch nichts wirklich Dramatisches passiert – außer eben mit Hoffi.
Das ist ein echter Skandal!
—— Und dann erreichte uns ein weiterer Gastbeitrag, den Sie hier lesen können: ——
Hoffenheims Unvollendete
Der Fußballsinfonie 1899 fehlte beim 0 : 0 gegen Schalke 04 nur der Paukenschlag
Fußball ist wie das Leben. John F. Kennedy: „Das Leben ist ungerecht, aber denke daran: nicht immer zu deinen Ungunsten!“. Die motorisierten Hoffenheimer Fans haben spätestens im vormitternächtlichen Staugau nach dem kurzweiligen Abendspiel reichlich Zeit, um über eine Schlüsselszene zu debattieren. Ist die TSG 1899 erneut eines Tores beraubt worden? Schiedsrichter Michael Weiner hatte in einer Strafraum-Grenzsituation nach einem Foul an Vedad Ibisevic „nur“ auf Freistoß entschieden.
Die Schalker Anhänger hingegen nehmen das Verkehrskoma neben der prächtig erleuchteten Rhein-Neckar-Arena gelassen. Ihre Königsblauen haben schließlich mit viel Bayerndusel das von Felix „der Glückliche“ Magath erhoffte „Pünktchen“ ergattert. Hoffenheim hingegen trumpfte prächtig auf, scheiterte aber entweder an der eigenen Unpräzision oder an Schalkes Traumhüter Manuel Neuer.
Yam! Hoffenheim legt nach kurzem Vorglühen ein Raketentempo vor, als hätten die Spieler die Bolt-Wurzel aus der Karibik auf dem Ernährungsplan gehabt. Schon in der vierten Minute passt Chinedu Obasi vom rechten Flügel scharf in den Strafraum. Bald-Wieder-Torjäger Vedad Ibisevic zieht ansatzlos ab. Schalkes Manuel Neuer lenkt reflexartig ab. Hoffenheim tut das, was man eigentlich vom Kultclub mit dem russischen Sponsor-Logo auf der Brust erwarten sollte: Gas geben ohne Ende (außer im Winter in die Ukraine).
Sehr beweglich, sehr variabel, sehr raumgreifend bereiten hingegen die Rangnick-Schüler ihre Angriffe vor. Mal über rechts mit dem Blonddoppel Andreas (Ibertsberger & vor allem Beck), mal über links mit dem Dreieck Christian Eichner, Sejad Salihovic und Chinedu Obasi, mal durch die Mitte mit dem an diesem Abend aber nicht so wirkungsvollen Zehner Carlos Eduardo.
16. Minute: Capitano Salihovic, dem noch die letztjährige Flanken- und Standardstärke abgeht, taucht nach einer knusprigen Hackenvorlage von Vedad Ibisevic frei vor Manuel Neuer auf, passt aber am 04-Zerberus vorbei in den von drei Schalkern besetzten Torraum, anstatt selbst ins Netzwerk zu ballern. In der 21. Minute scheint sich der Torklau vom Bayernspiel zu wiederholen. Vedad Ibisevic wird von Magath-Entdeckung Carlos Zambrano an der Sechzehnerlinie (die zum Strafraum gehört) gelegt. Doch Schiedsrichter Michael Weiner entscheidet auf Freistoß.
Wäre Hoffenheim hier in Führung gegangen, hätte Schalke seinen passiven Widerstand aufgeben und selbst initiativ werden müssen. So aber verlässt sich der Noch-Tabellenführer auf seine weiße Wand im Hinterland. Und da stehen im Zentrum mit Marcelo José Bordon ein brasilianischer Mammutbaum und mit U 21-Europameister Benedikt Höwedes eine junge deutsche Eiche, davor trefflich unterstützt durch den abgezockten Neuzugang Mineiro auf der Sechserposition. Dagegen helfen nur Spielintelligenz und Effizienz. Und da hat Chinedu Obasi bei allem Zauber-Aktionsradius mit seinen Hacken & Haken noch Optimierungsbedarf.
Fünf Minuten vor der Pause der zweite torverdächtige Auftritt von Vedad Ibisevic. Eine famose Rechtsflanke des antriebsstarken Andreas Beck verlängert der immer mehr in Form kommende Bosnier geschickt mit dem Kopf. Doch Vedo hat zwar seinen Torriecher wieder gefunden, aber seine Laserkanone noch nicht justiert. Und so köpft der Headhunter knapp am linken Pfosten vorbei (41.). Schalke demonstriert zwar seine enorme physische Präsenz und taktische Diszpilin. Doch die kreative Schaffenskraft bleibt an diesem Freitag abend in Magaths markantem Schachkopf stecken. Im Angriff müht sich Alleinikow Kevin Kuranyi , unterstützt von der hängenden Spitze Farfan, redlich. Doch mehr als ein Schüsschen auf das Tor des ungeprüften Timo Hildebrand bringen die beiden stumpfen Spitzen während der gesamten Spielzeit nicht zustande.
1899-Trainer Ralf Rangnick erkennt, dass seine Mannschaft das Spiel aufgrund seiner drücken-den Überlegenheit eigentlich gewinnen muss. Und so bringt er für den defensiven Isaac Vorsah nach der Pause – sehr zur Freude nicht nur des Fanclubs „Demba-Bären“ – den doch nicht verlorenen Sohn Demba Ba. Zum ersten Mal Anno 2009 stehen damit die drei großen Tenöre der Mannheimer Festspiele wieder gemeinsam auf der Bühne. Yam! Ba’s Raketenantritt, Ibisevics Spielintelligenz und Chinedu Obasis Wundertüte: Schon gegen Schalke sind erste Skizzen des rasanten Hoffenheimer Kreisels zu sehen. Aber noch heißt es frei nach Wolfgang von Goethe: „Hier steh ich nun, frei vor dem Tor. Und bin so klug als wie zuvor.“
So nach einer One-touch-Kombination des Wirbel-Dreiers, die ein schwacher Ibisevic-Schuss aber harmlos beendet (70.). Zuvor schon hatte der defensiv überzeugende Marvin Compper nach einer perfekten Grundlinien-Flanke von Christian Eichner alle Zeit, den Ball ins Tor zu köpfen, versagt aber als Autor des vielfach verdienten Siegtores. Immerhin trifft der Ex-Karlsruher Flügelflitzer, der sich im linken Vorwärtsgang noch zu wenig zutraut, den Nagel analytisch auf den Kopf: „Uns hat heute das goldene Tor gefehlt, um aus einem guten Spiel ein perfektes zu machen.“
Dass Felix Magaths Spagat, mit vergleichsweise wenig Geld einen Titel-Coup landen zu wollen, gelingen wird, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Das Urteil des Schalker Großinquisitors zum Spiel ist jedenfalls deutlich: „Es war ein schlechtes Spiel von uns gegen eine sehr gute Hoffenheimer Mannschaft. Es war daher ein glückliches Unentschieden, das wir vor allem Manuel Neuer zu verdanken haben.“
Das Schlusswort gebührt Ralf Rangnick: „Es war über weite Strecken ein richtig gutes Spiel von uns Ich habe ein Problem mit der Anzahl der geschossenen Tore. Es gilt jetzt, auf unserer Lei-ustung aufzubauen. Dann wird auch der erste Dreier nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ Vielleicht ja schon am kommenden Samstag in Hannover, spätestens aber beim nächsten Auf-tritt in der Rhein-Neckar-Arena am 12. September gegen den VfL Bochum.
Dann hoffentlich endlich mit einer – nicht nur in den Medien propagierten – sondern ganz realen Verbesserung der komatösen Verkehrssituation nach den Spielen. Wie heißt es auf dem blauen Parkschein der Stadtwerke Sinsheim? „Der Parkplatz darf nur im Schritttempo befahren werden.“ Die meisten Autofahrer wären froh, wenn sie sich im Schritttempo bewegen dürften. Dann würden sie die stattliche Parkgebühr von fünf Euro wohl auch ohne Zähneknirschen berappen.
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