1899 Hoffenheim vs. Hertha BSC
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Vereint. Voran.
Gegen Hertha haben wir schon immer ganz besondere Spiele hingelegt. Bei ihr haben wir am 17. Spieltag der Saison 2014/15 unseren höchsten Auswärtssieg gefeiert. 0:5 hieß es am Ende, wobei zwei Treffer auf das Konto des Mannes gingen, den heute die Fans mitten der 1. Halbzeit ehrten und wofür er sich via Instagram auch hochartig bedankte.
(Es ist immer noch ein Wunder i. S. v. „verwunderlich“, dass der Verein es nicht geschafft hat, ein Spiel TSG 1899 vs. TSG 23 (Team Sali & Gesellen) zu organisieren.)
Bei der hertha hatten wir aber auch schon mit 1:0 verloren, ohne dass auch nur ein eigener Spieler auf des Gegners Gehäuse schoss. Diese Partie vom 13. Spieltag der Folgesaison 2015/16 war übrigens die letzte Niederlage gegen den Hauptstadtklub.
Aber auch daheim haben wir jungen Wilden die alte Dame noch älter aussehen lassen. Am 7. Spieltag der Saison 2009/10 stand es nach fünf Minuten bereits 2:0, am Ende gewann wir das Spiel 5:1. Und gegen sie haben wir das früheste Bundesligator an einem Sonntag geschossen. Das war am 17. September 2017. An diesem Spieltag, dem 4. der letzten Saison, waren es nämlich diese beiden Teams, die das erste Dreizehndreißigspiel der Fußballbundesligageschichte bestritten.
Und jetzt war es wieder so weit – und wir haben wieder Geschichte geschrieben.
Zwar waren wir nach 60 Sekunden kein einziges Mal vor dem Berliner Tor, dafür die Gäste kein einziges Mal am Ball. Und diese Dominanz der ersten Sekunden hörte im Grunde bis zum Ende der Nachspielzeit nicht auf.
Nach vier Minuten das 1:0 durch Szalai, in der 7. erhöhte Kaderabek, in der 8. Spielminute schlugen wir durch Amiri und wieder Szalai gleich zwei Mal zu, der eine Minute später erneut zur Stelle war. Und es ging gerade so weiter: Nach nicht einmal einer Viertelstunde platzierte Kramaric einen schönen Kopfball über die Linie – und dann in der 23. Minute setzte sich dann auch Belfodil in Szene.
Pfiff.
Tor.
„Hä?“
Ein Schiedsrichter pfeift nicht bei Tor. Was war da los? Ach so: Abseits. Naja, macht ja nichts, schließlich hatten wir ja bereits davor … wie? Die waren alle gar nicht drin? Sollten wir das alles nur geträumt haben? Wie kann man denn so viele Chancen so liegen lassen? Gefühlt stand es mindestens 4:0 …
Gott sei Dank waren wir in den letzten Spielen in puncto Chancenverwertung maximal effektiv, so dass man nicht sofort die Notrufnummer der Gastroenterologie und/oder der Kardiologie aktivieren musste, schließlich waren wir wahrlich, wahrlich maximal drückend überlegen.
Und WIE BITTE? Das war gar kein Abseits? Na, danke schön. Hatten wir etwa das von dem Video-Assi auch nur geträumt?
Nun, wie wir später merkten, war der Keller besetzt, aber ihm in der ersten Szene die Hände gebunden. Nein, das waren jetzt keine SM-Spielchen im Kölner Keller und auch keine Geiselnahme, sondern die Schiedsrichter hatten beide einfach zu früh agiert.
Dass das Gespann aus Stuttgart kam, ist ja eigentlich auch eine Farce, aber so was passiert halt, wenn man Weltkriege verliert.
Es dürfen keine Schiedsrichter aus demselben Verband wie eine der Mannschaften entsandt werden. Das hat mit Bundesland nicht unbedingt was zu tun, vor allem nicht, wenn es das Land, wie eben Baden-Württemberg, erst relativ lange nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland gab.
Als die Bundesrepublik Deutschland vor fast genau 70 Jahren gegründet wurde, gab es elf Bundesländer. Aber: Das Saarland gehörte ebenso wenig dazu wie Baden-Württemberg.
Während das Saarland vor seinem Beitritt am 1. Januar 1957 selbstständig war (und bis dahin immerhin 19 Länderspiele austrug, davon zwei gegen die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Qualifikation zur WM 1954 in der Schweiz (und diese 0:3 respektive 1:3 verlor), gab es im Südwesten drei Bundesländer: Baden (dessen offizielle Bezeichnung bis zum 2. Dezember 1946, aber da gab es die Bundesrepublik Deutschland ja noch nicht, Südbaden war), Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden mit Heidelberg, Mannheim, Sinsheim etc., aber halt auch Stuttgart, Heilbronn usw.
Diese drei Länder bekamen sogar einen eigenen Artikel im Grundgesetz, den 118er. Er machte es möglich, dass es abweichend von der in Artikel 29 geregelten Länderneugliederung durch Vereinbarung der drei südwestdeutschen Länder zu einer Neugliederung des südwestdeutschen Gebiets kommen konnte.
Das wollte natürlich nicht jeder. Adenauer, zum Beispiel, da er um seine Mehrheit im Bundesrat fürchtete. Allerdings wollte man auch keine deutsche Kleinstaaterei, also einigte man sich erst einmal auf eine nicht-bindende Probeabstimmung. Sie erfolgte am 24. September 1950 und hatte als Ergebnis, dass 90 % der Württemberger für den Südweststaat waren und auch die Nordbadener votierten mit über 57 % dafür, während die Südbadener den neuen Staat mit knapp 60 % ablehnten. Im gesamten alten Baden hatte die Bevölkerung den Südweststaat mit einer knappen Mehrheit abgelehnt.
Sollte wer das genau gelesen haben, erkennt man, dass die Abstimmungsbezirke nicht den Landesgrenzen entsprachen. Das war alles hochvertrackt, bis ein gewisser Kurt Georg Kiesinger, der von 1966-1969 dann 3. Bundeskanzler wurde, folgenden Vorschlag machte:
Nur mal so zur Erinnerung: Frau Merkel ist erst Ausgabe Nr. 8 von der politischen Nr. 1 in Deutschland (protokollarisch ist das Amt des Bundeskanzlers in Deutschland offiziell nur insofern klar, als dass es nach dem Bundespräsidenten kommt. Inoffiziell kommt dazwischen aber noch mindestens der Bundestagspräsident (und je nach Sichtweise auch der Bundesratspräsident, da dieser Stellvertreter des Bundespräsidenten darstellt)).
Er schlug vier Abstimmungsbezirke vor: Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern. Demnach war der Südweststaat dann zu bilden, wenn die Abstimmung im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei Abstimmungsbezirken eine Mehrheit für die Vereinigung ergab.
Nach einem heftigen Abstimmungskampf kam es dann am 9. Dezember 1951 zum Volksentscheid in diesen Bezirken. Über 60 % der Bevölkerung nahm teil – und davon plädierten insgesamt 70 % für einen gemeinsamen Südweststaat, aber das war ja nicht entscheidend. Es mussten in drei der vier Bezirke eine Mehrheit erzielt werden – und so kam es auch: Nord- und Südwürttemberg war weit über 90 % dafür, in Nordbaden waren es 57 %. So konnten die 62 % Gegner der Verschmelzung aus Südbaden, die sich statt dessen für die Wiederherstellung des alten Landes Baden aussprachen, nichts am Ergebnis ändern – und so fusionierten am 25. April 1952 die drei bisherigen Länder zu einem: Baden-Württemberg. (Also gab es wie viele Bundesländer, als die Bundesrepublik Deutschland erstmals Fußball-Weltmeister wurde? Genau, das kann man sich an seinen beiden Händen abzählen.)
Da aber waren die Fußballverbände längst gegründet – und sie haben all das überlebt. Bis heute gibt es den Württembergischen Fußballverband, den Südbadischen Fußballverband sowie den Badischen Fußballverband, der übrigens am 7. Juli 1946 in Eppelheim gegründet wurde.
Sorry, not sorry:
Wir bedauern hier ausdrücklich, sollten wir dich, geneigte/r Leser/in mit diesem Exkurs gelangweilt haben, fänden es aber eher traurig, wenn dem so gewesen sein sollte, schließlich ist das nichts anderes als Heimatkunde – und da Zukunft immer auch Herkunft braucht, braucht es auch diese solide Basis für ein solides Wachstum. Außerdem: Könnte es einen besseren Gegner geben als die Hertha aus der Hauptstadt, um sich mal des Themas Wiedervereinigung anzunehmen?
Auch Fans und Mannschaft sind übrigens wieder vereinter: Von Anfang an war eine prima Stimmung im sehr gut besuchten Stadion, wobei diese Atmosphäre vielleicht dem Sonntagsbraten, aber wahrscheinlicher dem Offensivspektakel der Mannschaft geschuldet war. Das war einfach grandios und hörte nicht auf.
Nun gibt es ja die bekannte Fußball-Weisheit, dass, wer sie vorne nicht macht, hinten kassiert. Das traf in gewisser Weise zu, allerdings in leicht, doch dafür sehr zu unserem Vorteil modifizierter Form: Wenn du sie vorne nicht machst, dann mach sie halt von weiter weg …
… und so war es dann der erste Fernschuss aufs Tor der Gäste, mit dem Amiri die hochhochhöchstverdiente 1:0-Führung gelang. (Und da es sein 1. Saisontor war in seinem 100. Bundesligaspiel für die TSG, gebührt ihm auch der Titelsong dieses Beitrags.)
Dass mehr oder weniger im Gegenzug Demirbay für sein erstes Foul eine Verwarnung kassierte, ließ einen erneut an der Nominierung des Schiedsrichters zweifeln, der gegen die Berliner kein einziges Mal den gelben Karton zückte, obwohl diese doppelt so häufig Foul spielten. Der Freistoß war die größte Chance der Mannschaft aus Deutschlands größter Stadt.
Immerhin pfiff er den Strafstoß nicht, den die Berliner kurz vor der Pause forderten, was kein großes Glück war, aber dafür schauspielerisch große Klasse. (Auch wenn die TV-Bilder von der Gegenseite etwas anderes suggerierten, da war nix, was der Autor deshalb so genau weiß, weil es direkt vor seinen Augen geschah.)
In der 2. Hälfte gab es exakt dasselbe Bild wie im 1. Durchgang, allerdings mit nur noch gefühlt 30 % Tempo. Dennoch reichte es locker, die völlig harmlosen Hauptstädter im Grunde nie zum Schuss und schon gar nicht zum Abschluss kommen zu lassen. Nichtsdestotrotz war es eine Erlösung, als der kurz zuvor eingewechselte Nelson mit seiner ersten Ballberührung, das vielleicht (zeitlich) längste Kopfballtor der Bundesligageschichte erzielte.
Auch hier war der Ball im Netz, aber auch die Fahne des Schiedsrichters sehr schnell oben. Wir können von Glück sprechen, dass alles so schnell ging – vom Aufbau über die Flügel, über die Hereingabe von Schulz, der ein großartiges Spiel machte und dem platzierten Kopfball des jungen Mannes, den wir sehr vermisst haben, der aber uns, sollte das Interview aus der Boulevard-Zeitung „The Sun“ (wenn es die hier gäbe, man würde die Bild-Zeitung nicht ganz so kritisch sehen), nicht vermissen wird. Angeblich sei hier alles öde und langweilig („dull Hoffenheim“, „dull Heidelberg“). Wie gesagt: Solche Artikel sind mit maximaler Vorsicht zu genießen, zumal darin auch von den vielen Kühen in der Region gesprochen wird. „Hä? Kühe? Hier gibt es doch kaum Viehwirtschaft!“ Voilà, es sind immer die Details … 🙂 – Außerdem zitierte ihn dasselbe Blatt auch schon ganz anders …
Jedenfalls hat er den Ball so schnell in die Maschen geköpft, dass der Schiedsrichter erst pfiff, als der Ball schon drin war. So konnte der VAR im Kölner Keller diesmal die Kalibrierungslinie ansetzen und schauen und schauen und dabei das sehen, was der Autor dieser Zeilen sofort sah: drin das Ding.
Damit war klar, zumal die Berliner dem Ball wahrlich nicht wohlgesonnen waren, dass wir am Ende des sechsletzten Spieltags der Saison endlich wieder auf Platz 6 – und damit auf einem Europokal-Platz – stehen werden. Dass Kramaric noch eine weitere 100 %-, ach was: 998 %ige-Torchance vergab (sie wird nur getoppt durch die 1000 %-ige im Hinspiel gegen Fortuna Düsseldorf), fiel da auch nicht mehr so ins Gewicht. Viel eher war positiv anzumerken, dass er mehr als jemals zuvor einen Blick für den ebenfalls gut oder gar besser postierten Mitspieler hatte und den dann auch in Szene setzte.
Hach, das war eine ganz herrliche Mannschaftsleistung. Und die anderen Ergebnisse des Spieltags waren auch nicht so schlecht für uns. Wir müssen halt nichts weiter, als alle anderen weiteren Spiele gewinnen, dann kommen wir auch noch weiter nach vorne. Nicht direkt am nächsten Spieltag, aber da können wir immerhin Platz 6 festigen. Und noch haben wir ja das Duell gegen das Team, das genau vor uns steht, das aber wiederum gegen Bayern München spielen muss, die sich auch keine Blöße mehr in den letzten Partien geben dürfen. Hoffentlich hält der BVB den Druck auf die Bayern aufrecht, denn am letzten Spieltag spielt der Rekordmeister zu Hause gegen die Eintracht. Wir da in Mainz … und sollten wir wirklich alle Spiele bis dahin siegreich gestaltet haben, dann könnte es weiter mehr werden als Platz 6. Oder 5. Es könnte sogar reichen, dass wir auch in der nächsten Saison nicht nur in der UEFA Eurpa League spielen, sondern …..
Erklärung der Chefredaktion:
Leider mussten wir den Autor an dieser Stelle von seinen Aufgaben entbinden. Wir haben eine große Verantwortung dahingehend, dass es allen gut geht und keiner an dem Geschreibsel Schaden nimmt. Auch der Verfasser nicht. Wir schritten ein, da er schon wieder zu träumen begann, zu halluzionieren und sich in Phantasmen zu ergehen, die im Falle des Einzugs vehementer Wirklichkeit sich nachhaltig negativ auf ihn, seine Psyche und die Leserschaft auswirken könnten. Wir bitten um Realitätssinn und Ihr Verständnis. Vielen Dank.
Obwohl … geil wäre es schon. Aber … pssst!
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