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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Roter Stern Belgrad

Eine schwere Geburt

Die Freiheit des Schweigens und das Schreiben der Lämmer
– und der Sieg der Tugend der Geduld.

3 Jahre, 2 Tage und 95 Minuten hat es gedauert, dann war er da: der 2. Sieg der TSG 1899 Hoffenheim in einem europäischen Wettbewerb – und wie klasse war der bitte schön denn herausgespielt!?

Damit wären wir auch schon beim wesentlichen (wieder einmal) angekommen ­– und dass das in trockenen Tüchern war, ist 71 Jahre, 5 Monate und 15 Tage her: unserem Grundgesetz.

Was wäre unser Land heute ohne dieses famose Werk der Freiheiten: allgemeine Handlungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und natürlich die Meinungsfreiheit?

Und alle die Freiheiten genießt jeder Mensch in Deutschland – bis auf die Vereinigungsfreiheit, die nichts mit Sex zu tun hat (was ja auch unfair wäre, handelt es sich doch dabei um ein sogenanntes „Deutschengrundrecht“, d.h. es steht nur deutschen Staatsbürgerinnen und -bürgern zu), sondern mit dem Recht, Vereine und Gesellschaften zu gründen.

Mit Freiheiten ist das ja per se aber immer so eine Sache. Prinzipiell sollte man sie klug, aber nicht ausnutzen, um sie nicht zu verspielen. Diese Erfahrung macht man vor allem als Kind, wenn man schlechte Noten nach Hause bringt oder später nach Hause kommt als mit den Eltern ausgemacht ist, denn ganz schnell ist es vorbei mit dem Daddeln oder Feiern bis Ultimo, denn die Ultima Ratio ist in den Fällen (fast) immer ein Verbot.

Ultima Ratio heißt in dem Falle nicht „äußerste Verstandesleistung“, sondern „letztmögliches Mittel“ und wird immer dann angewandt, wenn zuvor alle sonstigen Lösungsvorschläge verworfen wurden, da mit ihnen (angeblich) kein Konsens erzielt werden konnte.

Bei den grundgesetzlich verbrieften Freiheiten verhält es sich wieder anders, denn bis man die einschränken darf, muss schon sehr, sehr viel (Schlimmes) passieren. Und noch etwas Schönes: Im Gegensatz zu den allermeisten anderen Rechten, die man als Mensch in diesem Land genießt, gehen die Grundrechte per se ohne Pflichten einher.

So hat man das Recht zur Vereinigung, aber nicht die Pflicht.
So hat man das Recht zu Versammlungen, aber nicht die Pflicht.
So hat man das Recht der freien Berufsauswahl, aber nicht die Pflicht.
Und natürlich hat man auch das Recht auf Meinung, aber nicht die Pflicht. Dieses Recht auf Meinung ist auch sonst an keine Pflichten gekoppelt (solange ich damit keine Grundrechte eines Mitmenschen verletze), also auch nicht die Pflicht, dass die Meinung auf Fakten basiert. Das Grundgesetz verbietet daher das Lügen per se nicht. Eine Meinung muss auch nicht klug sein. Es besteht auch keine Verpflichtung zur Reflektion. Damit ist Dummheit grundgesetzlich nicht verboten. Hierzulande darf also jede/r Depp/in kundtun, was selbst genehm – solange es niemanden anders in dessen/ihren Grundrechten, wie Menschenwürde, Unverletzlichkeit der Person, einschränkt. (Ja, auch Dummheit kann weh tun, aber das ist damit nicht gemeint.)

Damit wären bei dem Massenmedium schlechthin: Facebook.

Wenn man sich NACH dem Spiel zu Gemüte führt, was dort Menschen WÄHREND des Spiels absonderten, muss man schon sehr stark sein, nicht in Versuchung zu geraten, gerade dieses Grundrecht vielleicht doch an die ein oder andere Pflicht zu koppeln. (Das gilt natürlich auch für andere Themen, aber da wir von denen noch weniger Ahnung haben als von Fußball, orientieren wir uns da an Wittgensteins bekanntes „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“ oder jenes Chart der Karrierebibel:

Schweigen-lernen-Tipps-Mund-halten-lernen-als-Machtinstrument

Doch im Fußball gibt es keine Weisen. Ja, es gibt (vermeintliche) Weisheiten, aber das sind im Grunde auch nichts weiter als allgemein bzw. der Allgemeinheit (also auch für Dumme) verständlichere Übersetzungen philosophischer Erkenntnisse, z. B.

Die normative Kraft das Faktischen. (Immanuel Kant)

Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß. (Andreas Brehme)

 

Wenn du wissen willst, wer dich beherrscht, musst du nur herausfinden, wen du nicht kritisieren darfst. (Voltaire)

„Ich danke Sie.“ (Willi Lippens‘ Reaktion auf den Satz des Schiedsrichters, der ihm gerade die gelbe Karte mit den begleitenden Worten „Ich verwarne Ihnen!“ gezeigt hatte, und ihm darauf des Platzes verwies.)

 

„Auch das Sein oder Nichtsein ist kein bedeutungshaltiges Zeichen der Sache [von der es gesagt wird], auch dann nicht, wenn man das „seiend“ an sich selbst nackt sagen würde, denn es selbst ist gar nichts, sondern bezeichnet eine gewisse Verbindung [zu etwas] hinzu, welche ohne das Verbundene nicht zu denken ist.“ (Aristoteles)

„Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“ (Dettmar Cramer)

Okay, es gibt Ausnahmen:

Ich kann es mir als Verantwortlicher für die Mannschaft nicht erlauben, die Dinge subjektiv zu sehen. Grundsätzlich werde ich versuchen zu erkennen, ob die subjektiv geäußerten Meinungen subjektiv sind oder objektiv sind. Wenn sie subjektiv sind, dann werde ich an meinen objektiven festhalten. Wenn sie objektiv sind, werde ich überlegen und vielleicht die objektiven subjektiv geäußerten Meinungen der Spieler mit in meine objektiven einfließen lassen. (Erich Ribbeck)

bzw.

Der Fanatismus ist die einzige „Willensstärke“, zu der auch die Schwachen und Unsicheren gebracht werden können. (Friedrich Nietzsche)

Mit dem „nett“ ist das nicht ganz so einfach …
So schön Geisterspiele im Hinblick auf das Ausbleiben von Ausschreitungen fanatischer Vollidiot/inn/en sind, so bedauerlich war es, dass diese Partie ohne Publikum stattfand. Und so groß die Freude darüber war, dass das Spiel live im frei empfangbaren Fernsehen übertragen wurde, so … sagen wir mal … verwirrt waren wir ob der Geschehnisse in dem oben genannten Medium und dachten uns in der Halbzeit, dass es doch technisch möglich sein müsste, solche Spiele auch in diesem Medium ohne Publikum stattfinden zu lassen, denn was immer da angemerkt wurde, es zeugte von überraschend reflektionsfreier Meinungsstärke – und dabei dachten wir, wir wären die einzigen, die so ahnungsfrei wie meinungsstark seien, aber wir lernen ja gerne und täglich dazu.

Entscheidet sich Rudy in Sekunde 90 für denselben Ballfortbewegungsimpuls wie Dabbur in Minute 93, wäre das Spiel zwar gewiss nicht entschieden gewesen, aber es wäre mit Sicherheit ein weniger zähes geworden.

Dass es so zäh war, lag aber nicht an unserer Mannschaft. Ganz und gar nicht. Wer sich mal die Mühe gemacht hätte, mehr auf den Bildschirm zu schauen, auf dem das Spiel und nicht auf den, auf dem Facebook lief, hätte gesehen, dass die Gäste mit einer mindestens Achterabwehr spielten, die im Gegensatz zu unserem Grundgesetz keine Freiheiten zuließ. Freiräume hätte man sich womöglich erarbeiten können, aber damit wäre man ein sehr, sehr hohes Risiko eingegangen, den Ball zu verlieren und dann erst ihm und im schlimmsten Fall dann einem Rückstand hinterherzulaufen. Es war offensichtlich, dass die Serben genau auf diese eine Chance warteten. Ihre ganze Spielanlage war auf ein 0:0+ ausgelegt, DEN einen Konter – und genau DEN Gefallen taten wir ihnen nicht, auch wenn das nicht wenigen nicht gefallen hat.

Was wollten diese ratiodefizitären Reflektionsallergiker/innen denn sehen?

– Eine dauernd anrennende Mannschaft?
– Stete Sprints über die Flügel mit perfekten Flanken?
– Und das über 90 Minuten plus Nachspielzeit?
– Und dasselbe dann am Sonntag wieder?
– Und dann wieder am Donnerstag?
– Dann wieder am Montag?
– Wie, bitte sehr, soll das gehen, mit einer durch Verletzungen und Vireninfektionen neukonzipierten Mannschaft?

Vollspa…

… nn wäre das Mindeste gewesen, aber Rudy entschied sich für Innenrist. Mist. Nichts. Aber egal, abwarten, auch wenn rR (s.o.) (sich) was anderes erwarteten.

Ball- und Spielkontrolle sowie Geduld auf unsererseits DIE eine Chance war genau das richtige Mittel gegen die Mannschaft aus Belgrad, die ja, was man auch im Hinterkopf haben musste, von einem Mann trainiert wird, der seine größten Erfolge im Land des Catenaccio feierte.

Ja, weniger Fehlpässe, insbesondere von Baumgartner und Gacinovic, wären mehr als wünschenswert gewesen, ebenso der Strafstoßpfiff Mitte der ersten Halbzeit, aber es blieb bewundernswert, wie ruhig wir im Spielaufbau blieben und wie schnell wir Ballverluste wieder wettmachen konnten.

Oliver Baumann war im Grunde das ganze Spiel über, aber insbesondere in der ersten Halbzeit, beschäftigungslos – und das gegen eine Mannschaft, die sich fast für die Champions League qualifiziert hätte, die in ihrer Liga nach elf Spieltagen unangefochten auf Platz 1 steht, die noch kein Spiel verlor, zehn der Spiele gewann, ein Torverhältnis von 34:4 aufweist und bereits 8 Punkte Vorsprung hat.

Das spricht für eine sehr souveräne defensive Arbeit unserer Mannschaft, was letztlich ja auch dazu führte, dass wir wie in jedem UEFA-Spiel ein Tor erzielten, aber erstmals ohne Gegentor blieben.

Und es spricht auch für die Mannschaft, dass sie in der Halbzeit eine Reaktion zeigte, die man auch so formulieren könnte:

Grillitsch ins Krankenhaus –
Mitspieler jubeln!

Bei seiner Lebensgefährtin setzten die Wehen ein und er sich auch sofort in Bewegung in Richtung Kreißsaal. Es spricht für den Spirit in der Mannschaft, dass dieser Moment der Menschlichkeit mit Freude aufgenommen und sofort adäquater Ersatz gefunden wurde. Samassekou gelang dies reibungslos, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass das Lob von Vogt am Trainer nicht ganz unberechtigt zu sein scheint.

Es gibt in der Tat wohl einen Plan, den die Mannschaft auch versteht und verinnerlicht hat.

Sogar Sessignon, der ja so gut wie noch gar nicht mit dem Team trainieren konnte, fiel nicht negativ auf – im Gegenteil. Leider wurde er zu selten (im Lauf) angespielt und in Szene gesetzt, aber wenn er am Ball war, war da keine Sorge, dass da was schief gehen könnte. Dass er bei seinem Startelfdebüt auch über 90 Minuten auf dem Platz stand, spricht für die Zufriedenheit des Trainers mit seiner Leistung.

Auch Posch auf der anderen Seite machte seine Arbeit ruhig und abgeklärt wie auch die beiden Innenverteidiger, wobei jeder mal für einen Moment erhöhten Pulses sorgten:

Zum Glück pfiff der Schiedsrichter (zu Unrecht) in der einen Szene (in der Vogt bei seinem Versuch als vielleicht sogar letzter Mann, seinen Gegner festzuhalten, fiel) Freistoß für uns („ausgleichende Ungerechtigkeit“ für den nichtgegebenen Elfer) und in der anderen Szene (in der Akpoguma durch einen vehementen Einsatz mit (bei ihm sehr) langem Bein (nicht: gestrecktem) den Ball einem gegnerischen Spieler abnehmen konnte), obwohl der Belgrader Kicker abhob, wie man es aus früheren Zeiten nur von Flughäfen kannte, (zu Recht) nicht.

Der Ball landete dann bei einem Mitspieler und eine Spielverlagerung sowie eine Hereingabe in den Sechzehner später im Netz der Gäste. Endlich die hochverdiente Führung durch Baumgartner, die sich die Mannschaft wahrlich er-wartet hat.

Und kaum fiel der Treffer, hätte es ja den Menschen, die auf Facebook weidlich Gebrauch von der Freiheit machten, ihre pathologische Logorrhoe ihrem Publikum darzulegen, auffallen können, was wohl passiert wäre, hätten die Gäste das Tor früher kassiert.

Denn auf einmal standen wir unter Druck und richtig hinten drin. Auf einmal müsste ihnen nämlich ein Licht, wenn nicht gar ein roter Stern aufgegangen sein, gegen was für eine Mannschaft wir da spielen und wie gut wir das bis dahin taten und wie schwer es wohl gewesen wäre, hätten sie nicht von Anfang an auf 0:0+ gespielt.

So aber war der Druck auch zeitlich auszuhalten. Die fünf Minuten Nachspielzeit beförderte die Gäste nochmal, noch mehr für ihre Offensive zu tun, was uns dazu befähigte, noch ein Tor zu erzielen. Dabbur schloss die Kombination pieke-fein ab. Damit war nach drei Jahren, zwei Tagen und 93 Minuten klar:

Sieg!

Und insgesamt war die physische Belastung so, dass wir uns sehr gut vorstellen können, dass das am Sonntag auch eine gute Vorstellung werden könnte, denn die Mannschaft dürfte bis zum Anpfiff an der Weser hinreichend frisch sein.

A propos … zum guten Schluss noch ein sehr gutes, weises Wort von Max Frisch:

„Blinder als blind ist der Ängstliche.“

Also bleib‘, geneigte/r Leser/in, a) uns gewogen und b) zuversichtlich.

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