1899 Hoffenheim vs. FSV Mainz 05
Die Missgunst der Stunde
Das kleine Kind und große Erwartungen
Das Spiel war jetzt keine Offenbarung. Und es endete wie die letzten Heimspiele auch: 1: 1. Aber es gab schon gewaltige Unterschiede zu erkennen. So erhielten wir den uns zwei Punkte kostenden Ausgleichstreffer schon eine Stunde vor dem Abpfiff – und nicht erst eine Minute.
O.K. Verzeihung. Das ist populistischer Sarkasmus. Aber gewiss etwas, was beim Hoffenheimer Publikum gut ankommt. Und das ist wirklich schade, denn das Spiel war doch schon um einiges besser als das, was man zuletzt zu Hause sah.
Die Spieleröffnung erfolgt nicht mehr über den Schlag von hinten rechts nach vorne links, sondern man bemüht sich um einen klassischen Spielaufbau. Es gibt weniger Fehlpässe und mehr Kombinationen. Einige klappten, einige nicht. Die Mannschaft hatte nicht nur Torchancen, sie hatte sie sich auch richtig schön herausgespielt. Nur das mit dem Toreschießen, das will noch nicht so recht klappen.
Eigentlich ist das Spiel deutlich besser, nur eben die Ergebnisse nicht – und schon gar nicht das Publikum.
Selbstverständlich ist da die Verärgerung groß. Holger Stanislawski ist ein Guter, mit dem konnte man sich identifizieren, dem vertraut man – auch wenn die Ergebnisse nicht gerade als Musterbeispiel für eine
Anspruch-Wirklichkeit-Kongruenz dienen kann. Das ist völlig normal. Das gibt es überall.
Was war los, als Freiherr von und zu Guttenberg aus dem Rampenlicht verschwand? Facebook-Gruppen wurden gegründet, die in Windeseile Tausende „Likes“ bekamen. Da wurde die Rechtsprechung in Frage gestellt und ein Rechtsbruch als Lappalie aus dem Elfenbeinturm abgetan – und das meist genau von jenen Menschen, die sich sonst so für Recht und Ordnung aussprechen. Aber, bevor wir jetzt hier über den Bundespräsidenten und dessen Rücktritt … zurück zum Spiel:
Schlusspfiff. Schlusspfiffe. Das war schon sehr seltsam anmutend. Wieso gab es Pfiffe für eine Mannschaft, die sich wirklich bis zum Schluss bemüht hat? Die wirklich gezeigt hat, dass sie willens ist. Mehr kann man doch nicht erwarten. Wie würde man selbst reagieren, würden andere das eigene Bemühen nicht anerkennen?
Das hat natürlich zum einen damit zu tun, dass man Geld bezahlt hat. Damit sind natürlich auch Erwartungen verbunden. Aber wurden diese wirklich nicht erfüllt? Und wenn ja, müssen sich dann die Pfeifer nicht fragen lassen, wie realistisch ihre Erwartungen waren?
In der Psychotherapie gibt es die modellhafte Betrachtungsweise des „inneren Kindes“. Und die „Fans“ von Hoffenheim erinnern sehr daran. Das Verhalten des Publikums zeigt alle Signale eines solchen Menschen, der
„als Kind wenig Liebe und Anerkennung erfahren hat und häufig durch Missachtung, Liebesentzug, Verlassenwerden oder Entwertung verletzt wurde, in seinem Selbstwertgefühl beschädigt wurde und dann als Erwachsener ein unangemessen großes Verlangen nach Zuwendung durch andere Menschen entwickelt, und dass bei einem solchen Menschen schon wenig Kritik alte Kindheitsverletzungen aktualisieren kann und er dadurch übermäßig kränkbar ist.“ (wikipedia)
Jahrelang waren wir Fußball-Diaspora, dann Herbstmeister, da kann es schon zu Schäden kommen. Dazu kam dann natürlich auf der Welle des Erfolgs ein Marketing, das einem solch kindlichen Verhalten Tür und Tor geöffnet hat. Da fehlt es schlicht an Reflexionsvermögen.
Schade. Das erste Heimspiel war auch eine Chance für das Publikum zu zeigen, dass es sich anders präsentieren möchte. Im Gegensatz zur Mannschaft hat das Publikum die Chance verpasst, was die Arbeit des Trainers nicht erleichtert.
Aber wir wissen ja, wie man kleine Kinder ruhig kriegt: Autorität (= Macht mit Liebe).
Oder eben Bonbons …
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