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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. Borussia Dortmund

1899 Hoffenheim vs. Borussia Dortmund

Tor und Tor

in silencio virtus est

Es gibt nicht wenige, die es stört oder die sich damit schwer tun, aber es gehört sich nun einmal nicht, während der Darbietung zu applaudieren oder sich gar frenetisch akustisch zu äußern. Es sind nämlich gerade diese Momente größter emotionaler Anspannung, die man aushalten soll, ja: muss, um das Werk als Ganzes mit allen Sinnen zu erfassen. In einer Oper oder einem klassischen Konzert.

In einem Fußball-Stadion ist das natürlich anders. Da wird ja gerne gesungen, der Zuschauer ist geradezu begierig danach, seiner emotionalen Anspannung durch Applaus und /oder akustische Einwürfe freien Lauf zu lassen. Das ist auch völlig in Ordnung so. Für den zahlenden Zuschauer, den Fan, aber nicht für den Stadionsprecher.

Bevor wir uns zu dem Spiel äußern und dem sehr verdienten Sieg unserer Mannschaft, fragen wir uns, was das alles soll, was uns da während eines Spieles geboten wird:

– Da werden Zugfahrpläne durchgegeben, was nur für einige gilt, aber jeden nervt. Könnte dies nicht über die Anzeigetafeln kommunizieren – und zwar während einer Spielunterbrechung?

– Warum brüllt er nach einer Parade des Torhüters „Im Tor mit der Nummer 33 (oder: 1): Tom (Daniel) …“? Weiß der Fan das nicht? Muss er das in dem Moment wissen? Warum werden nicht auch die anderen Spieler mit Trikotnummer und Vornamen erwähnt, z. B. nach einer gelungen Flanke, einer bravourösen Balleroberung? Irgendwie scheint das Ganze doch etwas konzeptfrei und ist so gewiss von keinem Gleichstellungsbeauftragten für gut befunden worden.

– Was sollen die martialischen Sentenzen Lattek’scher Rhetorikkunst? („Auf geht’s, Männer, noch mal alles geben“?) Hört man auf ihn? Warum ist er dann nicht Trainer? Gilt das uns, den Fans? Was ist dann mit den Frauen? Wir fänden es gut, wenn auch sie alles gäben, bei manchen plädieren wir sogar sehr für deren letztes Hemd. (Eine latent sexistische Tendenz, die wir natürlich bedauern, die aber dem Wetterumschwung und dem schönen Sieg geschuldet ist.) Oder kann man das nicht einfach sein lassen? Seit wann feuert der Verein, dessen Repräsentant der Stadionsprecher ja zumindest während des Spiels ist, die Fans an?

– Und wäre es möglich, nach der Beendigung des Spiels, am besten aber auch schon nach dem Pfiff zur Halbzeit, wie nach einem Satz in einem klassischen Konzert, zu schweigen? Einfach nur für zehn Sekunden. Und dann leise zu sprechen? Bedenke, das vor dem Mund ist ein Mikrofon. Es verstärkt das Gesagte ohnehin. Brüllen muss also nicht sein. Aber die Ruhe wäre einfach schön, um zumindest für diese paar Sekunden allein zu sein mit seinen Gefühlen und diese, wie die Stille, zu genießen. So ein Stadion braucht einen Sprecher, keinen Animateur. Zumindest wir brauchen den nicht. Es sei denn, das Angebot des Hauses heißt all inclusive. Obwohl, nicht mal dann wären wir gewillt, uns wie Menschen behandeln zu lassen, die ihren Kant nicht kennen. Ansonsten empfehlen wir Wittgenstein.

Diesmal ging es sogar nach Schlusspfiff weiter, als der Stadionsprecher „Oh, wie ist das …“ intonierte. Überraschend, dass dies zumindest kurzzeitig vom Rangvolk aufgegriffen und weiter gesungen wurde. Und dabei hatte das Lied durchaus seine Berechtigung, denn „schön“ war es (das Wetter) und so was hatte man lange nicht gesehen (unsere Mannschaft, die rannte, kämpfte, wollte.)

Das Spiel selbst war ansehnlich, es war spannend, aber wer das, was unsere Jungs gespielt haben, gut nennt, bringt damit nur die völlige Erwartungsfreiheit zum Ausdruck, die man aber natürlich haben darf.

Nein, gut hat unsere Mannschaft nicht gespielt. Starke war stark, Vorsah und Compper in ihren Primäraufgaben ebenfalls, aber nach wie vor gibt es kein Mittelfeld, nach wie vor bleibt der Ball so gut wie nie öfter als über fünf Stationen in unserem Besitz, nach wie vor verlieren wir unnötig Bälle durch Fehler bei der Ballannahme oder durch schlechte, meist brusthohe Zuspiele.

Das machte der heutige Gegner viel, viel besser. Bei ihm lief der Ball schneller, flüssiger, sicherer. Er wurde weitaus seltener verloren und weitaus häufiger erobert. Sie spielten damit. Das war schön sowohl anzusehen als auch im Sinne von gut für uns, denn dadurch gelang es unserer Mannschaft, die Gegenspieler doch noch einzuholen oder beim bzw. den Torschuss abzublocken.

Bisweilen war es geradezu ein Grätschfestival, aber das war das, was wir sehen wollten. Das war etwas, was wir schon lange vermissten: Leidenschaft. Die Grundvoraussetzung für den Erfolg, schließlich sagt der Volksmund völlig zurecht: Vor dem Können kommt das Wollen.

Und unsere Mannschaft wollte heute. Der Druck auf sie war groß. Die letzten Spiele eine Katastrophe. Das war es diesmal nicht. Nicht nach zehn und auch nicht nach 30 Minuten, auch wenn da die Gäste mehr vom Spiel hatten. Chancen hatten sie wenige. Immer wieder kam im letzten Moment doch noch ein Hoffenheimer dazwischen und störte erfolgreich.

Das 0:0 zur Halbzeit war mehr als gerecht und man fragte sich zwar, ob Ibisevic weiß, was Abseits ist, wo Beck seine Form und Alaba seine Position hatte, aber das war egal, denn das Kollektiv funktionierte.

Auch zu Beginn der 2. Halbzeit, als die Gäste immer näher vor unser Tor kamen, kämpfte unsere Mannschaft um jeden Ball und warf sich mit viel Herz in jeden sich bietenden Zweikampf.

Erfreulicherweise ging das diesmal nicht zu Lasten der Konzentration. Als nach einem Freistoß im Mittelfeld Salihovic sah, wie Babel in die Spitze lief, bediente er ihn, er Ibisevic, der Beck, der zurück und plötzlich brach ein crescendo allegro assai con molte voce los.

Wir, wir, die wir gegen den seit ewig und in Sachen Punkteabstand sicheren Tabellenletzten keinen einzigen Schuss aufs Tor brachten, brachten nun gegen den seit ewig und in Sachen Punkteabstand sicheren Tabellenersten den Ball ins Tor. Pardon: nicht wir, sondern der oftmals gescholtene Ibisevic. Vielleicht lag es auch einfach nur mal am Zuspiel, das flach kam.

Auch den beiden nächsten Chancen unseres Mittelstürmers gingen flache Zuspiele voraus. Einmal reagierte der Gästetorwart hervorragend, einmal gar nicht, doch der Bogenball landete aus über 20 Metern an der Latte.

Von den Gästen kam nichts mehr. Erst als der ohnehin äußerst bizarr pfeifende Schiedsrichter aus unerfindlichen Gründen drei Minuten Nachspielzeit anzeigte, machten sie noch einmal Druck. Und fast wäre es wie im Hinspiel passiert, dass sie in der letzten Sekunde den Ausgleich gegen uns erzielen. Diesmal aber traf der Ball Starkes Wade, von wo er knapp ins Aus trudelte. (Nein. Der Stadionsprecher sagte nicht „Und das war die Wade unserer Nr. 33. Tom …“ Nein. Nicht. Vielleicht, weil er es von seinem Platz aus, von dem er sich kaum erhebt, nicht sah.) Dann noch eine Ecke, dann der Pfiff – und dann war nichts von dem Jubel zu hören.

Sehen konnte man ihn, aber die Ohren vernahmen notgedrungen die Sentenzen der zur Schau gestellten Freuden des Stadionssprechers, der davon sprach, dass wir „die Sensation“ gepackt hätten. Entweder ist das einfach sehr unbedacht sehr übertrieben oder Ausdruck eines tief verwurzelten Unterlegenheitsgefühls? Oder ist das wirklich eine Sensation, wenn eine Mannschaft aus der oberen Tabellenhälfte der 1. Bundesliga zuhause eine andere Mannschaft aus der oberen Tabellenhälfte der 1. Bundesliga mit 1:0 besiegt?

Das Ergebnis ist prima. Der Unterhaltungsfaktor war gut, die Dramatik sehr gut. Wenn jetzt noch unsere Mannschaft lernt, Ball und Spiel zu beherrschen, dann kommt er ganz sicher nicht: der fliegende Holländer 🙂

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