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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Borussia Dortmund

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Wider die Abstraktion

Ein Spiel, fast wie gemalt

15 Spiele ungeschlagen. Etwas, was in Hoffenheimer Fankreisen äußerst positiv aufgenommen wird. Aber das ist nur bedingt positiv zu sehen. Wenn man es nämlich genau nähme, was wir bisweilen tun, brächte allein der Umstand des Ungeschlagenbleibens gar nichts. Schlimmer noch, es wäre, zumindest theoretisch, denkbar, ungeschlagen abzusteigen: 34 Unentschieden „reichen“.

In der Saison 2006/07 stiegen Alemannia Aachen und der 1. FSV Mainz 05 mit 34 Punkten ab, 2010/11 Eintracht Frankfurt, 2014/15 traf es den SC Freiburg mit jeweils 34 Punkten und auch in der letzten Saison hätten dem VfB ein Punkt mehr nicht zum Klassenerhalt gereicht.

Nun sind wir ja (hoffentlich) als pathologische Optimisten – und nicht als Fundamentalpessimisten – verschrien und auch des (Tabelle-)Lesens mächtig, so dass wir hier keine Furcht vor einer gravierenden Änderung an der aktuellen Situation haben, es ist halt eben nur so, dass „ungeschlagen“ allein kein Qualitätskriterium ist.

Anders sieht es aus, wenn der ein oder andere Sieg dazu kommt – so wie bei uns. Und es ist sehr schade und unglücklich gelaufen, dass am Ende der Partie gegen Borussia Dortmund wir unsere Position als Remiskönige und nicht die Anzahl der gewonnenen Spiele haben ausbauen können.

Hammerpfostenschuss von Wagner, Gegen(hochgeschwindigkeits)zug, Ausgleich. Nach 48 Minuten war es das.

Die Gäste spielten von da an auf Zeit und Konter, und wir eigentlich zu wenig Chancen gegen nur zehn Mann heraus. Aber andererseits hat man ja gerade an dem Ausgleichstreffer gesehen, wie schnell es gehen kann von Großchance zur großer Scheiße. Von daher war es schon sehr ratsam zu versuchen, das Spiel über Kontrolle statt über Kraft zu gewinnen. Es brachte ja uns auch noch ein paar wenige, dafür sehr gute Chancen ein, aber halt leider auch nicht mehr, weil Kramaric seine 100%ige in die Arme Weidenfellers schoss und Toljan im entscheidenden Moment sich lieber durch Bodenturnen in Szene setzen wollte als durch Abgebrühtheit.

So verpassten wir es, unsere gute Ausgangslage aus der ersten Halbzeit nach zweimaliger Führung und gelb-roter Karte gegen Reus nach 41 Minuten in einen Sieg zu verwandeln.

Zuerst verwandelte Uth einen Zuckerzauberpass von Hübner hinter die Abwehrreihen zur 1:0-Führung, danach war es wieder Hübner, der diesmal per Kopf die Vorlage zur erneuten Führung durch Wagner(s Haarspitzen) gab.

Dazwischen erzielte Götze den Ausgleich, nach dem unsere Abwehr einen Moment Kreisliga spielte, alle auf den Ball stürmten, ohne ihn zu treffen, und dabei eben den Gegenspieler aus dem Blick verloren, der dann keine Probleme hatten, seinen ersten Saisontreffer zu erzielen.

Kurz davor allerdings gab es eine Szene, in der der Schiedsrichter ähnlich unglücklich agierte wie sein Kollege in der Woche zuvor – nur eben negativ, auch wenn das von uns erst einmal positiv wahrgenommen wurde. Reus sah für sein hartes Einsteigen gegen Süle in unserer Abwehr sofort gelb. Das war nachvollziehbar, aber gleichzeitig definierte der Schiedsrichter damit eine Linie, bei der relativ früh klar war, dass es ein sehr farbenfrohes Spiel werden würde.

Weitere – und auch nicht ungerechtfertigte – Verwarnungen, vor allem gegen die Borussia folgten, was das Westfalen-Lamento als die Prügelknaben der Liga schon deutlich konterkarierte. Entsprechend wurde auch nach dem Spiel nicht nur von Thomas getuchelt. Auch Aki Watzke wurde seiner Rolle als agent primitivant gerecht, als er sich über das Foulspiel Wagners an dessen Verteidiger echauffierte und sich auch nicht erblödete, dies als „typisch“ für Wagner zu bezeichnen, was man aber unter dem Gesichtspunkt seiner Position und Klientel auch nachvollziehen kann. Watzke ist faktisch nicht zur Objektivität oder einer vollumfänglichen Betrachtungsweise verpflichtet. Wäre dem so, würde er den Platz am wohl bestbezahlten Stammtisch der Liga räumen müssen. Wagner räumte nach dem Spiel ja auch ein, dass dies ein Regelverstoß war, diesen als solchen in der Aktion selbst aber nicht so wahrgenommen habe, was man ihm nicht glauben muss, aber durchaus darf, wenn man sich einmal die Kontaktbemühungen von Spielern gerade bei Eckbällen einmal genauer anschaut.

Auch die Reporter des übertragenden Senders haben natürlich mehr Freude an jemandem, der sich auf ihrem intellektuellen und agitativen Niveau bewegt, als an solchen, die es durch Reflektion (Nagelsmann) und Toleranz (Wagner) überragen.

Während Letzteres den Regelverstoß vor seinem Tor einräumte, genscherte sich Nagelsmann auf der Nachspiel-PK wunderbar aus der Frage, ob die gelb-rote Karte gegen Reus gerechtfertigt war. Gewiss kann man zu beiden Szenen auch eine andere Meinung haben, nur ist die Frage, was dies noch mit dem Wesen des Spiels zu tun hat. Bereits in der Vorwoche nahmen wir den Schiedsrichter in Schutz dafür, dass er eine sehr laxe Bolzplatzeinstellung an den Tag legte – obwohl uns das nicht zum Vorteil gereichte -, und diesmal muss man den Schiedsrichter und seine (Fehl-?)Entscheidungen ebenfalls respektieren – aus all den bekannten Gründen (Schnelligkeit des Spiels, Pflicht zur Schnelligkeit zur sofortigen Entscheidung aus nur seinem Blickwinkel in Echtzeit (und keine 10 Perspektiven mit 100-facher Vergrößerung in 1.000-facher Verlangsamung)). Alle täten gut daran, dies immer zu berücksichtigen. Dabei steht es jedem frei, eine andere Meinung zu haben, doch sollte man Abstand davon nehmen, den Schiedsrichtern Absicht zu unterstellen. Das unterminiert das Wesen des Spiels!

Zudem wirft es gerade auf dieses Spiel ein schlechtes Licht, denn es war ein Spiel. Es war kein Krampf, wie in der Vorrunde, kein Kampfsport, sondern ein Fußballspiel, ein attraktives, schnelles, anspruchsvolles Fußballspiel von zwei Mannschaften auf Augenhöhe – und das ist wesentlich beeindruckender vor allem aus Sicht der TSG als dieses „15 Spiele ungeschlagen“.

Wie gesagt, der Fakt an sich ist kein Qualitätskriterium. Aber dafür gibt es viele, viele andere Kriterien, die aufzeigen, welche Qualität unsere Mannschaft inzwischen besitzt. Auch wenn Nagelsmann nicht 100% zufrieden war, wie sein/unser Team insbesondere in der 1. Halbzeit den Spielaufbau gestaltete, sind wir zumindest beeindruckt, mit welcher Ruhe es unserem Team in einem Großteil der Situationen gelang, das Spiel mit kontrolliertem Passspiel von hinten aufzubauen – und das, obwohl da ja nicht irgendwer schon vom Abstoß weg presste.
Besonders beeindruckend war hierbei Baumann, der nicht nur um ein Vielfaches schneller als sonst bei seinem ruhenden Ball agierte, sondern auch, wie er sich immer wieder in das Passspiel in der letzten Reihe einschaltete und eine doch sichere zusätzliche Anspielstation schuf, die dafür Sorge trug, dass die Gäste das Pressen nach zehn, zwanzig Sekunden einstellten und sich Richtung Mittellinie zurückzogen.

Im Mittelfeld agierten Demirbay, Amiri und Rudy als eine wirklich tolle Einheit mit einer insbesondere bei Rudy beeindruckenden Ballsicherheit. Und ergänzt wurde die Reihe durch Toljan, der aufgrund seiner Gegenspieler sich nur bedingt nach vorne einsetzen konnte, dafür seine Seite sehr gut verteidigte, und Kaderabek, dem es mit zunehmender Spieldauer immer besser gelang, mit beeindruckenden Tempoläufen die Gästeabwehr aus- und durcheinanderzubringen. Leider fehlte ihm in der ein oder anderen Szene (gerade im zweiten Durchgang) vielleicht ein Quäntchen Mut, auch selbst mal den Abschluss zu suchen, aber es war beeindruckend, vor welche Probleme er die linke Abwehrseite der Gäste stellte.

Und vorne standen Uth und Wagner. Auch wenn die beiden (statistisch) beiden besten deutschen Stürmer beide Tore erzielten, konnten sie nicht sooo oft in Szene gesetzt werden, was kein Vorwurf ans Mittelfeld ist, denn das hatte ja zwei sehr schwierige Aufgaben zu bewältigen, die sowohl auf Konzentration als auch Kondition gingen: einerseits unsere Stürmer in Position bringen, andererseits Pässe des Gegners auf deren pfeilschnellen Stürmer zu unterbinden. Die meiste Zeit haben sie das auch hervorragend gemeistert – und wenn nicht, dann wurde es auch prompt gefährlich. Umgekehrt aber auch – und das ist ein Niveau, das niemand wirklich zu Beginn der Saison guten Gewissens hätte ernsthaft erwarten können.

Und auch, dass unsere Spieler unzufrieden mit dem Ausgang des Spiels waren, spricht für sie. Ebenso wie Süles Hinweis darauf, dass man auch schon einmal unter Gisdol 27 Punkte nach der Hinrunde hatte und dann eine scheiß Rückrunde hinlegte, spricht dafür, dass der Geist in der Mannschaft stimmt – und an dem dürfte sich auch nichts ändern, wenn wir am Ende der Hinrunde 33 Punkte auf unserem Konto hätten. (2008/09 erzielten wir übrigens mit 35 Punkten die Herbstmeisterschaft. (Am Ende waren es 55 und Platz 7.))

Selbstverständlich hätten wir uns mehr über einen Sieg gefreut, zumal er ja gegen zehn Dortmunder eher hätte möglich sein müssen, aber jetzt haben wir gegen alle Großen der Liga gespielt, mal auf heimischem, mal auf deren Platz – und nicht verloren. Mehr noch, in allen Partien war es mehr unser Vermögen (nicht des Gegners Unvermögen), was uns die Punkte brachte bzw. unser Unvermögen (nicht des Gegners Vermögen), das uns Punkte kostete.

Es scheint so zu sein, dass man gestern nicht wirklich die Geburtsstunde einer neuen TSG gesehen hat, aber die Bestätigung eines eindeutigen Stils erleben durfte, der wie kaum ein anderer für Struktur, Raumaufteilung und Kombinationsvielfalt steht. Passt perfekt zum 16. Dezember 2016, dem 150. Geburtstag des russischen Malers Wassily Kandindsky.

Dessen vielleicht nicht bekanntestes, dafür teuerstes Bild, trägt einen Titel, der bei Julian Nagelsmann keine Begeisterung auslösen dürfte: Studie für Improvisation 8.

improvisation

Es wurde 2012 in New York bei Christie’s für einen Preis versteigert, den wir mal mit „66% Süle“ bezeichnen würden: 23 Mio. Dollar. (Mehr Bilder von Wassily Kandinsky.)

Comments

  1. Jürgen Buchner

    wie aus einem Guss – Euer Kommentar! Und die „66% Süle“ verdienen einen 🙂

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