1899 Hoffenheim vs. Bayer Leverkusen
Volksweis(heit)en
„Es stimmte nicht alles, aber stimmet mit ein …“
Mit hängenden Köpfen verließen die, die es mit der TSG halten, das Stadion. Der Schmerz über die Niederlage saß tief, so dass keinem zumute war, der PreZero-Arena zuzuwinken und das passende Volkslied zu pfeifen:
Nun leb’ wohl, es wär’ so schön gewesen,
sei nicht bös’, es hat nicht sollen sein.
In der ersten Halbzeit sah es auch kaum danach aus, dass man so niedergeschlagen würde das gar nicht mal so weite Rund verlassen. Zwar spielten wir nicht schlecht gegen eine technisch und spielerisch beeindruckende Bayer-Elf, aber halt just in diesen Punkten deutlich schlechter.
So agierten die Gäste nicht nur als Team, sondern auch jeder Einzelne von ihnen flexibler und beweglicher und dabei auch in allen Situationen (ball- und pass-)sicherer. Bestes Beispiel hierfür das 0:1 der Gäste, wo ein klassischer Doppelpass sowie eine Elvis-Presley-Gedächtnis-Hüftbewegung reichte, um unsere gesamte Hintern … Hintermannschaft auszutanzen.
Dagegen war unser vor allem Aufbauspiel völlig fürn Arsch. Am Ende des Spiels weisen die Spieldaten auf kicker.de zwar 86% angekommene Pässe aus (über die gesamte Spielzeit aber nur 7% angekommene Flanken), doch da zählen natürlich auch die Fünfer-/Sechser-Kombinationen mit denen unsere Mannschaft von Baumann ausgehend versuchte, eigene Angriffe zu initiieren. Meist mündeten die aber letztlich doch in einem langen Ball unseres Keepers oder aber in einem Versuch mit einem überlangen Pass durch die Mitte der Gästedefensive. Einen solchen Pass nennt man auch Steckpass, der im Stadionmagazin der TSG vom März 2022 wie folgt definiert wurde:
In Tornähe wird allerdings besonders gern der Steckpass genutzt, um einen Treffer vorzubereiten. Auf engstem Raum, oft vor oder sogar im gegnerischen Sechzehner, gibt es wenig Platz für Dribblings oder für viele Pässe. Der Steckpass ist deshalb so beliebt und wirksam, weil er vom ballführenden Spieler nur wenige Meter weiter zwischen den gegnerischen Abwehrreihen zum Teamkameraden „durchgesteckt“ wird – bestenfalls direkt in den kurzen Lauf, bevor der Angreifer im Abseits steht. Meist folgt daraufhin ein direkter Torabschluss – weshalb ein perfekt gespielter Steckpass auch als „tödlicher Pass“ bezeichnet wird: Der Torabschluss ist danach kaum noch von der Defensive zu verhindern. Als Meister der Steckpässe gelten Spielmacher wie Kaká, Andres Iniesta oder Mesut Özil. Bei der TSG ist Andréj Kramarić ein genialer Steckpass-Absender, wenn sich der Torjäger mal wieder ins Mittelfeld fallen lässt, um einen seiner Teamkollegen zu bedienen. (Quelle)
So richtig das alles ist, so wenig traf es auf die Steckpässe unserer Mannschaft in dieser Halbzeit zu. Diese verdienten ihren Namen ebenfalls zu Recht, aber auch nur, weil sie stets in der Gästeabwehr stecken blieben. Sie waren also eher tödlich für unsere eigenen Offensivbemühungen, zumal sie auch nicht im gegnerischen Sechzehner, sondern oft aus der eigenen Hälfte gespielt wurden.
So war dann auch ein Fernfernschuss von Bülter die erste Torchance der TSG. Mit diesem Hammer aus 35 Metern kam aber endlich auch mal etwas Schwung und nicht nur reaktive Bewegung in unsere Reihen, so dass man nach 45 gespielten Minuten ganz zufrieden sein konnte, nur mit 0:1 gegen den ungeschlagenen Tabellenführer in die Pause zu gehen.
Bald schon wirst du all den Schmerz vergessen,
denn das Glück lässt dich nicht lang allein.
So viel zur Richtigkeit des Pathos in Volksliedern, denn noch vor dem Halbzeitpfiff erhöhten die Gäste auf 0:2, was den Schmerz eher vergrößerte, auch wenn es nicht das Glück war, was uns verlassen hatte, sondern alle guten Geister. Keine Abdeckung des Rückraums bei einer Ecke, flach reingespielt und leider vom Stürmer der Pillendreher perfekt ins Dreieck geschlenzt.
Keine and’re hat mein Herz besessen,
doch vorbei geht all’ der Sonnenschein,
Hm, da stimmt der Pathos wieder. Vom Spätsommer letzte Woche war nichts mehr zu spüren (auf der Haut) und zu sehen (auf dem Platz). Wir landeten mitten im Frühwinter, und der eisige Wind machte den Niederschlag – sowohl den metaphorischen (durch das dumme Gegentor) als auch den tatsächlichen (kurz vor Graupel) – noch unangenehmer.
drum leb’ wohl, es wär’ so schön gewesen,
sei nicht bös’, es hat nicht sollen sein.
Bier und Worschd als Seelentröster.
Bald schon wird dein Herz den Schmerz vergessen,
bald schon wirst du wieder glücklich sein.
Es hilft ja alles nichts. Es muss ja weitergehen. Ja, ja, ja: „Die Hoffnung stirbt zuletzt,“ sagt der Volksmund. Also man darf sich auch nicht entmutigen lassen – auch wenn böse Zungen auf diese motivatorische Sentenz gerne antworten mit „Aber sie stirbt!“
Diese böse Zungen wurden eines Besseren belehrt, weil die TSG in der zweiten Halbzeit deutlich besser zu Werke ging – und näher an den Mann.
Schon klappte das Kombinationsspiel der Gäste weniger gut. Sie haben ganz offensichtlich ein Langholzverbot, an das sie sich sehr strikt halten, so dass die endlich auch von der gesamten Mannschaft konsequent umgesetzte Idee des Pressing zu Erfolgen führte. Leider ist es keine Volksweisheit, aber „Erfolg erfolgt“.
Zuerst setzte unsere Offensive deren Defensive konsequent auf allen Positionen unter Druck und Stach ein Zeichen, dass er nicht nur eine sehr gute Vorhand hat, die einen Top-Spin-Lob spielen kann, sondern auch einen solchen rechten Fuß: Mit dem fing er ein Zuspiel des Gästetorwarts ab und drosch ihn dann aus über 40 Meter dann da hin, was im Tennis doof, im Fußball aber das Ziel des ganzen Gewusels ist: ins Netz.
Und es tat so auch nicht wunder, also von wegen „Oh, Wunder“, dass wir wenige Minuten später gar zum Ausgleich kamen, nachdem Beier, der auch gegen Bayer wieder eine sagenhafte Partie machte, einen feinen Bogenball gespielt hatte, den deren Keeper zwar noch an den Pfosten lenken, aber Weghorst dann letztlich erneut ins Netz befördern konnte.
Leider fehlten unserer 10 dann keine zehn Minuten später weniger als zehn Zentimeter und wir wären sogar in Führung gegangen, doch diesmal landete nur Ball nicht im, sondern nur auf dem Netz.
Keine andre hat mein Herz besessen,
doch nun lässt das Glück uns zwei allein.
Ja, was war das denn? Da VAR doch was! Aber außer uns sah wohl niemand, dass der Mittelstürmer der Gäste sich bei seinem Kopfball den Ball selbst an die Hand köpfte, ihn dann sicherte und zu dem Mitspieler spielte, der schon den Eckball per Schlenzer versenkte, auf dass dieser dieses Zuspiel fast identisch in der Anlage, aber absolut identisch im Ergebnis nutzte. 2:3.
Das war doch … das letzte Nennenswerte dieser Partie. Wieder verloren wir ein Heimspiel, aber dafür dann doch auch gewiss das ein oder andere Herz eines Zuschauers/einer Zuschauerin im (zumindest offiziell) ausverkauften Haus – und diesmal lag es nicht am Zuspruch und Zulauf durch Gästefans.
Da war Heimat im Stadion und auch Herzblut zu spüren – letztlich auch auf dem Platz, aber vor allem auch auf den Rängen. Und der Mannschaft wurde dank der aufopferungsvollen zweiten Halbzeit die Missgeschicke des ersten Durchgangs verziehen.
Drum leb’ wohl, es wär so schön gewesen,
sei nicht bös’, es hat nicht sollen sein.
So machte man sich also schon mit hängendem Kopf auf den Heimweg, aber man schüttelte nicht ihn ob der Leistung, sondern sich …
Drum leb’ wohl, es wär so schön gewesen,
sei nicht bös’, es hat nicht sollen sein.
… und bleibt frohgemut, dass das Team sich weiterhin im oberen Tabellendrittel halten wird. Es gibt dafür auch beste Anzeichen: a) Das Team machte weniger Fehler als beim letzten Heimspiel, b) weniger Fehler als beim letzten Pokalspiel und last but noch least, denn wie sagt der Volksmund so schön „Aller guten Dinge sind drei.“, c) Es folgt ein Auswärtsspiel. 🙂
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