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1899 Hoffenheim vs. FC Ingolstadt

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Eine schwere Geburt

Über Nachwuchs und Sorgen und Freuden …

Wie beginnt man eine Beziehung? Am Anfang ist es Emotion pur. Man macht dies, man macht das, man macht irgendwas, Hauptsache, es macht Spaß. Man fühlt sich beschwingt, (wieder) lebendig und Geschehnisse, die man zuvor noch als traumatisch empfunden hätte, nimmt man lediglich als kleinere Rückschläge wahr, aus denen man gestärkt hervor gehen wird. Weiter, weiter, immer weiter. Wir zwei schaffen das.

Doch dann, meist so nach rund drei Monaten, nimmt das Feuer ab. Manchmal erlischt es komplett – und jeder geht wieder seiner eigenen Wege, manchmal aber rutscht das Denken wieder in den Kopf und man beginnt, seine gemeinsame Zukunft zu planen, versucht sich an der richtigen Balance aus Herz (Leidenschaft) und Hirn (Wissenschaft).

Am 11. Februar 2016 übernahm Julian Nagelsmann die Profimannschaft der TSG. Drei Monate später war das Feuer weg. Am 7. Mai verlor man beim bereits als Absteiger feststehenden Hannover 96 mit 1:0 und am letzten Spieltag bekam man zu Hause sogar noch eine 1:4-Klatsche gegen Schalke 04, doch weil der Spielplan es gut mit uns meinte, hatten diese beiden Niederlagen keinen Einfluss auf unseren Verbleib in der 1. Liga. Wir waren gerettet. Es konnte also mit uns weitergehen in der 1. Liga, aber nicht so – und so kam man zusammen und ging mit einer Idee schwanger, wie man es in Zukunft besser würde machen können. Dass das fruchtbringend werden sollte, konnte man schon alsbald erkennen.

Anfänglich war vieles ein Hängen und Würgen, aber das ist ja auch oft so, wenn es los geht mit der Meiose und das hCG in die Höhe schnellt. Normalerweise beträgt die Konzentration des Peptidhormons bei 5 Einheiten pro Liter im Blut. Nicht so bei schwangeren Frauen. Bereits nach drei Wochen beträgt er bei ihnen ca. 500 Einheiten. (Frei verkäufliche Schwangerschaftstests weisen bereits einen Wert von 25 Einheiten hCG im Urin nach.) Nach rund 10-12 Wochen wird der Höchststand von rund 250.000 Einheiten erreicht, was erklärt, warum 75% aller Frauen in den ersten drei Monaten unter der sogenannten Schwangerschaftsübelkeit leiden.

40 Wochen dauert so eine Schwangerschaft im Regelfall und wie lange lag das Ende der schmerzhaften Tage der Saison 2015/16 zurück? Genau. 42. Passt also, schließlich muss das Ovarium ja auch erst einmal in die Gänge kommen.

Diese Analogie muss einfach passen, denn sie drängte sich geradezu auf nach dem gestrigen Spiel, das ja in der Tat genau das war, wie wir diesen Beitrag überschrieben haben: eine schwere Geburt.

Eine solche unterteilt sich prinzipiell in eine Eröffnungsphase, eine Übergangsphase, eine Austreibungsphase sowie eine Nachgeburt. Und eine jede ist mit mehr oder weniger großen Schmerzen verbunden.

Es geht eigentlich ganz entspannt los. In der Eröffnungsphase gibt es die ersten passenderweise Eröffnungswehen genannten Kontraktionen. Ihre Intervalle betragen zwischen 20 und 30 Minuten. Dazwischen passiert eigentlich nichts.

So ging es auch uns: Anpfiff, dann schoss Rudy plötzlich mal aufs Tor: Tor. Da waren rund 20 Minuten gespielt.

Bis dahin staunte man nicht schlecht über das, was sich da tat, weil einem sonst auch nichts übrig blieb. Die Gäste rannten unsere Anspielstationen ständig zu und verhinderten so, dass wir uns entfalten konnten. Gleichzeitig spielten sie immer wieder die Bälle nach vorne, wo keiner der ihren stand. Das war seitens der Ingolstädter gar nicht mal schlecht gemacht. Unsererseits schon. Die Spieler liefen zwar, aber nichts zusammen. Wie schon letzte Woche kamen wir weder an noch in den Strafraum, so dass nichts dazu Anlass gab, dass es nun losgehen könnte. Aber dann, aus dem Nichts, genauer: 30 Metern, brachte uns der Mann, der uns letzte Woche per Kopf mit seinem Saisonpremierentor einen Punkt rettete, mit 1:0 in Führung.

Jetzt aber … dachte man, aber nein. Unser Spiel wurde nicht besser, das der Gäste auch nicht, so dass man sich schon auf einen hochlangweiligen Nachmittag einstellte, als – wieder rund 20 Minuten später – die, besser: das nächste Wehe einsetzte, weil Ingolstadt einnetzte.

Ohne Ultraschall lässt sich das nicht sicher diagnostizieren, aber nach der temporären Reglosigkeit des Körpers zu urteilen, schien sich kurzfristig die Nabelschnur um das Team verheddert zu haben, denn niemand reagierte auf den Einwurf der Gäste, den Querpass, den vor Baumann völlig freistehenden Angreifer. Ausgleich – und die Tribüne bekam Schnappatmung.

Die nächsten Minuten wurde wieder alles ruhig und so ging man verunsichert, aber noch entspannt ins Krankenh…in die Kabine, aus der als erstes der Vater zurückkehrte. Julian Nagelsmann warf, sinngemäß seine Ausführungen auf der Pressekonferenz wiedergebend, drei kurze Blicke auf die Monitore und verschwand dann wieder, weil er nicht wusste, was er da im Kreißs… in der Kabine noch hätte bewirken können (und damit er daraus keinen Kreischsaal macht, was aber nur eine Vermutung unsererseits ist.)

Die Fans hätten da ein paar Vorschläge gehabt: Ochs rein auf rechts, Amiri nach vorn und Terrazzino raus, war eine von zahlreichen Varianten, die von den Experten auf den Rängen diskutiert wurden, die sich immerhin in ihrer Kompetenz dadurch bestärkt fühlten, dass kurz nach Wiederanpfiff Terrazzino aus- und Kramaric eingewechselt wurde. Aber lebendiger wurde es dadurch auch nicht. Vielmehr setzte 20 Minuten die, nein: diesmal definitiv: DAS nächste Wehe ein: Führung für Ingolstadt durch die TSG, wobei das Problem, auch wenn Süle bei seinem Abwehrversuch von Szalai fast über den Haufen gerannt wurde, so dass er den Ball eben nicht weg, sondern ins Tor köpfte, seine Ursache in einer grotesken Rückgabe Amiris auf Baumann hatte, die im Toraus landete, weshalb es überhaupt zu der Ecke kam.

Sechs Minuten habe man das mit Amiri auf rechts am Donnerstag trainiert, räumte Nagelsmann auf der Nach-Spiel-PK ein. „Dafür habe er das ganz ordentlich gemacht.“ Auch da kann man Nagelsmann nur beipflichten, „dafür“ sogar sehr, aber ansonsten war es natürlich nix, was Amiri auf der Position bot.

Aber immerhin war diese(s) Wehe stark genug, dass die Fruchtblase bzw. der Knoten geplatzt ist. 102 Sekunden später fiel der Ausgleich durch den seit gefühlten Ewigkeiten mal wieder in der Startelf stehende Szalai – und das auch noch per Kopfball. Das ist an sich bei einem Mann seiner Größe nichts Verwunderliches, aber da er sich bislang nicht als Sprungwunder hervortat, war es wirklich eine Ausgenweide zu sehen, wie (hoch auch) sich unser längster „Fehleinkauf“ (der Medien und Massen Meinung) zum Ball sprang und ihn wunderbar in den Winkel platzierte.

Wir befanden uns nun deutlich in der Übergangsphase. Das ist die, die mit den größten Schmerzen verbunden ist. Und die verspürten diesmal die Fans, denn durch ein inkonsequentes Abwehrverhalten sowie einer sensationellen Doppelparade von Baumann kamen die Gäste nicht erneut in Führung, wir trotz einer gut 100%igen von Wagner aber auch nicht. Überhaupt war unser Top-Stürmer auch diesmal eher ein Flop. Nicht, dass er sich nicht mühte, aber ihm gelang kaum ein Ballannahme, kein zweiter Ball, eigentlich nichts. Aber er machte weiter, auch wenn er aktuell seiner Form hinterherhechelt.

Aber die Mannschaft fing mehr und mehr an zu laufen, zu kombinieren und zu pressen. Die Räume in der Defensive der Schanzer öffneten sich weiter und weiter und wir pressten und pressten und dann direkt durch die Mitte ….. Kramaric …. nach Zuspiel von Demirbay …direkt …. JAAAAAAA.

Da war doch was zu sehen, das hatte Köpfchen, der Beginn der Austreibungsphase. Jetzt bloß nicht nachlassen und weiterpressen und zwei Minuten später war es dann raus. Wieder Kramaric, auf Szalai, 4:2. Ganz ohne Klaps auf den Po, das Geschrei war groß, der Jubel auch, die Mannschaft lebt.

Ein jeder folgte der Einladung des anderen „Komm an meine Brust“, alle herzten sich und kamen so langsam zur Ruhe. Die Anspannung löste sich und als dann noch acht Minuten später (rund zehn Minuten nach Niederkunft sollte sich die Nachgeburt gelöst haben) der ehemalige Ingolstädter Defensivspieler und unser jetziger Zweikampfgott Benjamin Hübner für den 5. Treffer für unsere TSG und damit eine positive U 0 sorgte (eine korrekte Handvoll), war wahrlich jeder rundum glücklich in dem zumindest in Sachen Wonnen proppenvollen Stadion.

Das also, was vor etwas mehr von vielen als eine amour fou betrachtet wurde, kristalliert sich immer mehr heraus als eine Beziehung mit Substanz und Zukunft. Dazu muss man nicht miteinander verheiratet sein. Dazu reicht, wie so oft im Leben, gepaart mit den guten Tugenden Wohlwollen, Zuversicht, Freundlichkeit eines:

Liebe. ♥

… und niemand weiß, wohin die uns führt, was ja auch irgendwie den Reiz ausmacht.
Dafür stehen aber schon einmal die Termine fest.

Comments

  1. Jürgen Buchner

    Wenn auf diese Weise weitere „11 Kinder“ zur Welt kommen, habe ich nichts dagegen 🙂

  2. Brandes Ingrid

    Wieder fantastisch auf den Punkt gebracht, aber unseren Julian sollen die anderen Vereine mal schön in Ruhe arbeiten lassen! 🙂 🙁

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