1. FC Union Berlin vs. 1899 Hoffenheim
Gelb.
Ein Fest in der Ferne.
Wir haben uns ja eigentlich ( = ein Wort, das man eigentlich nicht braucht) geschworen, uns nicht mehr über die Menschen auszulassen, die sich Hoffe-Fans, aber meist nur Gift und Galle schimpfen. Nicht, weil es dazu keinen Anlass gäbe, sondern weil sie unter einer Art „Hospitalismus“ leiden, wie wir in unserem vorangegangenen Spielbericht bereits diagnostiziert haben. Sie sind krank – und kranke Menschen brauchen in allererster Linie Ruhe. Also wollten wir sie eigentlich auch in selbiger lassen – neudeutsch: sie ignorieren.
So ganz aber klappt das nicht, denn das Spiel bewies, dass an der Diagnose wahrlich was dran ist. Während in den heimischen Gefilden wie gewohnt schon lange vor Anpfiff, als die Aufstellung veröffentlicht wurde, gezetert und gemordiot wurde, trugen die 800 TSG-Fans, die sich mitten in der Woche auf den langen Weg in die Hauptstadt machten, mit zum Erfolg der Mannschaft und überhaupt der guten Stimmung im Stadion „An der Alten Försterei“ bei.
„Prognosen, Prognosen …
gehen selten gut, dafür gern in die Hosen.“
Das Schöne an diesem schönen Zweizeiler ist, dass er stimmt. Und der beste Beweis dafür ist das, was auf den einschlägigen Portalen und Foren von den TSG-Fan…Furoren losgelassen wurde. Alles komplett daneben – und eine hervorragende Bestätigung eben der Richtigkeit des Zweizeilers. Jener stammt zwar nicht von Goethe, aber der war ja bekanntlich gut – und Dichter, als es der Autor dieses Merkreims je sein wird (har, har): unser CCEO. Der schrieb in seiner Vorkommentierung zum Spiel als „Bundesliga-Experte“ auf Spiegel Online:
„Hurra, ein Auswärtsspiel. [Das wird ziemlich ungewohnt sein für unsere Spieler, in einem Stadion mit einer guten Atmosphäre zu spielen.] In der Alten Försterei strauchelten zwar schon einige Topteams, aber dazu zählen wir ja gerade nicht, also passiert uns das nicht. Punkt. Mindestens …“
Diese [ … ]-Passage schaffte es zwar nicht in die veröffentlichte Ausgabe, aber nichtsdestotrotz traf auch das zu – und nicht nur der prognostizierte Minimalgewinn. Anfänglich machte es ihnen richtig Mühe (1. Halbzeit), dann aber richtig Spaß (2. Halbzeit).
Doch nicht nur die Atmosphäre machte dem Team anfänglich zu schaffen, auch die ausgeprägte Xanthochromophilie* des Schiedsrichters. Er kannte nichts: Ein Foul mit Fall war beim geringsten Hauch von Falb** für ihn ein Fall, seinen 80 cm2 großen 0/0/100/0-Karton*** in die Höhe zu halten.
Der 31-Jährige hat in seinem vierten Erstligaspiel mehr Verwarnkarten gezückt als in seinen drei bisherigen Spielen zusammen. Davor waren es 4 (#SVWFCA), 1 (#FCKBSC) und zuletzt bei #BSCRBL (wie auch in seinem ersten Hoffenheim-Spiel, das er pfiff – die Partie im DFB-Pokal gegen den MSV Duisburg) 3. Diesmal zückte er acht Mal Gelb, davon 75% für, besser: gegen Hoffenheim und davon wiederum 50% in der ersten halben Stunde ausschließlich für = gegen die halbe Defensive: Skov, Samassekou und Posch waren die Leidtragenden seiner völlig überzogenen Handhabung seines Brusttascheninhalts. (Aber er war wohl noch im Flow, denn am Samstag zeigte er in der Zweitligapartie KSC gegen Greuther Fürth sogar neunmal Gelb.)
Woher das kommt, wissen wir nicht, aber wir vermuten halt eine große Liebe zu der Farbe, die wahrgenommen wird, wenn Licht mit einer spektralen Verteilung ins Auge fällt, bei der Wellenlängen zwischen 565 und 575 nm dominieren. ****
Sollte Herr Storks als Schiedsrichter Karriere machen, wird er das wohl belustigt zurückblickend auf seine Premierensaison in der Fußball-Bundesliga begründen mit:
„Ich war jung und brauchte das Gelb.“
Wir brauchten das nicht, denn natürlich hemmt das die Aktionen der Spieler und gerade unsere Defensivabteilung stand im wortwörtlichen Sinne großen, ja, fast hünenhaften Herausforderungen gegenüber. Aber dank der Rückkehr Benjamin Hübners brachte keine der zahlreichen Ecken und Freistöße für die Eisernen Gefahr für unser Tor. Nur ein einziges Mal wurden wir überlaufen, doch der Angreifer segelte am Ball vorbei.
Andererseits hatten wir eine noch bessere Chance, als „unser“ Bebou-b’ bei unserem ersten gelungenen Umschaltspiel den Ball mustergültigst auf Kramaric vorlegte, der dann aber den Ball zu voll traf, so dass er leider nicht ins, sondern übers Tor ging.
So ging es in keinem technisch hochklassigen, aber kämpferisch beeindruckenden Spiel torlos in die Halbzeit, aus der unser Team nahezu verwandelt wiederkehrte.
Standen wir in den ersten 45 Minuten doch meist eng gestaffelt vor dem eigenen Sechzehner, fingen wir plötzlich an initiativ zu werden. Passgenauigkeit und Präzision blieben zwar immer noch hoch verbesserungswürdig, aber nun waren wir es, die den Gegner in seiner Hälfte hielt – und keine zehn Minuten nach Wiederanpfiff „unser“ Bebou-Bub’ einfach mal drauf. TOOOOOOOOOR!
Ja, Glück dabei, weil der Schuss abgefälscht wurde, aber halt auch erzwungen. Und endlich mal wieder effizient. Hatten wir in den letzten Partien irre viele über-100%-ige Mehrfachchancen, reichte uns diesmal eine einzige, um endlich mal wieder in Führung zu gehen. Bebou reichte sein einziger Torschuss sogar, um zum „Man of the Match“ gekürt zu werden – naja, und der Umstand, dass er der laufstärkste Spieler der Partie war. (Wir rechnen das der Ofenkartoffel zu, die „unser“ Bebou-b’ auf unserer Weihnachtsfeier verspeiste.)
Und unser Team machte nach der Führung das einzig Richtige: weiter! Die Köpenicker versuchten natürlich, mehr Druck zu machen, aber trotz dieser famosen Unterstützung ihrer Fans kamen sie nur noch ein Mal vor unser Tor, aber dann packte Baumann seine Version von Goethes Klassiker aus:
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß
Miteinander wechseln, wie es kann;
Nur rastlos betätigt sich der Mann.
Faust. Seine selbige Abwehr machte den einzigen nennenswerten Angriff der Berliner in Halbzeit zwei zunichte, während wir fast schon beunruhigend ruhig das Spiel kontrollierten.
Nervosität kam nur auf dem Sofa auf, als Bicakcic und danach Nordtveit Samassekou und den inzwischen ebenfalls verwarnten Kaderabek ersetzten, aber eigentlich änderte sich am Spiel nichts. Die Einwechslung Baumgartners für den völlig platten Adamyan wurden hingenommen. Konnte ja nichts schaden, einen frischen, laufbereiten Spieler in die erste Verteidigungslinie zu stellen. Wer konnte es ahnen, dass dies derart nutzt? Nordtveit, zum ersten Mal auf dem Platz, bereitet vor, Baumgartner schlenzt vollendet und vollendet. TOOOOOOOOOOOR!
Was für ein geiler Sieg. Wie gesagt: Unglaublich, was die Mannschaft auch kämpferisch leisten kann, wenn es in einem Stadion mit einer guten Atmosphäre spielt.
Gott sei Dank wird diese am Freitag im Stadion herrschen, schließlich kommt da das Team mit den Fans, die es am besten schaffen, die TSG-Fans zu einen. Vielleicht klappt es diesmal mit dem Support als 12. Mann.
Es wäre allen zu gönnen und einfach nur schön.
Wer hätte nach all den Ab- und Zugängen „bei de Träners und de Spielers“ gedacht, dass wir nach der Hinrunde in der Saison 1 n. JN schlechtestenfalls nur einen Punkt weniger auf dem Punktekonto haben würden? Und ausgeschlossen ist es nicht, dass es sogar zwei Punkte mehr werden … Und in Anbetracht dessen, was unsere Spieler in den letzten Spielen so oft auch grundlos sahen, wäre es nicht ohne Charme, gelänge unserem Team dies durch einen Sieg über Gelb.
—
* xanthochrom = griechisch für gelbfarben
(-philie = Liebe, Neigung, positive Zugewandtheit)
** Falb = ein altes, deutsches Wort für ein blässliches Gelb (häufig für die Beschreibung von Fellen benutzt. Naja, häufig vielleicht nicht, aber von Fachleuten.)
*** 0/0/100/0 = Definition von Vollgelb für Drucksachen
Gegenfarbe = (passend zu den zwei Toren reinster Willenskraft) Purpur
**** = gelb.
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