1899 Hoffenheim vs. Bayern München
Himmlisch!
Ein grauer Tag voll Sonnenschein –
mit sehr vielen Erinnerungen – und richtigen Signalen …
Zweitausendzweihundertundsiebenundzwanzig Tage ist es her, dass die TSG 1899 Hoffenheim Tabellenführer der Fußball-Bundesliga war. Nach einem 2:0-Sieg über das Team, das aktuell durch einen nie erwarteten 2:0-Sieg gegen die Nummer 2 der letztjährigen Spielzeit, was ja schon als die größte Sensation dieses Spieltages angesehen wurde, auf Platz 2 steht, grüßte unser kleiner, feiner Dorfverein am Ende des 1. Spieltags der Saison 2014/15, dem 24. August, von der Tabellenspitze.
Jetzt, am Ende des 2. Spieltages der Saison 2020/21 tun wir es wieder – nach einem weder faktisch, noch in dieser Art, noch in dieser Höhe nie und nimmer erwartbaren Sieg gegen den deutschen Rekord- und amtierenden Meister, den deutschen Rekord- und amtierenden Pokalsieger, den deutschen Rekord- und amtierenden Champions League-Sieger, den deutschen Rekord- und amtierenden UEFA Supercup-Sieger, den deutschen Triple- und Quadruple-Rekord- und amtierenden Sieger.
Dreiundzwanzig Tage ist es her, dass die TSG 1899 Hoffenheim-„Familie ihren Mittelpunkt verloren“ hat, wie es in der Rhein-Neckar-Zeitung so trefflich formulierte. Der Tod von Peter Hofmann war ein heftiger Schlag für uns alle. Selbst das wirklich beeindruckende Kondolenzbuch auf der Internetseite der TSG Hoffenheim kann bei aller Masse an Einträgen die Leere nicht wiedergeben, die die TSG-Familie nach und seit dieser unglaublich traurigen Nachricht empfand und empfindet.
Auch unser CCEO wurde in dem RNZ-Artikel zitiert, was sogar Widerhall in der aktuellen Ausgabe des TSG-Magazins SPIELFELD fand:
Da lag er um einiges richtiger als mit seiner Einschätzung als „Fan-Experte“ auf SPIEGEL Online:
Die TSG ist leider ganz leicht auszurechen: Man potenziere die 3 Tore mit den 3 Punkten = 27. Wenn man dann noch die 1 hinzuaddiert, erhält man die TSG-Elf. Baumann und Kramaric sind die einzigen Konstanten. Neun Variablen sind immer für eine Überraschung gut, aber wenn die keine klare Zuordnung haben, wird es kein positives Ergebnis geben.
Obwohl … Lag er wirklich so falsch, denn immerhin waren die neun Variablen für weit mehr als eine Überraschung gut, ja, es war schlicht der maximale Kontrast zwischen dem letzten Heimspiel vor der Phase der Geisterspiele und dem ersten Heimspiel nach der Phase der Geisterspiele:
War Ersteres gleich in mehrfacher Hinsicht ein Debakel,
war Letzteres das (fast) absolute Spektakel!
Und das, was es besonders besonders machte, gegen den gleichen, ja fast schon identischen Gegner, denn die Aufstellungen der Münchner unterschieden sich zu Beginn der Partie nur auf zwei Positionen: statt Coutinho und Thiago standen Sané und Tolisso in der Startelf der Gäste. Bei der TSG waren es hingegen – und das (obwohl wir nur zwei Abgänge zu verzeichnen hatten (Rudy/ Zuber)) – nur drei Spieler aus der Startformation vom 29. Februar, die es auch in die erste Elf am gestrigen 27. September schafften: Baumann, Samassekou und Baumgartner, was sicherlich ein nachträglicher Beleg für die Richtigkeit der (späteren) Trennung von Alfred Schreuder war.
Das richtige Signal!
Denn … so sah es im Vorfeld ja auch gar nicht aus: Wenn man sich an die beiden bisherigen Auftritte in dieser Spielzeit rückerinnert und sich vor allem die Aussagen des jetzigen Trainers nach den Spielen sowie vor dieser Begegnung schriftlich zu Gemüte führte, führte das fast unweigerlich zu Erinnerungsflashs an seinen Vorgänger. Da war von „einem Prozess“ die Rede, da wurde „die Mentalität der Mannschaft“ gelobt, da hat man auch „viel Positives gesehen, auf das man aufbauen könne“. Zudem wolle man auch gegen die Bayern „mutig“ agieren.
Der Unterschied war halt, dass man die beiden Spiele, die ja alles andere als wirklich gut, geschweige denn wirklich ansehnlich waren, gewann – und unsere Mannschaft gegen die Bayern wirklich mutig auf-, weil im Grunde ohne Mittelfeld antrat. Aber zuerst einmal traf man sich vor dem Spiel am Mittelkreis, um auch vor diesem Spiel erneut unseres verstorbenen Präsidenten zu gedenken.
Das richtige Signal!
Die TV-Bilder zeigten einen Dietmar Hopp, dem man ansah, dass er immer noch jedes Wort seiner sehr persönlichen Traueranzeige fühlte:
Am Ende dieses Moments der Erinnerung gab es einen sehr warmen Applaus von allen im Stadion – und dann den Anpfiff und dann erst mal nichts, was einen hätte erwärmen können. Die Bayern im Ballbesitz – und wir nicht mal annähernd dran … Natürlich hofften alle tief drin auf Matthäus, auf dass seine Worte den Glauben zurückbrächten, also jene, die in seinem Evangelium stehen:
„Du bist Petrus [= Peter] und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Mt, 16,18)
Und sie wurden wahr. Vielleicht dauerte es einfach so lange, bis Peter Hofmann seinen Platz neben dem Fußballgott fand, aber wir sind uns sicher, dass er es tat und dass das so gegen dreiviertel vier gewesen sein muss. Da nahm er dann Platz und Geiger Maß. Sein Eckball landete auf Bicakcics Schädel – und von da der Ball (etwas glücklich) im Tor der Bayern.
Bis dahin spielten nur sie, aber sie spielten auch nur. Mehr nicht. Und meist nur um den Strafraum rum. Da passierte eigentlich nicht – und kaum waren wir einmal vorne, passierte eben das: die Führung – nicht ausgeschlossen auch dank gütiger Fügung von ganz oben.
Das richtige Signal.
Es blieb nämlich nicht die einzige Szene, in denen wir Ball und Bayern die Stirn boten. Wir boten auch hernach sonst alles Mögliche an Körperteilen auf, um den Gästen einerseits das Toreschießen zu verunmöglichen, andererseits uns für Selbiges durch absolut schnörkelloses Spiel in die Spitze Chancen zu eröffnen, auch wenn das 2:0 eine Art Eigentor war, denn die Vorlage für Dabburs Treffer kam von Pavard. Der Weltmeister spielte unserem Israeli den Ball mustergültig in den Lauf, wenngleich unabsichtlich, da ihn Kramaric, unser Vizeweltmeister, im Grunde als Bande benutzte.
So rannte Dabbur allein auf Neuer zu, der sich erst sowohl phantastisch flach als auch brutal breit machte, was ihm aber aber ebensowenig half, wie dass er, als er merkte, dass er, Manu, von ihm, Manus, überlistet, weil -lupft wurde, seine Reklamierarm maximal ausfuhr. Der Ball erhob sich galant über ihn und sank ins Tor, hernach die Fans artig mit ihren SitzpartnerInnen in die Arme.
Das richtige Signal!
Auch wenn die selbsternannten „aktiven Fans“ diesem Spiel fernblieben, weil sie es unter diesen Bedingungen ablehnen, ins Stadion zu gehen, hatten alle anderen Fans ganz aktiv Spaß am Spiel. Das war bei dem Spielstand natürlich ein Leichtes, aber auch sonst war es trotz aller Vor- und Maßgaben einfach schön, wieder live im Stadion und hautnah dran zu sein. Natürlich fehlte es etwas an Stimmung, wie man sie kennt, aber dennoch gab es sie: mit Anfeuererungen, Wechselgesängen, Pfiffen gegen unfair agierende Spieler (der gegnerischen) Mannschaft sowie den fast schon vergessenen „Schieber“-Rufen (gegen den nicht nur einmal schwach pfeifenden Schiedsrichter), schlicht allem, was dazu gehört sowie all dem nicht, was es nicht braucht: Vulgarismen, Beleidigungen, Schmähungen, fliegende Bierbecher und ähnlichem Dreck. Es war auch ein Fest für Fans durch Fans – nur eben diesmal andere – und die waren weitaus weniger passiv als gewisse Medien oder „aktive Fans“ einen glauben lassen wollen. Auch das:
Das richtige Signal!
2:0!
Damit war klar, dass es so klar wie beim letzten Spiel der Bayern bei uns oder gar dem ersten Spiel der Bayern in dieser Spielzeit nicht werden würde, was noch klarer wurde, als Kramaric Neuer zu einer Parade zwang, die doch sehr an seine Reaktion bei der WM 2014 im Viertelfinale gegen Frankreich erinnerte, als er in der Nachspielzeit Benzemas Vollspannstoß voll entspannt mit seiner nach oben schnellenden Faust abwehrte. Nur diesmal ging der Ball sogar noch an die Latte.
Das richtige Signal!
Diese Szene ist umso erstaunlicher und gerade deshalb erwähnenswert, weil die Gäste kurz zuvor den Anschlusstreffer erzielten, nachdem Bicakcic zuvor ohne Fremdeinwirkung des Gegners schwer verletzt zu Boden sank. Irgendwas am Knie.
Nun wollen wir uns hier nicht über die vermeintlich mangelnde Fairness der Bayern auslassen, die den Ball hätten ins Aus und nicht weiterspielen sollen – und dann auch noch das 1:2 erzielen. Aber die entscheidende Szene kam kurz zuvor, als Sané nur durch ein nicht geahndetes Foul gegen Bicakcic überhaupt erst an den Ball kam.
Diese, wie auch andere Szenen zu unseren Gunsten, sah der Schiedsrichter eher nicht. Dafür übersah er die ein oder andere knifflige Szene zu Ungunsten der Bayern. In Zeiten wie diesen mag sich das sogar noch als ausgleichende Gerechtigkeit anfühlen, aber erstens ist es das nicht, und zweitens erinnerte auch das ein wenig an die WM 2014, wobei wir Ermin Bicakcic nicht wirklich mit Shokdran Mustafi gleichsetzen wollen. Nur war es ehedem so, dass seine Verletzung den Trainer dazu zwang, von seinem ursprünglichen Plan abzurücken und die Mannschaft dann so umzustellen, wie es wohl die meisten gemacht hätten – was letztendlich dafür sorgte, dass Deutschland Weltmeister wurde – und genau das tat auch nach der verletzungsbedingten Auswechslung Bicakciks not.
Skov kam für ihn, der damit die linke Außenbahn beackern konnte, dadurch konnte Kaderabek endlich auf die rechte Außenbahn, von der aus Akpoguma dann in die Innenverteidigung rückte.
Das richtige Signal!
Das fühlte sich sogleich besser an, da Skov links einfach mehr Zug nach vorne hat, was wiederum den jeweiligen Gegenspieler (wahlweise Sané oder Gnabry) zu Defensivaufgaben zwang und damit fern von unserem Gehäuse hielt. Wie gesagt, leider hielt auch Neuer kurz vor der Halbzeitpause Kramarics Schuss und damit die Bayern im Spiel.
Und als es mit diesem weiterging, ging es diesmal auch leistungsmäßig bei unserer Mannschaft auf hohem Niveau weiter. Die Bayern hatten zwar nach wie vor viel Ballbesitz, aber so gut wie keine Chancen – eigentlich nur eine, aber die lenkte Baumann gerade noch so an die Latte.
Ansonsten hatten wir Chancen für zwei Spiele – gegen die Bayern! Allein in der 51. Minute vergab Dabbur zwei Höchstkaräter. Auch Skov scheiterte frei vor Neuer stehend. Es war unfassbar, aber man fing an den Spruch zu glauben, der beschreibt, was passiert, wenn man die Dinger vorne nicht macht … – gegen die Bayern!
Natürlich waren sie müde und alles, aber wir waren auch verdammt gut, ließen nichts zu und versuchten unsererseits alles, wenngleich das eigentlich wenig überraschend war: Baumann lang in Richtung Mittellinie, wo Kaderabek idealerweise das anstehende Kopfballduell gewinnen möge, was er meist tat, wo ihn ein weiterer TSG-Spieler weiter in Richtung „letztes Drittel“ und von da aus dann „in die Box“ zu spielen hatte.
Das Überraschende an dieser Kombination war: Sie gelang andauernd. Meist scheiterte sie am letzten Ball, aber es war immer knapp. Die Bayern kamen offensichtlich gar nicht auf die Idee, ihr hohes Pressing bzw. ihre Überlegenheit im Mittelfeld aufzugeben. Also überspielten wir es einfach, was eben überraschend einfach war und letztlich dann auch zum 3:1 durch Kramaric führte, der ein gar nicht mal sooo gutes Zuspiel des inzwischen eingewechselten Bebou durch eine kurze Annahme und einen platzierten Schuss aus spitzem Winkel ins lange Eck veredelte.
Das richtige Signal!
Zu dem Zeitpunkt standen bereits Goretzka und Lewandowski seit 20 Minuten auf dem Feld und kurz zuvor wurde auch noch Coman eingewechselt, was ja deutlich zeigte, dass die Bayern trotz 1:2-Rückstands auf alles andere als Unentschieden spielten.
Jetzt waren die erfolgsverwöhnten Bayern natürlich noch motivierter, aber aufgrund der Strapazen der letzten Woche halt nicht frischer, so dass sie ihr Spiel bei weitem nicht so spritzig und präzise wie gewohnt aufziehen konnten. Das wiederum sorgte für Ballverluste ihrerseits, Zeitgewinn unsererseits – und Chancen. So kam Bebou in der Nachspielzeit an der Mittellinie an den Ball, den zuvor Kramaric (!) vor dem eigenen Sechzehner (!) erkämpfte, wobei der von Boateng (!) dort abgeräumt wurde (eine Konstellation, die eigentlich alles darüber aussagt, wie motiviert beide Teams auch da noch waren), und gewann zwei oder drei Zweikämpfe hintereinander, bevor ihn Neuer schlussletztendlich im Strafraum von den Beinen holte. Nach etwas Diskussion nahm sich dann Kramaric des Strafstoßs an.
Der Schiedsrichter gab den Ball durch einen Pfiff frei, Neuer hüpfte auf der Linie und Kramaric … machte nix. Es war phantastisch. Er, der sonst immer langsam anläuft, dann verzögert, um eine Reaktion des Torwarts zu antizipieren, blieb einfach stehen. Das hat Neuer schon sichtlich verwirrt, denn er musste ja weiter hüpfen. Dann lief Kramaric los und durch und schoss den Ball einfach mit Vollspann halbrechts (sprich: drosch ihn) unter den Querbalken. 4:1.
Und dann hatten wir sogar noch eine potenzielle Chance, doch vor der nächsten der schwache Schiri ein Einsehen, dass das die Bayern nicht mehr würden drehen können. Viel früher dürften aber auch die sich vorbildlich verhaltenden TSG-Fans nicht an diesen Sieg geglaubt haben.
Das richtige Signal!
Wie in (nahezu) allen anderen Stadien mit Fans gab es keinerlei Komplikationen. All das, was gerade in Mimimimedien kolportiert oder gemutmaßt, von nicht weniger Politiker/inne/n mit Argwohn und Misstrauen beäugt und vorverurteilt wurde, bewies sich aber als wieder einmal goldrichtig. Alles hat funktioniert.
Schon bei der Fortsetzung des Spielbetriebs hat man ja gesehen, dass Deutschland bei weitem nicht mehr das Land der Dichter und Denker ist, sondern das der Warner und Mahner, Warnerinnen und Mahnerinnen, wo bunte Hunde vom Aussterben bedroht sind, während Angsthasen sich wie die Karnickel … ungeachtet der Wölfe in Schafspelzen, die sich ja auch nur so gut verstecken können, weil es genug Hammel gibt.
Es ist erschreckend, wie sehr man hierzulande versucht, den Fußball an den Pranger zu stellen. „Ein normaler Spielbetrieb sende ‚das falsche Signal‘ aus – darf/muss man da immer lesen. Welches denn? Wäre eine Schule besser ausgestattet, wenn der Ball ruhen würde?
Was Verantwortliche (oder die Angsthasen, Reichsbedenkenträger am langen Band etc.) wohl am meisten nerven dürfte, ist, dass es klappt. Die Akzeptanz ist außerhalb der eigenen Meinungsblase gegeben, die Fans benehmen sich, es gibt auch Stimmung ohne Ultras, aber eben nicht „mehr Fälle“. Wer will, kann – und das zeigt/e sich gerade im dieszeitigen Fußball.
Das richtige Signal!
Es gibt noch viel zu tun, einiges zu verbessern, aber definitiv keinen Grund zur Panik. Auch nicht vor der nächsten Partie gegen die Eintracht. Vielleicht ziehen wir danach sogar an der Hertha vorbei und mit der anderen bekannten Fußball-Mannschaft aus München gleich, die bislang 17-mal in ihrer langen Geschichte auf Platz 1 der Bundesliga stand und damit in der Liste der Tabellenführer der Fußball-Bundesliga auf Platz 15 liegt? Vielleicht aber auch nicht.Egal …
Auf jeden Fall ziehen wir den Hut vor der Leistung unserer Mannschaft, Oliver Baumann, der auch nach dem Spiel unserem verstorbenen Präsidenten gedachte („Das war heute auch ein Sieg für Peter Hofmann.“) sowie dem Geschäftsführer Frank Briel, der auf der offiziellen Gedenkfeier der TSG-Familie zu Ehren ihres Präsidenten sagte:
„Du bist zwar nicht mehr da, wo du warst,
aber du bist überall, wo wir sind!“
Du nun im ersten, wir gerade im siebten.
Danke für deine Hilfe!
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