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Pointenfrei!

Pointenfrei!

Ein schlechter Scherz

Was die ZDF Doku zu Hopp und den Ultras wirklich dokumentiert …

Humor ist eine sehr schwierige Sache. Wer über ernste Dinge Scherze macht, steht nicht nur im Verdacht, die Ernsthaftigkeit zu ignorieren, sondern viel schlimmer, die Dinge ins Lächerliche ziehen zu wollen. Das mag gewiss auch zutreffen, aber eben nicht nur. Manchmal dient es auch einfach dazu, Distanz zu gewinnen, einen anderen Blickwinkel auf Sachverhalte und damit auch Erkenntnisse zu gewinnen. Humor entlarvt Bullshit. Und Befindlichkeiten.

Bevor wir jetzt en detail auf die ZDF-Doku „Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde“ eingehen, möchten wir einfach mal ein paar Beispiele für solche mehr oder weniger gelungenen Scherze geben, die mit dem Thema der Doku gar nichts zu tun haben, aber aufzeigen sollen, wie die eigene Nähe zu einem Thema die Wahrnehmung bestimmt, ob nun etwas lustig ist oder nicht. Ob man etwas als Pointe ansieht oder als peinlich – oder Schlimmeres.

„Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt.“

Diesen Satz schrieb Mehmet Scholl 1994/95 im FC-Bayern-Jahrbuch unter der Rubrik „Mein Lebensmotto“.

Hinweis: Das soll kein Whataboutism sein, also kein Ablenkungsmanöver. Es soll nur aufzeigen, wie sich die Wahrnehmung verändert hat, weil sich die Zeiten geändert haben. Damals war die Sprache einfach derber. Der Umgang roher und weniger sensibel.

Insbesondere gegenüber Frauen und dunkelhäutigen Spielern. Das alles hat sich Gott sei Dank geändert. Und ganz sicher würde Herr Scholl auch heute einen solchen Spruch nicht mehr machen.

Um zu verdeutlichen, wie sehr die Sensibilität vorangeschritten ist, kann man an dieser Stelle wieder Herrn Scholl heranziehen. Bei der EM 2012 sagte er in einer Bewertung der Leistung eines deutschen Spielers:

„Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wundgelegen hat, dass man ihn wenden muss.“

Auch ein flapsig daher gesagter Satz, der witzig rüberkommen sollte, es aber nicht tat. Vielmehr entschuldigte sich Scholl später für den Satz, da er damit dem Spieler „sehr geschadet“ habe.

Erfüllte der Satz nun den Straftatbestand der Beleidigung oder war er durch die Meinungsfreiheit gedeckt? Und wie sieht es mit dem Spruch aus dem letzten Jahrtausend aus.

Bei Letzterem ist die Frage schnell beantwortet: Er ist durch das Grundgesetz gedeckt, zumal sich der Satz nicht an eine feststellbare Person oder eine abgrenzbare Personengruppe richtet, wodurch – rein juristisch – die Äußerung zu allgemein ist und es an der konkreten Betroffenheit einer einzelnen Person fehlt, was wiederum eine Voraussetzung für §§ 186f. („Üble Nachrede“, „Verleumdung“) ist. Zur Kenntnisnahme:

186 StGB („Üble Nachrede“)

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

187 StGB („Verleumdung“)

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Es geht also um „einen (!) anderen“. Die Grünen fanden Scholls oben zitierten Spruch übrigens gar nicht witzig. Sie drohten mit einer Anzeige – und wäre es zu einem Prozess gekommen, hätten die Grünen diesen aus oben dargelegten Gründen wohl nicht gewonnen. (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu „Alle Soldaten sind Mörder.“) Aber Scholl spendete 5.000 DM (rund 2.500 €) an Körperbehinderte, da beruhigten sich die Gemüter wieder.

In dem Fall der Dokumentation gibt es aber diesen einen, der bereits so manchen Prozess gewann: Dietmar Hopp – und das obwohl, wie diese Dokumentation ja auch zeigt, dass sich der Protest dieser Ultras eigentlich gegen den DFB richtet wegen der Wiedereinführung der Kollektivstrafe, er sich aber nur über Herrn Hopp entlud, weil sie glaubten, sich nur damit Gehör verschaffen zu können.

Damit machten sie sich aber juristisch angreifbar. „DFB – Hurensöhne“ hingegen wäre zu allgemein gewesen, sodass es an der konkreten Betroffenheit einer einzelnen Person gefehlt hätte, was die Aussage ästhetisch nicht besser gemacht hätte, aber strafrechtlich irrelevant.

Nächstes Beispiel zum Selbsttest des eigenen Humorverständnisses:

Unternehmer zielen auf Gewinnmaximierung. Dazu zählt Ausbeutung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, z. B. durch niedrige Löhne. Frauen verdienen 27% weniger als Männer. Warum stellen Unternehmer dann nicht nur Frauen ein?

Auch bei der Frage geht es nicht darum, die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in puncto Bezahlung gutzuheißen oder gar zu verharmlosen. Sie zeigt einfach nur einen Widerspruch in der Argumentation und sorgt damit vielleicht für einen Lacher oder auch „nur“ einen Schmunzler, aber sie regt zumindest zur Reflektion zu mindestens einer der beiden oben miteinander verwobenen Aussagen an.

Nun sind die Affenlaute gegenüber dunkelhäutigen Spielern Gott sei Dank so gut wie gänzlich zumindest aus den Bundesligastadien, aber auch den allermeisten Dorfplätzen verschwunden oder werden endlich konsequenter geahndet. Auch in puncto Homophobie oder Sexismus hat sich vieles geändert, so dass heutzutage Sprüche oder Aktionen in dieser Richtung von einer an 100% grenzenden Mehrheit abgelehnt und deren drakonische Ahnung mit großem Applaus begleitet werden. Gut so!

Hinzu hat der DFB die 3-Stufen-Regelung eingeführt, die gegen Rassismus und Diskriminierung konzipiert wurde, wie Claudia Krobitzsch, Diversity Managerin des DFB, in dem Film sagt – und nicht für den Fall der „persönlichen Beleidigung“.

Der Fananwalt Stefan Witte erläutert ebenfalls, dass diese Regelung dem Ziel gedient habe, Diskriminierung zu ahnden, genauer „Diskriminierung von Randgruppen. Ich wüsste jetzt nicht, zu welcher Randgruppe Herr Hopp gehören soll.“ Wir helfen gern: zu der der Milliardäre.

Natürlich ist klar, dass er das mit seiner rhetorischen Nichtkenntnis der diskriminierungsschützenswerten Randgruppenzugehörigkeit von Herrn Hopp nicht gemeint hat. Aber er meinte damit gewiss auch nicht Menschen, die über 80 Jahre alt sind – und damit zumindest beim Corona-Impfplan in der besonders und zuvörderst zu schützenden „Risikogruppe A“ ist.

Schluss mit lustig.

Im deutschen Strafgesetz gibt es kein Diskriminierungsverbot. Aber in anderen Gesetzen, z. B. dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, welches auch unter dem Namen „Antidiskriminierungsgesetz“ bekannt ist, das sich aus

Art. 3 des Grundgesetzes

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

der nur für Staatshandeln gilt, ableitet und damit auch im Privaten gilt. Als Ziel des Gesetzes wird ausgegeben in

§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG):

„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die für alle Staaten der EU bindend ist (außer Polen), also auch in Deutschland gilt, gibt es ebenfalls ein Diskriminierungsverbot, das über die deutsche Regelung hinausgeht. So definiert

Artikel 21 der EU-Grundrechtecharta:

„Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“

So gesehen könnte man sogar sagen, dass Herr Hopp im Sinne des AGG de jure tatsächlich nicht diskriminiert werden kann, wenn man mal das Alter weglässt. Im Sinne der EU-Grundrechtecharta allerdings sehr wohl, denn im Gegensatz hierin ist ein hierfür besonders wesentliches Diskriminierungsmerkmal aufgeführt: Vermögen.

Damit irren also – kein Scherz – die (Schalker) Fans mit ihrer Aussage: „Milliardäre sind keine schutzbedürftige Minderheit.“– zumindest nicht nach der EU-Grundrechtecharta, und die ist rechtlich bindend.

Aber was ist mit der Meinungsfreiheit?

Natürlich kommt es bei der juristischen Betrachtung – Handelt es sich um eine Meinungsäußerung, die von Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt ist, oder eine strafbewährte Ehrverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches (s.o.)  – auch stark auf den Kontext an. Hierbei müssen immer „Umstände wie der Ort oder die Zeit, das Vorverhalten des Gegners, eventuelle Satire oder ein Streit sowie das Ausdrucksvermögen oder die Intelligenz des Aussagenden hinzugezogen werden. Es sollte klar sein, dass vulgäre Wortgefechte auf dem Fußballplatz anders einzuordnen sind als solche zwischen Politikern in einer TV-Sendung oder Promis in einem Interview mit der Presse.“ (Quelle)

Es sollte auch hier diesen Ultras klar sein, dass dieses vulgäre Wortgefecht eben aufgrund seines individuellen Adressaten eben nicht durch das Grundgesetz gedeckt ist, sondern die Merkmale der oben genannten Strafgesetze erfüllt sowie eben auch Art. 21 der EU-Grundrechtecharta verletzt.

Hätten sie doch bloß den genannt, gegen den sich ihre Wut in dem Falle wirklich richtet: den DFB.

Das DFB-Sportgericht war es, das die Kollektivstrafe gegen Borussia Dortmund aussprach. Was es auch logischerweise tun musste, nachdem es zuvor diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt hatte, so dass man auch sagen kann – und leider auch muss –, dass es diese Fans des BVB waren, die sich nicht bewährt haben.

Oder waren es nicht vielmehr gewisse Fans des BVB?

Man muss den Anwalt von Herrn Hopp nicht gut oder sympathisch finden, aber man muss ihm in der Logik Recht geben, dass der DFB in seine eigene Falle getreten ist, indem er durch den Präsidenten anklingen ließ, dass es keine Kollektivstrafe mehr geben werde. Dies war zwar an Bedingungen geknüpft, aber diese wurden als solche nicht wahrgenommen oder schlicht ignoriert. Als Möglichkeit im Strafenkatalog war sie jedenfalls noch vorhanden, also wurde sie auch eingesetzt, wenn auch erst einmal zur Bewährung. Dann machte man ihrerseits einfach die Probe aufs Exempel, legte es also auf eine direkte Konfrontation mit dem DFB an. Das Mittel der Wahl: Dietmar Hopp.

Oder waren es nicht vielmehr die Verantwortlichen des BVB?

Ein Urteil des DFB-Sportgerichts richtet sich immer gegen einen Verein, nie gegen dessen Fans. Ein Verein akzeptiert ein Urteil oder er legt Berufung ein. Der BVB tat dies weder bei dem Urteil mit der Bewährungsstrafe noch bei dem Urteil, in dem die Bewährungsstrafe aufgehoben und in eine Kollektivstrafe gewandelt wurde. Dieser Aspekt wurde in dem Film und auch sonst in der Nachbetrachtung dieser Eskalation im Frühjahr 2020 zu keinem Zeitpunkt berücksichtigt.

So, wie man in dem Film davon ausgeht, dass die Verantwortlichen der Vereine sowie der DFB selbst ahnte/wusste, dass es bei diesem Spiel zu derartigen Aktionen kommen würde, so kann man auch davon ausgehen, dass man seitens der Verantwortlichen des BVB wusste, was folgen würde, würden die eigenen Fans mit einer Kollektivstrafe (und sei es nur zur Bewährung) belegt. Man hätte also durch einen Widerspruch zu den Urteilen seinen Beitrag zur Deeskalation leisten können. Hat man nicht. Warum auch immer …

Nun muss man auch Herrn Hoeneß nicht mögen oder ihn sympathisch finden, aber auch ihm muss man in dem Punkt Recht geben, dass es hier nur ein Opfer gibt – und das ist Dietmar Hopp. Er re-agierte nur. Und zu meinen, er habe mit seinen Klagen das Ganze geschürt, ist zumindest insofern fragwürdig, als dass man, wie auch in dem Film von Herrn Watzke zu hören, wenn man in eine Küche gehe, damit rechnen müsse, dass es heiß zugehe. Denn was ist jetzt, wo sich Herr Hopp juristisch wehrt? Jetzt geht es eben im Amtsgericht heiß her. Die Metapher mit der Küche greift einfach nicht, denn hier gibt es das allgemeine Verständnis und es gehört zum Wesen einer Küche, dass es dort heiß ist. Aber auch da gibt es Brandschutzverordnungen. Wenn es da mal sehr kurzfristig und unter kontrollierten Bedingungen unter oder in einer Pfanne offenes Feuer gibt, ist das in Ordnung. In allen anderen Fällen eben nicht. Und so ist es nichts Außergewöhnliches oder Schlimmes, wenn es „mal“ zu irgendwelchen Verbalinjurien kommt, allerdings gibt es auch und selbst da Grenzen. Selbst im Eifer größten Gefechts darf keinem Spieler ein hautfarbe-, geschlechts-, religionsbezogener oder eben homophober Fluch entweichen. Was völlig und sehr in Ordnung ist, aber wo ist die Grenze der Diskriminierung überschritten?

Herr Hoeneß weist völlig zu Recht darauf hin, dass man der Versuchung der Opfer-Täter-Umkehr nicht erliegen dürfe.

Letztendlich tut das der Film selbst nicht. Gerade so. Er versucht zwar zu suggerieren, dass die Fans hier zwar etwas über die Stränge geschlagen haben, aber man auch Verständnis für sie haben müsse, weil sie sonst doch kein Gehör beim DFB gefunden hätten. Zudem seien sie doch ansonsten so sozial, sehr engagiert insbesondere in puncto Anti-Rassismus, Anti-Semitismus etc.. Das hat aber nie wer in Abrede gestellt. Die Schmähungen gegen Herrn Hopp seien halt auch nur Ausdruck von Emotion gewesen. Nun, interessanterweise wird das soziale Engagement von Herrn Hopp in dem Punkt als irrelevant gesehen, seine Nennung als Versuch eines „Framings“ dargestellt, was einfach nicht fair im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes ist. Seine Verärgerung über die nachhaltigen Beleidigungen wurden aber nicht als „Ausdruck von Emotionen“ akzeptiert.

Was auch nicht thematisiert wurde, waren weitere grenzüberschreitende Schmähungen seitens mancher Fans – außer den Chants durch Hoffenheimer Fans gegen Timo Werner. Auch die waren natürlich nicht in Ordnung und es spricht für die Sinsheimer Behörden, dass sie auch Herrn Werner fragten, ob er Strafanzeige stellen wolle. Tat er nicht. Auch sein gutes Recht. Aber immerhin kann man aus dem Angebot erkennen, dass es keine institutionelle Bevorzugung einer Person gibt, sondern es um die Sache geht – und nichts anderes soll es.

Es geht überhaupt nicht um ihn. Es geht (angeblich) um die Veränderungen im modernen Fußball, die einigen, sehr wenigen Fußballfans derart missfällt, dass sie vielleicht sogar wirklich der Meinung sind, dass sie Retter eines Fußballs sind, den es so niemals gab.

Wenn man bei den Geschehnissen rund um dieses 0:6 in Sinsheim unterstellt, dass dies eine Inszenierung gewesen sei, um unliebsame Fußballfans zu diskreditieren, da die Verantwortlichen beider Vereine sowie beim Verband wussten, dass da was kommen würde, kann man bei ähnlich fundierter Beweislage auch diesen Fans unterstellen, dass sie ihr Rettertum lediglich inszenieren, da es derartige Übergriffe und persönliche Schmähungen schon vorher gab, die zum Beispiel den Burnout von Herrn Rangnick thematisierten oder den Freitod Robert Enkes.

Es geht auch ihnen um Einfluss – vor allem um ihre Angst, diesen zu verlieren.

Im Film wird diese durch einen der Münchner Ultras zum Ausdruck gebracht, wenn er befürchtet, dass im Rahmen des 3-Stufen-Plans erst persönliche Anfeindungen zum Anlass genommen werden, ein Spiel zu unterbrechen, dies aber ausgeweitet werden könne, um jedwede Form der unliebsamen Kritik hierfür herangezogen werden könne. Das ist per se nicht ausgeschlossen, aber dafür gibt es keinen Anlass. Natürlich mag der ein oder andere Verein von seinem Hausrecht Gebrauch machen und gewisse Transparente einziehen, aber das ist eine Situation, die Fans und den jeweiligen Verein betreffen, nicht den Verband – und schon gar nicht Herrn Hopp, was ja selbst die Fanvertreter, die in diesem Film zu Wort kommen, einräumen.

Das sei am Anfang so gewesen, als die TSG neu war im Oberhaus, aber dann sei ja Ruhe gewesen – zudem gab es dann mit RB Leipzig ein neues „Feindbild“.

Interessanterweise geschah auch wirklich lange Zeit nichts. Zwar hatte sich Herr Hopp in der Tat über Äußerungen wie die von Herrn Heidel damals beim DFB beschwert, aber er hielt es intern. Die Fans ließ er außen vor. Das änderte sich erst, nachdem die Fans erneut anfingen, ihn erneut – und das nicht nur metaphorisch – ins Visier zu nehmen, wobei den Anfang die Kölner Fans machten mit einem Verweis auf die nationalsozialistische Vergangenheit seines Vaters. Doch selbst die sehr ultrafreundliche „Faszination Fankurve“ stellte hierzu fest:

„Dietmar Hopp hat diesen dunklen Teil der Familiengeschichte, für den er selbst absolut nichts kann, im Gegensatz zu vielen anderen Personen des öffentlichen Lebens vorbildlich aufarbeiten lassen und dafür auch keine Kosten gescheut.“ (Quelle)

Auch wenn dieser Verweis juristisch nicht zu beanstanden ist, ist er eben geschmacklos, weil er Assoziationen weckt, die mit der Person von Dietmar Hopp nichts zu tun haben. Aber sie schüren Hass und Gewalt gegen ihn und legitimieren dieses Verhalten. Hier wurde ganz deutlich, dass es nicht um die Sache ging, sondern gegen die Person.

Und trotzdem war er nur das Vehikel. Ein willkommener Anlass für eine Inszenierung seiner selbst – und ein leichtes Opfer, denn erstens konnte man sich dem Zuspruch in seiner Blase sicher sein und zweitens war klar, dass dies Folgen haben wird, mit denen man Aufmerksamkeit für sich schafft. Ganz gewiss dachte man da aber seitens dieser Fans, dass man damit Stress mit dem DFB bekommt, nicht mit der deutschen Justiz und plötzlich mit persönlichen Konsequenzen rechnen musste, die über ein mögliches Stadionverbot hinausgehen.

Diese Sorge sorgte dann natürlich mehr denn je für Vermummungen. Das Individuum suchte Schutz in der Unerkenntlichkeit innerhalb eines Kollektivs. Es ist so eigentlich auch nur folgerichtig, dass dieses Kollektiv bestraft wird. Wer denn sonst? Niemand?

Niemand – außer wirklich sehr, sehr wenigen – will solche Menschen im Stadion haben. Es ist auch ein extrem geringer Teil, aber sie genießen ein erschreckend hohes Ansehen, da man ihnen unterstellt, ehrenhafte Anliegen zu haben. Diese hinterfragt man aber seltenst – und auch dieser Film tat das nicht wirklich.

Hingegen bezweifelte man die Bereitschaft Hopps, das alles zu vergessen und nicht weiter zu verfolgen, wenn denn nur die Tiraden gegen ihn ein Ende habe. So konnte der Münchner Ultra unnachgefragt behaupten, es würden weiterhin „reihenweise“ Klagen zugestellt. Belege? Keine. So entsteht natürlich der Eindruck, dass diese Handreichung von Herrn Hopp eine Farce sei. Auch das eine vergebene Chance des Films.

Auch die Aussage des inzwischen für den BVB tätige Ex-Ultra meinte schlicht, dass diese Angriffe nicht enden würden, da man so ein Kurvenverhalten nicht ändern könne, wobei ja die Vergangenheit das Gegenteil gezeigt hat (s. Rassismus, Homophobie, Anti-Semitismus, Sexismus etc.).

Und so stimmt dieser Film auch diesbezüglich etwas traurig. Denn einerseits verlangt man von Dietmar Hopp, dass er doch einfach mal stillhalten soll. Das würde dann schon aufhören. Das aber tat er vor Jahren bereits – und dann ging es fanseitig wieder los. Zudem sorgt man genau mit solchen Filmen fürs Gegenteil. Denn eigentlich war das alles kein Thema mehr. Es gab inzwischen auch Runde Tische, wo alle möglichen Akteure im Fußballkosmos zusammensaßen und auch erste gemeinsame Beschlüsse gefasst wurden.

Alles Anzeichen einer Beruhigung, einer Normalisierung im Verhältnis von Fans und DFB. Dass in so einer doch eigentlich guten, positiv stimmenden Situation so ein Film ausgestrahlt wird, der einen Moment aufgreift, der über ein Jahr zurückliegt und der nun wirklich viel mehr mit dem Problem dieser Fans mit dem modernen Profi-Fußball als mit sonst wem zu tun hat, mutet seltsam an.

Vielleicht wollte sich der Autor auch einfach nur reinwaschen vom latenten Vorwurf, ein Fürsprecher der TSG Hoffenheim bzw. Herrn Hopp zu sein. Nach eigenem Bekunden war seine Absicht, „das nachzuholen, was wir damals verpasst haben: diesen komplexen, vielschichtigen, emotional aufgeladenen Konflikt ausgewogen darzustellen.“

Das stimmt insofern, dass in der Tat viele unterschiedliche Personen zu Wort kamen, diese aber in unterschiedlicher Art dargestellt wurden. Vor allem seine Einschätzung, dass „vor dem Spiel in Sinsheim offenbar fast alle Bescheid wussten, was passieren würde, die TSG Hoffenheim, der FC Bayern und der DFB. (…) Dass die Reaktionen der Verantwortlichen offenbar auch geplant waren und dass dabei an der einen oder anderen Stelle überzogen wurde, das veränderte meinen Blick auf diesen Tag und diesen Konflikt.“ gab dem Film dann doch noch Würze – und einen faden Beigeschmack.

„Inszenierten Hopp und FC Bayern den Eklat?“ titelte n-tv.de, ohne eine Antwort zu geben. Damit trat exakt das ein, was Herr Hoeneß befürchtete: der Versuch einer Opfer-Täter-Umkehr.

Denn selbst falls die Verantwortlichen der Vereine gewusst haben sollten, dass „Fan-Aktionen“ geplant waren, heißt das noch lange nicht, dass sie den Eklat inszenierten. Man muss das alles sehr wohl in eine korrekte chronologische Reihenfolge bringen und immer genau unterscheiden, wer wann was genau machte und sich dann fragen, warum und wo da welche Grenzen überschritten wurden.

Die juristischen überschritt nur eine Seite. Und die moralischen? Die des erträglichen? Des gesellschaftlich akzeptablen? Seltsam, dass man allen möglichen Menschen zubilligt, sich von Äußerungen zur Person diskreditiert zu fühlen. Nur einem nicht. Das ist dasselbe wie der Satz aus dem Bayern-Jahrbuch 1994/95 von Mehmet Scholl:

ein schlechter Scherz.

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