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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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SC Freiburg vs. 1899 Hoffenheim

Hedda und Hadern

Über leises Schmunzeln, laute Aufschreie,
einen stillen Keller und einen stillen Rekord.

Vorspiel:

Wer sich für die deutsche Sprache interessiert, muss sich das Buch „The Awful German Language“ von Mark Twain einmal zur Genüge geführt haben. Er macht sich darin mit großer freudvoller Abscheu über die Besonderheiten unserer Muttersprache lustig. Aber nicht nur da.

„Wenn der deutsche Schriftsteller in einen Satz taucht, hat man ihn die längste Zeit gesehen; bis er auf der anderen Seite seines Atlantiks wieder hervorkommt mit seinem Verbum im Mund.“
A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court, Kap. XXII.

Wir wollen ja nicht zu pedantisch sein, aber für den Fall, dass jemand das für bare Münze nimmt, dem sei gesagt, das stimmt so nicht, denn er meint das Prädikat, also die konjugierte Form des Verbs und dies auch nur im Nebensatz und auch nur für den Fall, dass keine zwei Verbformen (Partizip und Infinitiv oder zwei Infinitivformen) folgen, was es aber nur in bestimmten Tempi, Modi und auch nur dann in Kombination mit Modalverben wie auch einzelnen Verben der Sinneswahrnehmung („sehen“, „hören“). Aber da dir dies als Muttersprachler intuitiv bekannt ist, wollen wir es dabei belassen – und zum Spiel kommen … mit einem Satz, der Mark Twain in allen Punkten bestätigen dürfte, denn irgendwie erinnerte das Spiel daran, …

…, wie schön der Krieger, der die Botschaft, die den Sieg, den die Athener bei Marathon, obwohl sie in der Minderheit waren, nach Athen, das in großer Sorge, ob es die Perser nicht zerstören würden, lag, erfochten hatten, verkündete, brachte, starb.

Schauspiel:

Und damit wären wir beim Drama des gestrigen Tages – und damit bei Hedda Gabler. Hedda Gabler ist der Name der Protagonistin (Hauptcharakter) des Theaterstücks von Henrik Ibsen aus dem Jahre 1890. Es erzählt von der Situation einer Ehefrau an der Seite ihres ungeliebten und uninteressanten Ehemannes und ihrer Sehnsucht nach ihrem verflossenen Liebhaber. Die Protagonistin nimmt in verzweifelter und unguter Weise Einfluss auf das Schicksal der beteiligten Personen.

Auch wenn das Stück dem Namen nach vielleicht dem/der ein oder anderen bekannt sein dürfte, hat die Handlung nichts mit dem Spiel zu tun. Es geht vielmehr um eine Formulierung aus dem 3. Akt, auf den eine Redewendung zurückgeht, deren Popularität im Fußball nur noch übertroffen wird durch den Namen des ausdrucksvollen Tanzsolo des Choreografen Michel Fokine für die Primaballerina Anna Pawlowa, zur Musik des Cello-Solos Le Cygne aus „Der Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns, aber zu dem kommen wir später noch.

In dieser besagten Szene gibt die Hedda Gabler ihrem Liebhaber, der sein Buchmanuskript verloren zu haben glaubt und deshalb seinem Leben ein Ende bereiten möchte, eine ihrer Pistolen. Damit könne er seinen Selbstmord (jetzt kommt’s) „in schöner Weise“ ausführen. Und im 4. Akt geht sie erneut darauf ein und spricht:

„Eine Befreiung, zu wissen, dass doch noch eine freiwillige Tat des Muts in dieser Welt geschehen kann. Eine Tat, auf die unwillkürlich ein Schimmer von Schönheit fällt.“

Im Fußball-Volksmund sind diese Passagen heute noch sehr lebendig und ihr Inhalt wurde von unserer Mannschaft zwar nicht in ihrer reinsten Form, aber letztlich dann doch ziemlich überzeugend auf die grüne Bühne gebracht: „in Schönheit sterben“.

Das Spiel:

Es war ein tolles Spiel – auch und gerade unserer Mannschaft. Dabei legte sie nicht ausschließlich Wert auf große Ästhetik und stete Fokussierung auf sich durch steten Besitz des Spielgeräts. Nein, vielmehr variierte sie ihr Spiel sehr souverän, wobei sie den Gegner zwar nie so ganz dominierte, ihn auch zu Chancen kommen ließ, aber im Grunde jederzeit die Kontrolle über das Spiel innehatte.

Diese Kontrolle drückte sich diesmal nicht nur durch plumpes Ballbesitzspiel mit viel Integration des Torhüters aus, sondern durch sehr variables Mittelfeldspiel mit so manch sehr schön anzusehenden Steilpässen, die uns immer wieder in – sozusagen – Vor-Chance-Situationen brachte. Und wenn der letzte Pass mal ankam, kam der Torwart der Gäste oftmals gerade noch so mit seinen Handschuhen an das Spielgerät, so dass es knapp neben oder auch am, aber halt leider nie im Tor landete.

Und wenn der Ball dann doch mal drin war, dann kam die Schiedsrichter ins Spiel. So wurde Baumgartners Tor sehr früh abgepfiffen, weil der Linienrichter sehr schnell und vehement sein Fähnchen schwenkte und der Schiedsrichter dann auch schnell ins Pfeifchen blies. Hätte man die Szene, wie man es sonst auch oft tut, gerade bei (auch mehr als deutlichem) Abseits lässt man Spieler teils noch 20/30-Meter-Sprints hinlegen, weiterlaufen lassen und sich dann die Szene noch mal angeschaut, vielleicht wäre man zu dem gleichen Schluss gekommen wie wir, nämlich dass der Freiburger Spieler über seine eigene nHaxen stolperte. (Leider fand die Szene keinen Einlass bei den uns bekannten Zusammenfassungen, so dass wir hier nur aus der Situation heraus und relativ schnell und daher womöglich falsch urteilen, aber unser erster Eindruck war … nix)

Ähnlich verhielt es sich auch mit dem alles entscheidenden Elfmeter, der, wir müssen das leider so deutlich sagen, zu Recht gegeben wurde. Aber nicht, weil es ein Foul war, sondern weil es unsere grundfeste Überzeugung ist, dass – und das gilt auch für die eigene Mannschaft, denn wenn man Werte hochhält und würde sie nicht neutral und objektiv überall anwenden, wären sie wertlos – Dummheit bestraft gehört.

Ja, der Fall des Freiburgers erinnerte schon ein klitzekleinwenig an das oben angesprochene Tanzsolo, wenngleich er den „sterbenden Schwan“ nicht in Perfektion darbot, das muss man fairerweise sagen. Dennoch: Die Stärke des Ausdrucks des Breisgauer Akteurs hätte aber nicht ausgereicht, hätte Posch seine Haxen bei seiner Grätsche bis zuletzt unten gelassen. Was ging da wohl in seinem Kopf vor, wo er doch merkt, dass er zu spät dran ist und nicht mehr an den Ball kommt, was er sogar realisiert haben muss, weil er seine Beine zurückzieht. In diesem Moment taumelt der Angreifer schon, die Situation war im Grunde vorbei – und auf einmal schnalzen Stefans Stelzen wieder nach oben.

Es wird wohl einen minimalen Kontakt gegeben haben, aber der kann nicht ausschlaggebend gewesen sein. Und eigentlich hätte auch da der Keller eingreifen können, denn der Spieler war bereits deutlich zu sehen vor dem finalen Kontakt mit Freuden dabei, die Einladung zum Strafstoß anzunehmen. Es hätte ihn wohl mit Sicherheit nicht gegeben, wäre die Beine unten geblieben – und man hätte ihn auch nicht zwingend geben müssen, aber erneut gab es keine Korrektur der Schiedsrichterentscheidung.

Wahrlich eine freiwillige Tat, aber keine des Mutes und die auf die unwillkürlich mehr als ein Schimmer von Dummheit fällt. Sie jetzt suizidal zu nennen wäre völlig übertrieben, aber sie brach uns das Genick.

Es war so maximal ärgerlich, weil wir plötzlich völlig grundlos zurücklagen gegen ein Team, das nach seinen letzten Spielen leicht angeschlagen wirkte und so ganz und gar anders wirkte und auftrat wie bei den letzten Baden-Derbys im (noch) heimischen Dreisamstadion. Eher genügsam.

Was dann in der 2. Halbzeit seitens unserer Elf folgte, dürfte den Friseuren, Nagelstudios und Heiserkeitstablettenverkaufsstellen der Region in der kommenden Woche hübsche Umsatzsteigerungen bringen. Es war zum Haareraufen, welche Chancen wir kreiert haben und die der Freiburger Keeper noch pariert bekam. Wie bereits im Hinspiel hatte der Mann gegen uns wieder einen Sahnetag erwischt. Doch unermüdlich liefen wir an, was umso beeindruckender war, wenn man bedenkt, dass unsere Mannschaft unter der Woche ein (physisch) schweres und (psychisch) nicht gerade erfreuliches DFB-Pokalspiel in München hat absolvieren müssen.
(Voilà: Nebensatz, Modalverb, Perfekt, zwei Infinitivformen – und schon steht das Prädikat nicht mehr am Ende des Satzes, wie es normalerweise im Nebensatz der Fall ist.)

Nachspiel:

Am Ende hat es nicht geklappt, in der Tabelle auf einen EuropaLeague-Platz zu klettern. Am Ende hat es nicht geklappt mit dem 6. Auswärtssieg in Folge, was ein Rekord gewesen wäre. Dafür gab es einen anderen: In der 88. Minute debütierte der jüngste Spieler aller Zeiten unserer Bundesliga-Mannschaft: Maximillian Beier kam in der 88. Minute für Robert Skov und löste mit seinen 17 Jahren und 144 Tagen einen gewissen Niklas Süle ab, der bei seinem Debüt im Mai 2013 rund fünf Monate älter war.

Damit brachte Schreuder jetzt in zwei Spielen zwei sehr neue Spieler: Ribeiro und Beier. Auch wenn beide Spiele verloren gingen, er sollte beide öfter bringen. Insbesondere Ribeiro wirkte bei seinem Kurzauftritt in München sehr überzeugend. Wir hätten da mindestens einen Vorschlag, wen er ersetzen könnte. Er könnte genau der Spieler sein, den es braucht, dass wir in Zukunft nicht noch einmal in Schönheit sterben und auch nicht in Hässlichkeit gewinnen. Auf dass Hedda Gablers Worte nie wieder wahr werden:

„O, ich stehe nur da und schieße in die blaue Luft hinein.“
(2. Akt)

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