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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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1899 Hoffenheim vs. SC Freiburg

 Das Omen.

 Teil 2 des Ba-Wü-Duells: wenig Ertrag, viel Moral

Es hatte sich abgezeichnet.

Auch so ein Ausdruck aus dem Fußball. Oft gebraucht von Journalisten, auch wenn diese zuvor selbst nichts Entsprechendes kundtaten, aber damit ganz wunderbar ihre eigene Überraschung ob des ihrerseits Unvorhergesehenen kaschieren wollen. Aber lassen wir die Simons, Reifs und Réthys dieser ganz eigenen Welt mal außen vor, den Satz gibt es auch von Fans, weil sie ausnahmsweise etwas in ihrem Spielvorbereitungsplan leicht modifizierten, was ja an einem Werktag schon mal vorkommen kann. So ist es völlig in Ordnung, sich am Wochenende nach dem Aufstehen in Spieltagskleidung zu werfen und damit zum Bäcker zu gehen, eine Kutte im Büro, am Schalter, an der Werkbank mutet da schon seltsamer an. Aber auch um die Fans und ihre Rituale, denen sie ja schicksalsbeeinflussende Wirkung nachsagen, soll es nicht gehen – und wo wir schon so schön beim Negieren sind, es geht auch nicht um die Rituale der Spieler, die ja auch so ihre Marotten haben, wenngleich nicht jeder:

„Rituale habe ich nicht – bis auf Sachen, die man immer wieder gleich macht.“ (Michael Ballack)

Spannend ist es ja schon, woher diese Neigung zum Aberglauben kommt. Ist es wirklich der Glaube, dass man das Schicksal beeinflussen kann? Oder ist es nicht eher so, dass der Mensch weiß, dass er das Schicksal nicht beeinflussen kann, er aber lieber seine üblichen Devotionalien als Schuld tragen möchte für den Fall, dass es das Schicksal nicht gut mit ihm und seiner Mannschaft meinen sollte?

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (was es nicht alles gibt) beantwortete die Frage bereits 1978 so:

Der „unbehauste Mensch“, der sich nicht mehr in einem „geschlossenen System“ sieht, sehnt sich nach Geborgenheit, die aber des Geheimnisvollen und Wunderbaren nicht entbehren darf.

Sepp Herberger drückte das früher einfacher aus:

„Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht!“

Ohnehin war die Trainerlegende ein großer Realist und Pragmatiker. Und eigentlich trifft das auch auf unseren Trainer zu. Und er ist auch der Grund dafür, dass es sich abgezeichnet hatte, denn er hatte das Ergebnis vorab kundgetan:

„Für mich ist ein 2:0 spektakulärer als ein 3:3.“

Dies soll Markus Gisdol auf der Pressekonferenz nach dem letzten Spiel kundgetan haben, zumindest wurde er so zitiert, und sofort fällt einem da doch die Kindheit ein, in der (Groß-)Muttern gerne ja mal nicht das erhoffte Mitleid mit einem hatte, wenn man sich z. B. beim Weglaufen das Knie stieß, nachdem man sein kleines Geschwisterchen geärgert hatte, sondern daran erinnerte:

„Kleine Sünden bestraft der Herr sofort!“

Und der Fußballgott ist da nicht anders – und er ist Fußball-Fan. Natürlich gefällt einem solchen ganz allgemein ein 3:3 besser. Und gewiss hätte er nichts dagegen gehabt, wenn Markus Gisdol die beiden Ergebnisse in einen anderen komparatistischen Zusammenhang gestellt hätte („für uns besser“, „fürs Punktekonto schöner“ etc.), aber dass er gerade das Adjektiv benutzte, welches das Image nicht unbedingt unseres Vereins, aber mit Sicherheit unseres Teams im letzten Jahr nach einer solchen Grotten-Saison unseres Teams so wesentlich zum Besseren gekehrt hat, das dürfte ihn gestört haben.

Aber zu Anfang sah es gar nicht danach aus, dafür das Spiel unserer wieder einmal neu formierten Mannschaft wirklich klasse.

Gisdol hielt an der Abwehr des letzten Spiels fest, doch schon davor gab es eine große Überraschung: Vestergaard spielte den Abräumer im defensiven Mittelfeld, Elyounoussi wieder von Anfang an, Volland stand in der Startelf, Firmino weiter vorne und statt Modeste Szalai in der Sturmspitze – und diese Veränderungen wirkten sich in den ersten zehn Minuten sehr belebend auf unser Spielaufbau- und Kombinationsspiel aus. Das war schon herrlich zu sehen, wie da der Ball lief – und die Mannschaft auch.

Der Gegner hatte da so seine Schwierigkeiten mitzukommen, tat er aber, so dass keine der Chancen letztlich zu einer zwingenden Torchance führte, aber man eigentlich davon ausgehen konnte, dass dies nur eine Frage der Zeit sein würde, bis wir in Führung gehen würden, wenn wir so weiter spielen. Taten wir aber nicht.

Nach zehn Minuten hatten sich die Gäste auf unser Spiel eingestellt, unsere Spieler früher attackiert, die Räume zugestellt und schon wurde unser Spiel wesentlich langsamer und fehlerbehafteter, was dann zum unerwarteten Rückstand führte.

Dabei hatten wir davor noch Riesenglück, als die Freiburger die erste sich aus einem Fehler in unserem Spielaufbau ergebende Chance nicht nutzten und den Ball statt ins Tor in Richtung Weiher kickten.

Man hoffte, dass dies ein Weckruf hätte sein können. Doch wie sagte Goethe:

Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt.

So trug diese Chance vielmehr zur weiteren Erstarrung im Spielaufbau bei. Statt weiter beherzt nach vorn zu spielen, wurde der Ball meist quer und/oder hin und her gespielt, womit wir beim Tennis wären.

Wie ja bereits im letzten Spielbericht hingewiesen, greift man zur Erklärung einzelner Situationen auf Begrifflichkeiten aus anderen Sportarten zurück – sehr oft ist das Eishockey, aber diesmal ist es Tennis.

Es war nämlich ein „Doppelfehler, der zu einem historischen Ereignis wurde: dem schnellsten Doppelpack der Bundesliga. In weit weniger als zwei Minuten lagen wir aufgrund „unforced errors“ 0:2 zurück.

Vielleicht waren die Spieler von einer gewissen Niederkomplexitätsphobie befallen, denn in beiden Situationen spielten unsere Spieler einfach nicht den einfachen Ball. Beiden Toren ging ein falsches und zudem lasches Passspiel voraus. Dass sich unser Verteidiger dann vor dem zweiten Treffer auf einem Meter einen halben abnehmen ließ, passte zu den jeweiligen Situationen, die ja von Anfang bis zum Schluss unnötig waren.

Hier Ross und Reiter zu nennen würde das falsche Signal setzen, zumal es auch diese Spieler waren, die im weiteren Verlauf des Spiels wiederum Glanzlichter setzten, so dass es sich insgesamt die Waage hielt. Es geht also nicht um die Spieler, die „Schuld“ an diesem Rückstand hatten, sondern um das „Spiel“, das zu diesem Zeitpunkt diesen Rückstand verursachte.

War es Überheblichkeit, Arroganz, Ideenmangel, Konditionsschwäche – oder lag es doch an der Aufstellung, wie so mancher auf der Tribüne (Nörgelgerade) raunte?

Nun, was immer es war – das war auch der Grund für das Wiederauferstehen der Mannschaft, denn das darf man ja nicht vergessen: die, die sich selbst in die Bredouille brachten, schafften sich auch selbst wieder heraus.

Dabei war der Anschlusstreffers Elyounoussis vor der Pause natürlich Gold wert. Auch wenn wir von dem Ausdruck des „psychologisch wichtigen Zeitpunkts“ wenig bis nichts halten, schließlich ist jeder Treffer binnen der Spieldauer „psychologisch wichtig“ (Na ja, vielleicht abgesehen vom 1:7 der Brasilianer im letzten WM-Halbfinale, obwohl auch das … egal, nicht das Thema jetzt), in dem Falle war es schon nicht schlecht, dass man in der zweiten Halbzeit nur noch ein Tor aufholen musste.

Überhaupt Elyounoussi. Im Gegensatz zum Stuttgart-Spiel wirkte er über weite Strecken agiler, aggressiver, selbstbewusster. Sein Anschlusstreffer erzielte er im Laufduell gegen zwei Freiburger, das er souverän abschloss – und nicht nachsetzen musste wie im Ba-Wü-Duell Teil 1, obwohl er da unbedrängter war.

Wie auch immer, der Ball war drin und wir wieder dran, und entsprechend mutig begannen wir auch den 2. Durchgang. Im Grunde ähnelte das Ganze Halbzeit 1, aber wieder fielen keine Tore, dafür einer unserer Spieler kurz vor dem Strafraum, was zu einem Freistoß führte – und zur nächsten Überraschung.

Nicht Rudy, Vestergaard legte sich den Ball zurecht, lief an und nein, jagte den Ball nicht ebenfalls in Richtung Weiher, sondern zirkelte ihn wunderbar ins rechte untere Eck, wo ihn der Gästekeeper nur abklatschen konnte – und ab da wurde es dann doch das ersehnte „Baden-Derby.“

Beck erkämpfte sich den Ball und lag plötzlich am Boden. Kein Elfmeter. Proteste. Spielertraube. Noch ein Hoffenheimer Spieler am Boden. Tätlichkeit? Tatsächlich zeigte Kinhöfer einem Freiburger eine Karte, aber nur die gelbe, und nicht auf den Punkt.

Weiter ging’s. Mehr Adrenalin. Mehr Druck. Wieder schnell gespielt. Wieder vor den 16er. Wieder ein Foul der Gäste. Wieder Freistoß. Wieder steht Vestergaard da. Diesmal aber mit Rudy. Letzterer schießt. Noch präziser. Perfekt präzise. Über die Mauer. Unten neben den Pfosten. Der Ausgleich.

Und frei nach Schiller:

Aus allen Nörglern wurden Jubler.

Und unsere Spieler setzten ihr Spiel fort, den Gegner weiter und Druck, wieder ein Angriff über rechts, wieder ein schöner Ball in die Mitte, wieder lag ein Hoffenheimer am Boden, wieder blieb die Pfeife still.

Kurz darauf rund 60 Meter entfernt tat sie es nicht. Elfmeter für Freiburg nach einem sinnvollen Zweikampf, aber weniger klugem Einsteigen an der äußersten Strafraumgrenze. Wie Kinhöfer gesehen haben will, dass der Angriff innerhalb war, kann nur in seinem Hauptberuf begründet liegen. Als Leiter Controlling der Stadt Herne hat er wohl ein Auge fürs Kleinstgedruckte und sei es nur ein Kreidekorn auf dem Hybridrasen.

Wir sahen das naturgemäß anders, aber dass er den gab und in keinen der beiden anderen Szenen zuvor für Hoffenheim pfiff und auch nach Tätlichkeit nicht „Rot“ zeigte, gab dem Ganzen so langsam doch ein „Gschmäckle“.

A propos „Geschmack“: Dass sein Outfit eine Art farbiges Negativ des Trikots der Freiburger darstellte, fanden wir schon arg grenzwertig, schließlich ist das inzwischen ein sehr schneller und auch körperbetontes Spiel geworden. Hier von einem Hoffenheimer Spieler zu erwarten, dass er Rot und Schwarz immer richtig zuordnet, ist schon sehr ambitioniert. Und irgendwie auch mutig vom Schiedsrichter, denn was wäre wohl gewesen, wenn Süle in einer Laufaktion gewesen wäre, nur auf den Ball geachtet und höchstens aus dem Augenwinkel was Rötliches erkannt hätte? Kinhöfer ist zwar robuster gebaut als z. B. Aytekin, dennoch …

(Frage an die Regelkundler: War das echt in Ordnung so oder hätte der Schiedsrichter nicht auf eine andere Farbe, z. B. komplett schwarz oder weiß ausweichen können, wenn nicht müssen?)

Auch schienen seine Freistoßentscheidungen einem seltsamen Algorithmus zu unterliegen, der ohne weiteres nicht zu erkennen war. Wenngleich fürs Spielgeschehen irrelevant war unser Favorit eine Schwalbe eines Freiburgers im eigenen Strafraum, die er aber als Foulspiel ahndete.

(Noch eine Frage an die Regelkundler: Was hätte es denn geben müssen, wenn er es richtigerweise als „Schwalbe“ geahndet hätte?)

Jedenfalls zeigte er einem Freiburger dann doch die rote Karte, was man aber fairerweise auch nicht richtig verstehen kann. Natürlich traf der Spieler unseren Angreifer mit dem Fuß im Gesicht. Natürlich war das ein ahndungswertes Foulspiel. Aber zur Verteidigung des Verteidigers: Unser Spieler kam aus seinem Rücken. Er konnte und hatte ihn nicht gesehen.

Aber das, wie auch der Elfmeter, eine Tatsachenentscheidung, aber genau das Richtige, um unsere Jungs wie auch die Tribüne noch einmal zu motivieren, doch noch zumindest einen Punkt zu holen und weiterhin ungeschlagen zu bleiben. Aber bis zum Ablauf der 90 Minuten brachten wir trotz Überzahl keinen klar strukturierten Angriff mehr nach vorne.

Aber der Fußballgott hatte ein Einsehen. Es gab vier Minuten Nachspielzeit und da dann doch noch die Chancen. Die erste funktionierte nicht, die zweite dann schon, wenngleich mit Hängen und Würgen, und es war überraschend, dass Thorsten „Kleinlich Kleinlich“ Kinhöfer das Gestocher im Fünfmeterraum nicht abpfiff, aber er tat es nicht und so spielte die Kugel Billard zwischen unserem Sturm und der Freiburger Torlinie, bis es im dritten Anlauf dann Vestergaard schaffte, den Ball über selbige zu schießen.

Dann war auch Schluss mit einem Spiel, das Mitte der ersten Halbzeit Debakelpotenzial hatte, dann aber doch zum Spektakel wurde.

Und mit dem Momentum der letzten Minute geht’s nun nach Mainz, wo es ja in der Vorsaison fast exakt andersrum lief.

Doch davor muss einem nicht bange sein, hat die Mannschaft doch zwei Dinge klar bewiesen: in der Vergangenheit a) dass sie aus Fehlern lernt, und gestern ganz, ganz großartig und ganz, ganz viel b) Moral.

Wunderbar!

 

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